Lebensdaten
1810 – 1876
Geburtsort
Hannover
Sterbeort
Göttingen
Beruf/Funktion
Kunsthistoriker ; Professor der Kunstgeschichte in Göttingen ; Germanist
Konfession
evangelisch?
Normdaten
GND: 117293121 | OGND | VIAF: 10619519
Namensvarianten
  • Unger, Friedrich Wilhelm
  • Unger, F. W.
  • Unger, Fridericus Guilelmus
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Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Unger, Friedrich Wilhelm, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd117293121.html [20.04.2024].

CC0

  • Biographie

    Unger: Friedrich Wilhelm U., Germanist und Kunsthistoriker, geboren am 8. April 1810 zu Hannover, am 22. December 1876 zu Göttingen. U. stammte aus einer hannoverschen Beamtenfamilie. Sein Urgroßvater war Bürgermeister von Münden zur Zeit des siebenjährigen Krieges, dessen Bruder Bürgermeister von Göttingen, außer durch seine Schicksale während der französischen Occupation der Stadt bekannt durch seine Schrift: von der Ordnung der Fruchtpreise (Göttingen 1752). Unger's Vater, Consistorialsecretär in Hannover, starb früh (1821) und hinterließ den Sohn unter der Vormundschaft der Mutter und eines Mannes, der damals eine für Deutsche und Engländer bestimmte Erziehungsanstalt in Wülfel bei Hannover leitete, später als Moorcommissär Wehner in der staatsgrundgesetzlichen Opposition oft genannt, in den letzten Jahren seines Lebens wegen eines Betruges, den er gegen seinen zweiten Mündel, Unger's jüngern Bruder, verübt haben sollte, vom Schwurgericht zu Hannover zur Zuchthausstrafe verurtheilt wurde. U., in der Erziehungsanstalt seines Vormundes, der sich damals des besten Rufes erfreute, vorgebildet, trat 1827 in das unter Döring's Leitung stehende Gymnasium in Gotha ein und bezog zwei Jahre später die Universität Göttingen. Seine Neigung ging auf die Kunst, der Wille der Mutter bestimmte ihn zum Studium der Rechte; und nur soviel erreichte er nach zwei Jahren durch die Fürsprache Wehner's, daß ihm die Mutter probeweise die Fortsetzung seiner Studien auf der Malerakademie in München gestattete. Hier lernte U. seine nachherige Frau kennen und kehrte auf den Rath seines Schwiegervaters, des Regierungsraths Wurm, der selbst ein tüchtiger Kunstkenner war, nach anderthalbjährigem Aufenthalte zu den verlassenen juristischen Studien zurück. Er schloß sie im Frühjahr 1834 mit der Wehner gewidmeten Dissertation: de duorum praecipuorum jurisprudentiae apud veteres systematumindole atque origine ab und trat in den hannoverschen Staatsdienst ein. Als Auditor verheirathete er sich und wurde nach absolvirtem zweiten Examen im Herbst 1837 Assessor. Der Jurisprudenz, der er bisher nur mit halbem Herzen angehörte, wurde er ganz gewonnen durch die Bekanntschaft mit den Arbeiten Eichhorn's und der übrigen Germanisten, die er erst nach der Universitätszeit gemacht zu haben scheint. Um mit der Universität wieder in Berührung zu kommen, ließ er sich im Mai 1838 an das Amt Göttingen versetzen und habilitirte sich zugleich Ostern 1840 als Privatdocent für deutsches und öffentliches Recht. Als schriftstellerisches Ziel hatte er sich eine geschichtliche Entwicklung der Staatsverfassung des Königreichs Hannover vorgesetzt. Davon ist aber nicht mehr erschienen als die kleine die karolingische Zeit noch umfassende Schrift: „Geschichte des öffentlichen Rechts in den Landen zwischen Niederrhein und Niederelbe“ (1839). Für öffentliches Reden wenig begabt, zu einer Zeit auftretend, da die Studentenzahl Göttingens gering und an Docenten für die germanistischen Fächer kein Mangel war, hatte U. mit seinen Vorlesungen, die deutsches Privatrecht, deutsche Alterthümer betrafen, nachher Rechtsencyclopädie und deutsches Staatsrecht bevorzugten, das auch einmal mit Völkerrecht verbunden wurde, wenig Erfolg. Dem Kreise jüngerer Universitätslehrer, der damals in Göttingen beisammen war und Männer wie W. Planck. O. Mejer, Schaumann, W. Müller, Lott, Wieseler, Rüete umfaßte, hatte U. nicht bloß geselligen Verkehr und treue Freundschaft, sondern auch mannichfaltige wissenschaftliche Anregung zu danken. Wenn ihn Planck zur Herausgabe des Richtsteig Landrechts veranlaßte, so war Rüete sein Berather in den früh angestellten Untersuchungen über die Harmonie der Farben. Unger's litterarische Thätigkeit in dieser Zeit war ungemein rege, aber ausschließlich juristisch-germanistischer Art. Es folgten sich rasch: „Die altdeutsche Gerichtsverfassung" (1842), „Die Geschichte der deutschen Landstände“ (2 Thle., 1844), die Ausgabe des Richtsteig Landrechts nach einer Hs. der Göttinger Bibliothek (1847), die Abhandlung über den gerichtlichen Zweikampf (in den Göttinger Studien Bd. 2, 1847) und „Römisches und nationales Recht“ (1848), eine kleine Schrift, die den Gegensatz vornehmlich an dem Kampfe zwischen römischem und nationalem Recht im Königreich Castilien darstellt: alles Arbeiten, die sich zeitgemäße Aufgaben gestellt haben, auch mit Fleiß und Quellenkenntniß verfaßt sind, aber doch wegen ihres Mangels an Gestaltungskraft wenig in die wissenschaftliche Entwicklung eingegriffen haben. In der Einsicht, daß sich mit seinen Arbeitsplänen und Neigungen die Beamtenthätigkeit auf die Dauer nicht vereinigen ließ, gab er seine Stellung als Assessor auf und trat 1845 bei der Göttinger Bibliothek als Secretär ein, mußte aber deren damaligen Vorschriften entsprechend dem akademischen Lehramt entsagen. Das Jahr 1848, dem er mit einer kleinen Flugschrift: „Das deutsche Parlament und der monarchische Gedanke“ seinen Tribut bezahlte, macht einen Einschnitt in seine wissenschaftliche Thätigkeit. Die Rechtswissenschaft verschwand so vollständig, daß ihm seine eigenen Bücher gänzlich fremd wurden. An ihre Stelle trat die Kunstwissenschaft, der er, als er die Kunstübung hatte aufgeben müssen, seine Liebe, die durch die Schätze der Bibliothek neue Nahrung fand, bewahrt hatte. Sie ermöglichte ihm auch unter geänderten Verhältnissen die Rückkehr zur Universität. 1858 habilitirte er sich als Privatdocent für Kunstgeschichte und erwarb sich das Verdienst, diesen seit langer Zeit dem akademischen Unterricht in Göttingen entfremdeten Zweig der Wissenschaft aufs neue einzubürgern. Die aufopfernde Thätigkeit, die er auf den spärlich, wenn auch dankbar besuchten Unterricht verwandte, erhielt eine späte Anerkennung, als er 1862 unter Beibehaltung seiner Bibliothekarstellung zum außerordentlichen Professor für Kunst und Kunstgeschichte ernannt und mit der Aufsicht über die akademische Kunstsammlung betraut wurde.|Nachdem er im Sommer 1850 die Gallerten Italiens bereist, hatte er sich bald auch in dem neuen Gebiete seiner Thätigkeit litterarisch angesiedelt. Von einem Gesetz der Farbenaccorde, das er gefunden zu haben glaubte, hatte er schon 1852 in Poggendorff's Annalen eine kurze Mittheilung gemacht, eine ausführlichere Darstellung in der Schrift: „Die bildende Kunst, ästhetische Betrachtungen über Architektur. Sculptur und Malerei für Künstler und Kunstfreunde“ (1857) gegeben. Ein für Vorlesungen bestimmter Grundriß: „Uebersicht der Bildhauer- und Malerschulen seit Constantin d. G.“ (1860) bildet den Uebergang zu Unger's verdienstvollsten Arbeiten. Die umfassenden Artikel über gothische Baukunst und Bildkunst und über die byzantinische Kunst und ihren Einfluß auf das Ausland in Thl. I, Bd. 75 und Bd. 84 der Ersch- und Gruberschen Ency. clopädie mögen als Beispiele einer Reihe hier niedergelegter kunsthistorischer Darstellungen gelten. Die geschichtliche Erforschung der byzantinischen Kunst wurde zuletzt mehr und mehr der Mittelpunkt seiner Studien, so wenig auch der durch jeden neuen Fund angeregte und zu eigenen Untersuchungen und Combinationen geführte Mann zur Einseitigkeit geneigt war. In Benfey's Zeitschrift Orient und Occident veröffentlichte er 1863 eine größere Abhandlung über die Bauten Constantin's am heiligen Grabe zu Jerusalem, die die Idee vertrat, die Constantinische Grabkirche sei in der heutigen Omar-Moschee zu suchen. Eine neue Reise nach Italien im Sommer 1865 galt insbesondere Ravenna. Erst nach seinem Tode erschienen: „Die Quellen der byzantinischen Kunstgeschichte“, von U. ausgezogen, übersetzt und erläutert, hauptsächlich die Baugeschichte Constantinopels betreffend. Ihr Herausgeber, Chmelarz, in den Quellenschriften zur Kunstgeschichte des Mittelalters Bd. XII (Wien 1878), rühmt ihnen nach, daß erst Unger's bewundernswerther Fleiß, seine große Gelehrsamkeit und Gewissenhaftigkeit ein klares Bild der byzantinischen Kunstentwicklung zu gewinnen möglich gemacht habe. Zur Kennzeichnung seines Wesens darf endlich die kleine Schrift: „Göttingen und die Georgia Augusta“ (1861) nicht übergangen werden, eines der liebenswürdigsten und inhaltreichsten Bücher dieses Gebiets, voll der brauchbarsten historischen Kenntnisse und treffender eigener Beobachtung, von jenem Humor durchzogen, der dem Verfasser so wohl anstand. Das Leben hatte es ihm nicht leicht gemacht. Inmitten aller seiner Sorgen und Widerwärtigkeiten hatte er in seiner stillen treuen Weise fortgearbeitet und sich doch schließlich zu dem durchgerungen, was seinem Genius entsprach und ihm einen ehrenvollen Platz in der Wissenschaft sichert.

    • Literatur

      O. Mejer, ein Lebenslauf, in den Culturgesch. Bildern aus Göttingen (Hannover 1889). — Chmelarz in der Einleitung zu der angef. Ausgabe. — Göttingen und die Georgia Augusta S. 86 ff. —
      Roscher, Gesch. der Nat-Oekonomik S. 424. —
      Mohl, Gesch. u. Litt, der Staatswiss. II, 327. —
      Homeyer. Richtsteig Landr. S. 74. — Eigene Erinnerungen.

  • Autor/in

    F. Frensdorff.
  • Zitierweise

    Frensdorff, Ferdinand, "Unger, Friedrich Wilhelm" in: Allgemeine Deutsche Biographie 39 (1895), S. 289-291 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117293121.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA