Lebensdaten
1829 – 1903
Geburtsort
Bialystok
Sterbeort
Sankt Petersburg
Beruf/Funktion
Soziologe
Konfession
lutherisch
Normdaten
GND: 136720021 | OGND | VIAF: 81017571
Namensvarianten
  • Lilienfeld-Toal, Paul von
  • Lilienfeld, Paul Frommhold Ignatius von
  • Lilienfeld, Paul de
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Zitierweise

Lilienfeld-Toal, Paul von, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd136720021.html [26.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Otto (1796–1870) auf Hallick, russ. Oberst, Chef d. staatl. Domänenverwaltung in Riga, S d. Jakob, auf Parrasmetz (Insel Oesel) u. Hallick (Livland), u. d. Auguste v. Baranoff;
    M Constance (1809–1902, kath.), T d. russ. Gen. August d'Auvray u. d. Julie v. Silberarm;
    Toal 1858 Karoline (1833–1904), auf Toal, T d. Ferdinand Gf. v. Meilin u. d. Anna Gfn. v. Mellin;
    5 S, 1 T, u. a. Anatole (1865–1931), Gouverneur v. Pensa.

  • Biographie

    Nach seiner Gymnasialausbildung trat L. 1849 in das Ökonomie-Departement des russ. Ministeriums des Innern in St. Petersburg ein, von wo er 1853 als persönlicher Referent zum Gouverneur von Estland, Gf. Berg, versetzt wurde. Als dieser 1855 Generalgouverneur und Oberkommandierender in Finnland wurde, folgte L. ihm als Beamter für besondere Aufgaben. 1861 verließ er diesen Dienst, um seine Güter zu bewirtschaften und als Friedensrichter und Präsident der Friedensrichter-Versammlung zu wirken. 1867 zum Vizegouverneur von St. Petersburg ernannt, wurde er schon im Jahr darauf Gouverneur von Kurland, eine Tätigkeit, die er bis 1881 erfolgreich ausübte. In dieser Zeit hat er sich immer wieder bemüht, zwischen den Ansprüchen der russ. Regierung mit ihren zentralistischen Tendenzen und zunehmenden Russifizierungsbestrebungen und den Belangen der verschiedenen Volksgruppen und Stände vermittelnd und ausgleichend zu wirken. Neben der Durchführung zahlreicher, mit der Bauernbefreiung von 1861 zusammenhängender Aufgaben hat sich L. um den Wegebau (neue Wegeordnung) und das Schulwesen verdient gemacht und war Initiator mehrerer Seemannnsschulen. 1878 zum Geheimrat ernannt, wurde er 1886 als Senator in den dirigierenden Senat, den obersten Gerichtshof Rußlands berufen.

    Unter den hohen russ. Staatsbeamten aus deutschbalt. Familien verdient L. deshalb besondere Beachtung, weil er einer der bekannten Sozialwissenschaftler seiner Zeit gewesen ist. Nach zwei auf Russisch erschienenen Büchern, den „Elementen der Politischen Ökonomie“ (1860 unter Ps. Lileyewa) und einem Band „Gedanken über die Sozialwissenschaft der Zukunft“ (1872), die beide relativ unbeachtet blieben, legte er 1873-81 in deutscher Sprache ein umfassendes Werk vor, das seinen Ruf als Soziologe begründete. In diesem ebenfalls „Gedanken über die Socialwissenschaft der Zukunft“ betitelten Werk, das 5 starke Bände umfaßt, erweist er sich als der extremste organizistische Denker, den wir den Sozialwissenschaften, genauer der Sozialphilosophie, zurechnen dürfen. Dieses umfangreiche Werk hat er folgendermaßen gegliedert: Die menschliche Gesellschaft als realer Organismus; Die sozialen Gesetze; Die soziale Psychophysik; Die soziale Physiologie und schließlich: Die Religion betrachtet vom Standpunkte der real-genetischen Socialwissenschaft oder Versuch einer natürlichen Theologie. Das Ganze stellt sich als beachtliche Leistung eines wissenschaftlichen Autodidakten dar, wie es im 19. Jh. auch die Werke von Comte, Darwin oder Spencer waren. Mit Letzterem kann man L. in Parallele setzen, stärker noch mit Albert Schäffle, dem zeitgenössischen reichsdeutschen Organizisten. In Frankreich ist als sein Mitstreiter René Worms zu nennen, der L.s internationales Ansehen besonders förderte und seine „Pathologie Sociale“ 1896 in Paris herausbrachte. 1898 nahm L. zu den teilweise heftigen Angriffen gegen seine Konzeptionen (u. a. seitens seines Landsmannes, des Theologen Alexander v. Oettingen) Stellung und veröffentlichte eine Schrift „Zur Vertheidigung der organischen Methode in der Sociologie“. In ihr hat er sein Programm so zusammengefaßt: „Die Anhänger der organischen Methode auf sociologischem Gebiet … haben es sich nun zur Aufgabe gestellt, den Zusammenhang zwischen der Naturkunde und den Socialwissenschaften herzustellen, sowie die Einheitlichkeit der Gesetzmäßigkeit in der Natur und der menschlichen Gesellschaft zu beweisen“. Die Gesellschaft ist ihm ein „realer Organismus“, und in der Phylogenese sieht er Parallelen zur Ontogenese. Auch wenn L. in seinen Werken vielfach weit über das Ziel hinausschoß und damit Spott auf sich zog, hat er als Vertreter eines radikalen organizistischen Standpunktes für die Geschichte der Sozialwissenschaften eine gewisse Bedeutung. 1896 wurde er zum Vizepräsidenten, 1897 zum Präsidenten des „Institut International de Sociologie“ gewählt, der ersten und damals einzigen internationalen Soziologengesellschaft.

  • Werke

    Weitere W u. a. Osnownya Natchala Politicheskoy Economyi, 1860;
    Myssti o Socialnoy Naoukie Boudouchtawo, 1872;
    La Pathologie Sociale 1896;
    Memoiren (ungedr., in Fam.bes.).

  • Literatur

    Rigascher Alm., 1884 (P);
    O. Henne am Rhyn, Paul v. L., 1890;
    R. Worms, Vorwort z. „Pathologie Sociale“, 1896;
    Nachrr.bl. d. halt. Ritterschaften, Sept. 1974;
    W. Bernsdorff, Internat. Soziologenlex., ²1980;
    GHdA 26 (P);
    Dt.-Balt. Biogr. Lex., 1970.

  • Porträts

    Ölgem. v. Döring (Mitau, Kurländ. Provinzialmus.).

  • Autor/in

    Richard Martinus Emge
  • Zitierweise

    Emge, Richard Martinus, "Lilienfeld-Toal, Paul von" in: Neue Deutsche Biographie 14 (1985), S. 557-558 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd136720021.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA