Wirth, Georg August

Lebensdaten
1798 – 1848
Geburtsort
Hof
Sterbeort
Frankfurt/Main
Beruf/Funktion
Politiker ; Jurist ; Schriftsteller ; Publizist
Konfession
lutherisch?
Normdaten
GND: 118835777 | OGND | VIAF: 76354394
Namensvarianten

  • Wirth, Johann Georg August
  • Wirth, August
  • Wirth, Georg August
  • Wirth, Johann Georg August
  • Wirth, August
  • Wirth, J. G. August
  • Wirth, Johann Georg
  • Wirth, Johann G. A.
  • Wirth, J. G. A.
  • Philnoesis
  • b11

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Zitierweise

Wirth, Georg August, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118835777.html [25.12.2025].

CC0

  • Wirth, Johann Georg August

    | Jurist, Publizist, Politiker, * 20.11.1798 Hof, † 26.7.1848 Frankfurt/Main, Frankfurt/Main, Hauptfriedhof. (evangelisch)

  • Genealogie

    V Johann Adam Gottlieb (Gottlob) ( 1803), ksl. Reichspoststallmeister in H., S d. Johann Gottlob Joachim, 1765 ksl. Reichspostmeister in H.;
    M Wilhelmina Augusta Albertine ( 1840), T d. Jonas Gelbricht (1727–1810), Pfarrer in Theuma (Sachsen);
    2 B, 2 Schw;
    Hof 1821 Regina Magdalena Werner (1792–1871), besorgte während W.s Inhaftierung d. Vertrieb seiner Schrr. u. d. Landauer Verteidigungsrede, floh vor Ermittlungen d. bayer. Polizei gegen sie n. Weißenburg (Elsaß);
    2 S Maximilian (Max) (1822–1900, Bettina Greiner,* 1849, Schriftst.), Journ., Nat.ök., 1856 Hg. d. Wbl. „Der Arbeitgeber“, Red. d. „Frankfurter Handelsztg.“, 1864–73 Dir. d. Eidgenöss. Statist. Bureaus, 1874 Red. d. „Neuen Freien Presse“ in Wien (s. Wurzbach; BJ V, S. 37–39; Kosch, Biogr. Staatshdb.; Selbstzeugnisse Juristen; Biogr. Lex. Demographie; HLS), Franz Ulpian (1826–1897), Pol., Mitgründer d. Frankfurter Friedensver. (s. ADB 43; Biogr. Lex. Burschenschaft), 1 T Rosalie Christiane (* 1827);
    E Josef Carl (1884–1956), 1926–38 Chefred. d. Tagesztg. „Die Stunde“ u. d. Theatermag. „Die Bühne“, 1938–45 Leiter d. Compass Verlags (s. Kosch, Biogr. Staatshdb.).

  • Biographie

    W. erhielt eine von zahlreichen Schulwechseln geprägte Ausbildung und besuchte seit dem Schuljahr 1814/15 das Egidiengymnasium in Nürnberg, das in jener Zeit von Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770–1831) geleitet wurde. Seit 1816 studierte er Rechtswissenschaften an der Univ. Erlangen, war Mitglied der Landsmannschaft Franconia, beteiligte sich 1817 an der Gründung der Allgemeinen Burschenschaft und engagierte sich dann erneut in der Landsmannschaft. Nach 2 ½ Jahren verließ er die Universität, so daß er die Voraussetzungen für eine Anstellung im höheren Staatsdienst nicht erfüllte. Praktische juristische Erfahrungen sammelte W. seit 1819 beim Schönburg. Patrimonialgericht I. Klasse in Schwarzenbach/Saale und bei den Landgerichten in Teuschnitz und Hof. Über W.s genaue Aufgaben dort ist wenig bekannt; nach eigener Aussage war er als „Praktikant“ zumindest in Schwarzenbach für die streitige Gerichtsbarkeit zuständig.

    Eine angestrebte wissenschaftliche Karriere scheiterte am fehlenden Abschluß einer Promotion an der Univ. Halle/Saale.

    Seit 1821 lebte W. in Breslau und verfaßte ein „Handbuch der Strafrechtswissenschaft und Strafgesetzgebung“ (1823), weitere juristische Werke und in den späteren 1820er Jahren ökonomische und wirtschaftspolitische Schriften.

    Zudem arbeitete er 1823–30 in der Kanzlei des Bayreuther Rechtsanwalts Georg Friedrich Keim (1783–1868). Im Jan. 1831 publizierte er die erste Nummer seiner Zeitschrift „Kosmopolit“, die er als auf Bayern ausgerichtete Reformschrift verstand. Die von W. kolportierte Behauptung, die Zeitung habe nach sieben Ausgaben mit nur sieben Abonnenten das Erscheinen einstellen müssen, sei also aufgrund mangelnder Nachfrage aufgegeben worden, ist nicht zutreffend. Nach zeitgenössischen Quellen war die Abonnentenzahl vermutlich deutlich höher. Tatsächlich waren die Zensurbehörden auf das Blatt aufmerksam geworden; man setzte alles daran, den weiteren Druck der Zeitschrift unmöglich zu machen. W. reiste nach München, um über den Landtag zu berichten, und erhielt hier eine Anstellung als Redakteur der im Verlag von Johann Friedrich Frhr. v. Cotta (1764–1832) erscheinenden Zeitung „Inland“.

    Dort verfolgte W. einen konsequent konstitutionellen Kurs und übte scharfe Kritik an der bayer. Zensurordonnanz von 1831, was dazu führte, daß das Blatt die Unterstützung der Regierung verlor und die Zensur verschärft wurde. Daraufhin publizierte W. gestrichene Beiträge in einer zensurfreien Broschüre und machte auch in Flugblättern zensierte Artikel einer breiteren Öffentlichkeit bekannt.

    Unmittelbar nach der Einstellung des „Inland“ Anfang Juli 1831 veröffentlichten W. als verantwortlicher Redakteur, Georg Fein (1803–1869) als Mitarbeiter und Friedrich Sonntag (1790–1870) als Verleger die erste Nummer der „Deutschen Tribüne“ als „unabhängiges Journal für die constitutionellen Interessen“. Zusätzlich erschien unter W.s Federführung seit Juli 1831 das „Oppositionsblatt für Baiern“ und von August bis Dezember das „Liberale Deutschland“. 1831/32 verfaßte W. zudem mehrere Flugschriften, in denen er Pressefreiheit und eine konstitutionelle Staatsverfassung forderte. Von Zensur, Beschlagnahmungen, Geld- und kürzeren Haftstrafen betroffen, verlegte W. 1832 den Sitz der nun als Aktiengesellschaft geführten „Deutschen Tribüne“ nach Homburg in den bayer. Rheinkreis, wo er trotz größerer allgemeiner Freiheitsrechte weiterhin behördlich verfolgt wurde. Nachdem Sonntag und Fein aus Bayern ausgewiesen worden waren, wurde die „Deutsche Tribüne“ im März 1832 eingestellt.

    W., der sich in einem „Aufruf an die Volksfreunde in Deutschland“ für einen konföderativ organisierten Nationalstaat und Volkssouveränität eingesetzt hatte, gehörte am 27.5.1832 zu den Hauptrednern des „Hambacher Fests“ und wurde gemeinsam mit einem Redaktionsausschuß mit der Herstellung der offiziellen Festbeschreibung beauftragt. Im Zuge der restriktiven Maßnahmen, mit denen der Dt. Bund und die Einzelstaaten auf die Veranstaltung reagierten, wurde W. im Juni 1832 verhaftet und der Aufforderung zum Umsturz der Staatsregierung bezichtigt. Obwohl ein Geschworenengericht W. 1833 freisprach, blieb er in Haft und wurde wegen Beamtenbeleidigung vor das Zuchtpolizeigericht Zweibrücken gebracht. Hier zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt, verbüßte W. seine Haft seit April 1834 im Zentralgefängnis in Kaiserslautern, wo er seine „Fragmente zur Culturgeschichte“ (2 T., 1835/36) und astronomische Schriften verfaßte. Nachdem W. 1836 eine bereits seit längerem verhängte sechswöchige Festungshaft in der Veste Oberhaus b. Passau verbüßt hatte, wurde er in Hof unter Polizeiaufsicht gestellt. Im Dez. 1836 gelang ihm die Flucht nach Weißenburg (Elsaß). Kurz darauf übersiedelte W. nach Nancy, später nach Straßburg. Hier arbeitete er 1838/39 verdeckt für die in Heidelberg erscheinende „Braga, Vaterländische Blätter für Kunst und Wissenschaft“, bevor er 1839 nach Emmishofen (Schweiz) umsiedelte und bis 1841 in der Redaktion der „Deutschen Volkshalle“ einen antifranz., dt.nationalen Kurs propagierte. Nachdem die Zeitschrift u. a. wegen andauernder Zensurmaßnahmen und Beschlagnahmungen Ende März 1841 eingestellt wurde, arbeitete W. für deren Nachfolgerin, das rasch wieder aufgegebene „Deutsche Volksblatt“.

    Aufgrund seiner finanziellen Schwierigkeiten wurden W.s Liegenschaften 1847 öffentlich versteigert. W. kehrte nach Deutschland zurück und ließ sich in Karlsruhe nieder. Er überarbeitete seine „Geschichte der Deutschen“ (4 Bde., 1842–45, ²1846, Nachdr. 2013) und begann die Niederschrift der „Geschichte der deutschen Staaten von der Auflösung des Reiches bis auf unsere Tage“ (4 Bde., 1846/47), in der er sich u. a. für eine Art Föderativsystem weitgehend selbständiger Länder mit einem dt. Kaiser an der Spitze aussprach. Waren die hierin formulierten Ziele weniger radikal als die von ihm in den 1830er Jahren vertretenen, so führte die Revolution zu einem erneuten Wandel. Ende März 1848 publizierte W. eine Broschüre, in der er die Republik als einzige noch denkbare Staatsform bezeichnete. Als Kandidat für Reuß-Schleiz-Lobenstein in die Paulskirche gewählt, konnte er sich hier vor seinem frühen Tod nicht mehr profilieren.

    W. wird als Verfechter der Republik zur Paulskirchenlinken gerechnet, wenngleich er sich von deren radikalsten Vertretern, Friedrich Hecker (1811–1881) und Gustav Struve (1805–1870), distanzierte und Gewalt ausdrücklich ablehnte. Seine Grabrede hielt Robert Blum (1807–1848).

  • Auszeichnungen

    |Gedenktafel am Geburtshaus, Hof;
    Skulptur „Tribüne II“ v. A. Theurer, 1998, seit 2012 in veränderter Form vor d. Freiheitshalle, Hof;
    J.-G.-A.-W.-Preis f. Verdienste um d. Aus- u. Weiterbildung d. publizist. Nachwuchses d. Ak. f. Neue Medien in Kulmbach (seit 2009);
    J.-G.-A.-W.-Realschule, Hof;
    W.-Strr., Hof, Bayreuth, Neustadt an d. Weinstraße u. Haßloch.

  • Werke

    |Das Nat.fest der Deutschen zu Hambach, Unter Mitwirkung e. Red.-Ausschusses beschrieben v. J. G. A. W., 2 Hh., 1832, Nachdrr. 1977, 1981;
    Die Rechte d. dt. Volkes, Eine Verteidigungsrede vor d. Assisen zu Landau, 1833, Nachdr. mit e. Einf. v. M. Krausnick 1998;
    Denkwürdigkeiten aus meinem Leben, 1844;
    Walderode, e. hist. Novelle aus d. neueren Zeit, 1845;
    H. Schröter (Hg.), Aus Haft u. Exil, J. G. A. W., Briefe e. Publ. u. Vormärzpol. aus d. J. 1833 bis 1837, 1985;
    Dt. Tribüne 1831–1832, 2 Bde., hg. v. W. Siemann u. Ch. Müller-Wirth, 2004–07;
    Bibliogr.: Hüls, 2004 (s. L), S. 567 f.

  • Literatur

    |ADB 43;
    Anklage-Act gegen Dr. W., Dr. Siebenpfeiffer, Hochdörfer, Scharpff, Becker, Dr. Grosse, Dr. Pistor, Rost u. Baumann (…), 1833;
    O. H. Müller, J. G. A. W. u. d. Entwicklung d. radikalen Liberalismus v. 1830–1848, Diss. Frankfurt/M. 1925;
    E. Dietlein, Dr. J. G. A. W., Ein Vorkämpfer f. e. einiges dt. Reich, in: ders., Hof, Die Geb.stadt gr. Männer, 1936, S. 7–71;
    K. Baumann (Hg.), Das Hambacher Fest, 27. Mai 1832, Männer u. Ideen, ²1982 (P);
    W. Rothley u. M. Geis (Hg.), Schon pflanzen sie frech d. Freiheitsbäume, 150 J. Hambacher Fest, 1982;
    J. Degel, J. G. A. W., Ein Oppositioneller z. Zt. d. Hambacher Festes, Mag.arb. masch. Erlangen-Nürnberg 1986;
    M. Krausnick, J. G. A. W., Vorkämpfer f. Einheit, Recht u. Freiheit, 1997 (P);
    E. Droß [= E. Hüls], in: Demokrat. Wege, 1997, S. 678 f. (P);
    dies., „Die Rev. wird ihren Gang weiter gehen“, J. G. A. W. u. d. J. 1848, in: Jb. d. Hambach Ges. 7, 1998/99, S. 73–95 (P);
    dies., J. G. A. W. (1798–1848), Ein pol. Leben im Vormärz, 2004 (W, L, P);
    H. Bothien (Hg.), Die Exilantendruckerei Belle-Vue b. Konstanz, 1840–1848, 1998 (P);
    A. Hermann u. A. Kluge (Hg.), J. G. A. W. (1798–1848), Ein Revolutionär aus Hof, Seine Person, seine Zeit, seine Wirkungen, 1999 (P);
    A. Schlechter (Hg.), Kämpfer f. Freiheit u. Demokratie, J. G. A. W., 2010;
    W. Kreutz, in: N. O. Eke (Hg.), Vormärz-Hdb., 2020, S. 982–87;
    A. Herrmann, J. G. A. W., Ein pol. Leben zw. Restauration u. Rev., 2022 (P);
    Ll. Franken 5, 1936, S. 509–20;
    Biogr. Lex. Burschenschaft (P);
    Lex. Pfälzer (P);
    Erlanger Stadtlex.;
    Selbstzeugnisse Juristen;
    Biogr. Hdwb. Erwachsenenbildung;
    Killy²;
    Kosch, Lit.-Lex.³ (W, L);
    HLS.

  • Porträts

    |Ölgem. v. F. Hahn (Privatbes.);
    Lith. n. Zeichnung v. C. Hug, 1838, Abb. in: M. Treml, Bilderwelten um J. G. A. W., Ein Btr. z. Bildlichkeit u. Metaphorik d. dt. Einheits- u. Freiheitsbewegung, in: Hermann u. Kluge, 1999 (s. L), S. 19–42.

  • Autor/in

    Elisabeth Hüls
  • Zitierweise

    Hüls, Elisabeth, "Wirth, Johann Georg August" in: Neue Deutsche Biographie 28 (2024), S. 285-287 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118835777.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Wirth, Johann Georg August

  • Biographie

    Wirth: Johann Georg August W., Politiker und Schriftsteller, wurde am 20. November 1798 als zweiter Sohn des Reichspoststallmeisters W. zu Hof in Baiern geboren. Schon am 3. December 1803 starb der Vater; doch sorgte die Mutter, eine Tochter des Pfarrers Gelbricht in Theuma im Voigtlande, mit größter Gewissenhaftigkeit für eine gute Ausbildung der hinterlassenen vier Kinder. Seit seinem vierten Jahre besuchte der Knabe die Bürgerschule und vom achten an das Gymnasium seiner Vaterstadt, dann, als dieses 1811 aufgehoben wurde, nacheinander die zu Baireuth, zu Plauen und zu Nürnberg, dessen Vorstand damals Hegel war. Im Herbst 1816 bezog W. sodann die Universität Erlangen, um hier die Rechte zu studiren, und trat nach vollendetem Studium 1819 bei dem fürstlich Schönburgischen Patrimonialgericht Schwarzenbach a. d. Saale als Praktikant ein. Nachdem er noch an einigen anderen Aemtern prakticirt hatte, ging W. 1820 nach Hof zurück, vertiefte sich wieder in das Quellenstudium des römischen Rechts und promovirte in Halle. 1821 vermählte er sich mit einer Schwester seines früheren Gerichtsvorstandes, des Amtmanns Werner in Schwarzenbach, zog nach Breslau, um sich hier zu habilitiren, verließ aber die Stadt bald wieder und lebte nun bis 1823 allein von seinen schriftstellerischen Arbeiten, wandte sich dann aber wieder der Praxis zu und wurde Mitarbeiter des Sachwalters Keim in Baireuth. Je mehr er aber bei seiner Thätigkeit als Anwalt des Volkes in die Grundsätze der Verwaltung und den Geist der Rechtspflege eindrang, desto mehr sah er sich auch in seinen Erwartungen getäuscht; denn nach seiner Ansicht vom Staate sollten die obersten Leiter derselben nur nach der Wohlfahrt des ganzen Volkes streben; statt dessen trat ihm aber überall vornehmlich „ein System der Fiscalität“ entgegen, das zu unendlichen Klagen der Rechtsuchenden führte. Da er meinte, er brauche nur die Regierung auf diese Zustände hinzuweisen, um dem Elend abzuhelfen, so|schilderte er in einer Schrift „Beiträge zur Revision der bürgerlichen Proceßgesetzgebung“ (1826) die Lage der Dinge in ihrem wahren Lichte. Die Ergebnißlosigkeit, ja Verhöhnung seiner edlen Absicht, setzte die erste Bitterkeit in ihm an und führte ihn dazu, sich näher mit der Geschichte und den Gesetzen des Bildungsganges des Volkes vertraut zu machen. Die Beschäftigung mit diesen Dingen und das Vertiefen in die sich immer weiter verbreitenden liberalen Ideen, drängten W. Ende des Jahres 1830 zum Aufgeben seiner Stellung bei Keim und zu dem Entschlusse, sich gänzlich dem Dienste der Volksfache zu widmen. Er gründete selbst eine Zeitschrift zur Verbreitung seiner freiheitlichen Gedanken, den „Kosmopolit“, der vom 1. Januar 1831 an wöchentlich zweimal in Baireuth erschien, es aber nur „auf sieben Abonnenten und auf sieben Nummern“ brachte; das letztere, weil W. sich der Verordnung vom 28. Januar 1831 nicht fügen wollte, wonach Zeitschriften auch in Ansehung der innern Staatsangelegenheiten der Censur unterworfen wurden.

    Ende Februar zog W. nun nach München, um sich hier womöglich eine öffentliche Wirksamkeit zu verschaffen. Nach vergeblichen Bemühungen wieder selbst ein Blatt zu gründen, erhielt er von Cotta den Auftrag, die oberste Leitung der Zeitschrift „Das Inland“ zu übernehmen. Anfangs gemäßigt liberal, gerieth er bald in heftigste Opposition zur Regierung, deren halbofficielles Organ „Das Inland“ war, und wurde in mehrfache Zwistigkeiten mit der Censur verwickelt, so daß die Zeitschrift nach kurzem ihr Erscheinen einstellen mußte. Noch kräftiger aber trat W. in der „Deutschen Tribüne“ auf, die er seit 1. Juli 1831 in München herausgab, sowie in der Zeitschrift „Das liberale Deutschland“, die vom August bis December ebenda unter seiner Leitung erschien. Er wurde daher neuerdings von der Censur beschränkt und siedelte deshalb Anfang 1832 mit der „Deutschen Tribüne“ nach Homburg (Pfalz) über, wo das Blatt jedoch bereits im März desselben Jahres vom Bundestage verboten wurde, weil darin mit großem Nachdruck Nationaleinheit gefordert und zur Förderung der nationalen Sache Gründung eines vaterländischen Vereins für den Schutz der freien Erörterung durch die Presse gegenüber den Gewaltthätigkeiten der Regierungen empfohlen worden war. Es wurde auch ein Proceß gegen W. als Verfasser und Verbreiter dieses Aufsatzes angestrengt und ein Verhaftsbefehl wider ihn erlassen, nach vier Wochen aber die Haft wieder aufgehoben und vom Appellationsgericht zu Zweibrücken die Grundlosigkeit des Verfahrens anerkannt. Als dann die Ideen dieses Vereins von den Freunden der Sache in einer großen Volksversammlung zu Hambach weiter verbreitet werden sollten, nahm auch W. an dem „Nationalfest der Deutschen“ daselbst theil; er hielt eine von begeisterter Freiheits- und Vaterlandsliebe durchdrungene Rede, in der er auch die Zerfahrenheit der Opposition kritisirte und aus Zweckmäßigkeitsgründen vor einem Bunde mit den herrschenden Parteien Frankreichs warnte, deren Hülfe nur um den Preis des linken Rheinufers zu erlangen sein würde, aber unter solchen Umstünden zu verwerfen sei, weil daraus nur ein neuer Zustand wie zu Zeiten des Rheinbundes und eine weitere Zerstückelung Deutschlands hervorgehen würde (vgl. hierüber seine Schrift „Das Nationalfest der Deutschen zu Hambach' [Neustadt a. H. 1832]). Infolge dieses Auftretens wurde W. im Juni 1832 verhaftet und nach Zweibrücken gebracht. 1833 von dem Schwurgerichte zu Landau von der Anklage auf Hochverrath zwar freigesprochen, aber vom Zuchtpolizeigericht wegen Beleidigung in- und ausländischer Behörden im November zu zweijähriger Haft verurtheilt und im April 1834 in das Gefängniß zu Kaiserslautern gebracht, von wo er im December 1835 nach Passau in mildere Haft kam. Später erlaubte man ihm, unter polizeilicher Aufsicht in Hof zu leben. Am 30. December 1836 floh W. von hier, zuerst nach Weißenburg, dann nach Nancy; 1838 siedelte er nach Straßburg über und gab mit mehreren Freunden die Zeitschrift für Wissenschaft und|Kunst „Braga“ (in Heidelberg erscheinend) heraus. Im Herbst 1839 übernahm er die Redaction der von Vanotti in Constanz gegründeten Zeitschrift „Der Leuchtthurm“, die nun den Namen „Die deutsche Volkshalle“ erhielt, aber Ostern 1841 wieder einging. Als Thiers mit den Führern der Demokraten wegen einer Verbündung für den Fall eines Krieges Frankreichs gegen die Mächte unterhandeln wollte, forderte W. von Thiers einen Revers, daß Frankreich bei einer solchen Erhebung auf jeden Anspruch auf deutsches Territorium verzichte. Darauf wollte Thiers nicht eingehen; nun machte W. auf Frankreichs Absichten aufmerksam und begann eine heftige Opposition gegen den „National“ und den „Niederrheinischen Kurier“. Nachdem W. infolge eines Processes alle seine Habseligkeiten verloren hatte (1844). war er wie umgewandelt, wie auch seine „Geschichte der Deutschen“ (4 Bde. Stuttgart 1842—45; 2. Aufl. 1846—47) zeigt, in der sein früherer radicaler Standpunkt wenig hervortritt; immerhin ist das Werk ein sehr nützliches und brauchbares; es bietet nicht nur einfache Erzählung, sondern wirkliche Belehrung durch klare Schilderung der Zustünde wie der Entwicklung des Neuen aus dem Vorhergehenden. Der Kauf eines Bauerngutes brachte ihm in den folgenden Jahren vielfache Sorge und materielle Noth, bis das Gut endlich gerichtlich verkauft wurde und W. 1847 völlig mittellos nach Deutschland zurückkehrte. Er ließ sich in Karlsruhe nieder und begann hier die Herausgabe des „Deutschen Nationalblattes“ in constitutionell-monarchischer Richtung, sowie eine Fortsetzung seiner deutschen Geschichte unter dem Titel „Die Geschichte der deutschen Staaten von der Auslösung des Reiches bis auf unsere Tage“ (Karlsruhe 1847 fg.), die nach Wirth's Tode Wilhelm Zimmermann weiterführte. Damals schlug er einen Vergleich zwischen Fürsten und Volk vor (Kaiser nebst Staaten- und Volkshaus), was ihm viele Anfeindungen zuzog. 1848 aber wurde er plötzlich wieder ganz der alte. Bei den Wahlen zur deutschen Nationalversammlung bemühte er sich um ein Mandat und wurde für Reuß-Schleiz-Lobenstein zum Abgeordneten gewählt, starb aber bereits am 26. Juli 1848 in Frankfurt.

  • Werke

    Von Schriften Wirth's sind noch anzuführen: „Handbuch der Strafrechts-Wissenschaft und Strafgesetzgebung“ (Breslau 1823), „Die politische Reform Deutschlands“ (Straßb. 1832), „Die Rechte des deutschen Volkes. Eine Vertheidigungsrede vor den Assisen zu Landau“ (ebd. 1838), „Die politisch-reformatorische Richtung der Deutschen im 16. und 19. Jahrh.“ (Bellevue i. Thurgau 1841), ein Werk, das er selbst als den Inbegriff aller seiner bisher gedruckten Schriften bezeichnet. Es enthält eine kritische Betrachtung des Staats- und Verfassungsrechts der Deutschen in seiner Entwicklung, sowie besonders eine Vergleichung der staatsrechtlichen, socialen und politischen Zustände, die zu der reformatorischen Bewegung im 16. und 19. Jahrhundert hindrängten. Als hauptsächlichste Ursache dieser unerquicklichen Zustände sieht W. in beiden Zeitaltern die Vernichtung der Reichsgewalt oder der Nationaleinheit an, deren Wiederherstellung das erste Hauptwerk jener Bewegungen sein sollte; er fordert deshalb auch einmüthiges Zusammenstehen des Volkes zum Kampfe gegen dessen Bedrücker und gegen die Anmaßungen Frankreichs dem zerstückelten Deutschland gegenüber. — 1844 veröffentliche W. sodann „Denkwürdigkeiten aus meinem Leben“ (bis zu seiner Uebersiedelung nach München im J. 1831 reichend), und nach seinem Tode erschien 1849 noch „Ein Wort an die deutsche Nation. Mit Randglossen von (seinem Sohne) M. Wirth“.

  • Literatur

    Nach einem mir von Herrn Director Max Wirth gütigst zur Verfügung gestellten Manuscript desselben. —
    Vgl. auch Neuer Nekrolog der Deutschen (für 1849).

  • Autor/in

    Max Mendheim.
  • Zitierweise

    Mendheim, Max, "Wirth, Johann Georg August" in: Allgemeine Deutsche Biographie 43 (1898), S. 531-533 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118835777.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA