Lebensdaten
1821 – 1891
Geburtsort
Prag
Sterbeort
Schloß Zinneberg bei Glonn (Oberbayern)
Beruf/Funktion
Gynäkologe
Konfession
katholisch?
Normdaten
GND: 11708803X | OGND | VIAF: 10613951
Namensvarianten
  • Scanzoni, Friedrich von
  • Scanzoni von Lichtenfels, Friedrich Wilhelm Johann Ignaz
  • Scanzoni von Lichtenfels, Friedrich
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Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Scanzoni von Lichtenfels, Friedrich, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd11708803X.html [19.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus seit d. 17. Jh. mit Pietro Giacomo S. (1666–1747), Kaufm. in Riva/Gaxdasee, nachweisbarer Fam., die z. T. in Südtirol ansässig wurde;
    V N. N., Salinen- bzw. Eisenbahnbeamter;
    M N. N. Peithner (Beutner, Peuthner) v. Lichtenfels, T e. Arztes in Prag;
    Tante-m Josefine Peithner v. Lichtenfels (1810–93, österr. Adel 1868, Adalbert Lanna, 1805–66, Industr. in Budweis, Präs. d. Handels- u. Gewerbekammer ebd., s. NDB 13);
    Budweis 1850 Auguste (1826–91), aus Budweis, T d. Franz Rr. v. Höniger, HR in Prag, u. d. Anna Eckl;
    7 K (2 früh †) u. a. Albert (1855–1914. 1] Charlotte Freiin v. Crailsheim, 1861–91, 2] Emilie Schemfil verw. v. Sebastiani, 1844–1917), auf Zinneberg, das er 1898 verkaufte, Gustav (1855–1924, Emilie Lederer, 1858–1929), bayer. Gen. d. Art., Anna (1860–1938, Ludwig Frhr. v. Berchem, 1849–1915, Gutsbes. zu Schalkhausen), Friedrich (1864–1919), Dr. med., Chirurg, Oberstabsarzt d. Res., bayer. HR, Karl (1869–1918), Dr. med., Frauenarzt, bis 1901 Leiter d. Kinderklinik München-Schwabing;
    E Albert (1885–1960, Editha, E d. Leo Gans, 1843–1935, Dr. phil., Chemiker. Industr., Mitgl. d. Aufsichtsrats d. IG Farben, Dr. med. h. c., Dr. rer. nat. h. c., GKR, s. NDB VI), Maler, Schriftst., Gustav (1885–1977), Dr. iur., RA (s. Rhdb.; Klimesch), Heinrich (1886–1914 Flugzeugabsturz), Hptm. d. Fliegertruppe.

  • Biographie

    S. besuchte im südböhm. Budweis das Gymnasium und studierte 1839-44 Medizin an der Prager Karlsuniversität, u. a. bei Anton Johann v. Jungmann (1775–1854), bei dem er mit der Dissertation „De scorbuto“ promoviert wurde. Nach zwei Jahren als Praktikant am Prager Allgemeinen Krankenhaus (v. a. an d. Gebäranstalt) erhielt er hier eine Assistentenstelle und begann gleichzeitig seine Tätigkeit als Sekundararzt an der „Geheimen Gebärhausabteilung“. Seit 1848 lehrte er zudem als Dozent für Gynäkologie und übernahm die Schriftleitung der angesehenen „Prager Vierteljahrsschrift für die practische Heilkunde“. Bereits mit 27 Jahren galt S. als überragende medizinische Kapazität, der erste Band seines „Lehrbuchs der Geburtshilfe“ (3 Bde., 1849–52, ³1855, 4. umgearbeitete Aufl. 1867) wurde sehr positiv aufgenommen. 1848 trat er die Nachfolge Franz Kiwischs v. Rotterau (1814–51) als ordinierender Arzt für Frauenheilkunde an der Karlsuniversität an, folgte jedoch schon 1850 einem Ruf auf den Würzburger Lehrstuhl für Geburtshilfe, wo er trotz teilweise glänzender Angebote anderer Universitäten bis zu seiner Emeritierung 1887 verblieb (Dekan 1864/65, 1869/70, 1875/76, 1885/86, Rektor 1865/66, 1874/75). S.s Unzufriedenheit mit den teilweise mangelhaften klinischen Einrichtungen in Würzburg führten zu Konflikten mit der Kultusbehörde und der Universität, die 1879 durch Eingreifen des Innenministeriums behoben werden mußten. Immerhin konnte 1857 die neu errichtete „Kreisentbindungsanstalt“ bezogen werden.

    Neben der Entbindungsanstalt und der gynäkologischen Abteilung des Würzburger Julius-Spitals unterhielt S. eine ausgedehnte Privatpraxis, die sich zu einem bedeutenden städtischen Wirtschaftsfaktor entwickelte. Zu seinen hochadeligen Patientinnen zählte u. a. die russ. Zarin Maria Alexandrowna, deren Schwangerschaft und Niederkunft S. in St. Petersburg betreute, was ihn zu einem der gesuchtesten Geburtshelfer Europas machte. S.s Vorlesungen und Vorträge ebenso wie seine Fachprosa bewiesen hohe literarische Qualitäten. Seine Lehrbücher prägten die internationale Frauenheilkunde und trugen zur Verbreitung des Deutschen als Wissenschaftssprache bei. Ein wesentliches Verdienst S.s ist die Differenzierung der „Metritis“ in entzündliche und nicht-entzündliche Gebärmuttererkrankungen. Seine Beobachtungen zu weiblichen Gemütsleiden und körperlichen Manifestationen weisen ihn als frühen Vertreter einer psychosomatisch orientierten Medizin aus. In der Geburtshilfe trägt eine Zangenoperation zur Entwicklung bei Hinterhauptslage seinen Namen (S.sche Zange). Obwohl er die gynäkologischen wie obstetrischen Eingriffe sämtlich beherrschte und selber langwierige Operationen vornahm, ließ er operative Maßnahmen nur bei enger Indikationsstellung zu, was ihm schon zu Lebzeiten Kritik eintrug. Seine Ablehnung des von Ignaz Semmelweis (1818–65) entwickelten Hygienekonzepts zur Bekämpfung des Kindbettfiebers schadete S. jedoch erst bei Medizinhistorikern des 20. Jh.; seinerzeitige Angriffe von Semmelweis, der S. sogar als „medicinischen Nero“ beschimpfte, vermochten S.s Ansehen bei seinen Zeitgenossen nicht zu mindern.|

  • Auszeichnungen

    Zahlr. Orden u. Ehrungen, u. a. Rr. d. schwed. Nordstern-Ordens (1862);
    korr. Mitgl. d. Med.-chirurg. Ges. London;
    HR (1855);
    GR (1858);
    Ehrenbürger v. Würzburg (1858) u. Franzensbad (1864);
    Ehrenmitgl. d. Chirurg. Ges. Paris, d. Gynäkolog. Ges. Boston, d. Doctoren-Collegiums d. Med. Fak. d. Univ. Wien, d. Realo Circuilo del Progresso per le Scienze di Napoli;
    Zivilverdienstorden d. bayer. Krone (1867).

  • Werke

    Analekten über Gynäkol. u. Geburtshilfe, 1848-50;
    Über Kindbettfieber, in: Prager Vj.schr. f. pract. Heilkunde 7, 1850, S. 25-33;
    Die geburtshilfl. Operationen, 1852;
    Die Krankheiten d. weibl. Brüste u. Harnwerkzeuge sowie d. d. Weibe eigenthüml. Nerven- u. Geisteskrankheiten, 1855;
    Die chron. Metritis, 1863;
    Lehrb. d. Krankheiten d. weibl. Sexualorgane, 1849–52, ⁵1867;
    198 Fälle v. Beckenenge, 1882;
    Hg.:
    Btrr. z. Geburtskunde u. Gynäkol., 7 Bde., 1853-73.

  • Literatur

    ADB 53;
    Ch. Hartmann, Das Leben u. Wirken d. Würzburger Frauenarztes F. W. S. v. L., Diss. Düsseldorf 1938;
    B. Müller, Franz Kiwisch v. Rotterau, Diss. Würzburg 1980;
    R. Vollmuth u. T. Sauer, in: Würzburger med.hist. Mitt. 10, 1992, S. 53-80;
    dies., Das Grabmal F. W. S.s v. L., Anm. zu e. ungelösten Frage, ebd. 13, 1995, S. 521-24;
    A. Mettenleiter, Med.gesch., 2001 [recte 2003], S. 594-607;
    H. Enders, S. in Würzburg, 2004 (P);
    Wurzbach;
    Pagel (P).

  • Porträts

    Holzschnitt nach Zeichnung v. C. Kolb, in: Allg. Fam.ztg. 1872. Nr. 43.

  • Autor/in

    Gundolf Keil
  • Zitierweise

    Keil, Gundolf, "Scanzoni von Lichtenfels, Friedrich" in: Neue Deutsche Biographie 22 (2005), S. 483-484 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11708803X.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Scanzoni: Friedrich Wilhelm S. von Lichtenfels wurde am 21. December 1821 als Sohn eines Eisenbahnbeamten, der vom Gardasee stammte, in Prag geboren. Seine Mutter war die Tochter eines der gesuchtesten Aerzte in Prag, des Dr. Beutner von Lichtenfels. Nachdem S. die Mittelschulen in Budweis durchgemacht hatte, bezog er 1838 die Universität in Prag, promovirte 1844 daselbst, machte dann eine wissenschaftliche Reise ins Ausland und wurde nach seiner Rückkehr Arzt an der gynäkologischen Abtheilung des Prager allgemeinen Krankenhauses und an der geburtshülflichen Klinik.

    Als Kiwisch nach d'Outreponts Tode 1845 nach Würzburg berufen worden, wurde S. sein Nachfolger in der Direction jener vorhin genannten Abtheilung des Krankenhauses und nachdem Jungmann, der berühmte Historiograph der Prager medicinischen Facultät in den Ruhestand getreten und Kiwisch an seine Stelle nach Prag gekommen war, erhielt S. am 3. October 1850 die Berufung als ordentlicher Professor der Gynäkologie nach Würzburg.

    Hier wurde seine Thätigkeit als consultirender Arzt sehr bald eine ungemein ausgedehnte und in kürzester Zeit hatte er sich als solcher der größten allseitigen Anerkennung zu erfreuen. Im J. 1857 wurde er zum ersten Mal|an den russischen Hof berufen zur Berathung der Kaiserin. Am 21. December 1858 wurde er zum Ehrenbürger der Stadt Würzburg ernannt. 1861 ging er zum zweiten Male nach Petersburg. Am Ende der fünfziger Jahre erhielt er eine Berufung nach Berlin und nach Wien, beide lehnte er ab. Nachdem er bereits durch viele in- und ausländische Orden decorirt worden, verlieh ihm 1863 König Max den erblichen Adel mit dem Zunamen von Lichtenfels. In demselben Jahre erhielt er noch eine Berufung nach Baden-Baden; da er dieselbe jedoch ebenfalls ablehnte, so sprachen ihm die bairischen Majestäten brieflich ihren besonderen Dank aus. Am 19. Februar 1864 wurde S. Ehrenbürger von Franzensbad, nachdem ihn bereits die ärztlichen Gesellschaften in Erlangen, Hanau, München und Paris zu ihrem correspondirenden Mitgliede und der Verein deutscher Aerzte in Paris, die Gesellschaft für Natur- und Heilkunde in Dresden und viele andere zu ihrem Ehrenmitglieds ernannt hatten.

    Neben seiner sehr verbreiteten Thätigkeit als Frauenarzt entwickelte S. auch eine sehr intensive litterarische. So begann er schon in Prag sein großes Lehrbuch der Geburtshülfe, welches von 1849—52 erschien, in 2. Auflage 1853, in 4. 1867. Dasselbe zeichnet sich nicht bloß durch große Litteraturkenntniß und klare Darstellung, sondern auch durch eingehende Verwerthung aller neueren Forschungen der Physiologie, Chemie, Mikroscopie und pathologischen Anatomie aus. Wie S. wiederholt Kiwisch in seinen Stellungen folgte, so hat er ihm auch in seinen wissenschaftlichen Werken als Nachfolger gedient, d. h. namentlich zu den unvollendet gebliebenen Vorträgen von Kiwisch über specielle Pathologie und Therapie der Krankheiten des weiblichen Geschlechts den dritten Schlußband geliefert. Von seinen weiteren Werken nennen wir: „die geburtshülflichen Operationen“ (1852), „das Lehrbuch der Krankheiten der weiblichen Sexualorgane“, Wien 1857, dessen 5. Auflage Wien 1875 erschien; „die chronische Metritis“, Wien 1867 und die „Beiträge zur Geburtskunde und Gynaekologie“. Die letzten Aufsätze in jenen Beiträgen besprechen die Lehre von Marion Sims von den Ursachen und Behandlungen der Sterilität im J. 1873. Unter den Schülern von S., welche an diesen Beiträgen mit gearbeitet haben, sind zu nennen: J. B. Schmidt, G. Langheinrich, Gregor Schmitt, O. v. Franqué, J. Schramm, Peter Müller, Peter Reuß, Maennel.

    Wenn nun auch unter den zahlreichen Arbeiten Scanzoni's keine eigentlich bahnbrechend gewesen ist, wenn er in seinen Lehrbüchern auf der von Kiwisch betretenen Bahn fortfuhr, wenn manche seiner Methoden, z. B. die für die künstliche Frühgeburt durch Reizung der Brustwarzen und die Kohlensäuredouche, wieder verlassen sind, so zeigt sich an manchen doch, welch ein exacter Beobachter S. war, indem er, um nur ein Beispiel herauszugreifen, schon im J. 1849 die häufige Veränderung der Kindeslage in der Gravidität constatirte und damit die alte Lehre von der Culbute wieder auffrischte, Beobachtungen, welche von Hecker erst im J. 1861 neu aufgenommen und bestätigt wurden. So hat ferner K. Schroeder Scanzoni's Verdienste um die Aetiologie der fibrinösen Polypen in das gebührende Licht gesetzt. Außerdem zeigt die große Zahl der Auflagen, welche seine Lehrbücher trotz ihres Umfanges erlebten, daß Scanzoni's Einfluß als Lehrer sehr bedeutend war.

    Um die Mitte der 60 er Jahre des vorigen Jahrhunderts stand S. auf der Höhe seines Ruhms und es ist sicher nicht zuviel gesagt, wenn man behauptet, daß er damals der gesuchteste und beliebteste Lehrer in der Gynäkologie, daß er der anerkannteste Consiliarius auf diesem Gebiete war, und daß er zu dem allgemeinen Aufschwung, den die Gynäkologie in jener Zeit nahm, sehr wesentlich beigetragen hat.

    Als nun unter der Aegide von Marion Sims und Gustav Simon die Gynäkologie immer mehr eine chirurgische Richtung einschlug, als Operationen auf Operationen folgten, deren Berechtigung von vielen Seiten bestritten wurde, da warnte S. vor der übertriebenen Operationslust und folgte nur ungern auf diesem Wege, selbst als die Lister’sche Methode die Gefahren derartiger Eingriffe wesentlich vermindert hatte. Seine letzte Publication befindet sich in der Festschrift, welche die medicinische Facultät der Universität Würzburg der Alma Julia Maximilianea zur dritten Säcularfeier 1882 widmete; sie bezieht sich auf seine Erfahrungen bei 198 Fällen von Beckenenge.

    Ein Meister der Rede, elegant und vornehm in seiner Ausdrucksweise, verbindlich auch gegen seine Gegner, persönlichen Kämpfen abhold, mehr zur Vermittlung geneigt, gehörte S. jederzeit zu den Aerzten, zu welchen der jüngere Fachgenosse mit Verehrung und Stolz aufblickte.

    In seinem Privatleben war er die Einfachheit selber; früher sehr gern gesellig, lebte er seit Anfang der 70 er Jahre fast nur noch im Schooße der Familie. Bis zum Jahre 1868 besuchte er im Sommer stets das Bad Brückenau, wo er seine Familie um sich vereinigte; seitdem aber brachte er die Ferienzeit stets auf seinem Gute Zinneberg, in der schönen Natur am Fuße der oberbairischen Alpenkette zu. Hier ist er auch, nachdem er 1888 seine Professur in Würzburg niedergelegt hatte, am 11. Juni 1891 einem längeren Siechthum erlegen. S. war über 40 Jahre verheirathet und hinterließ vier Söhne und zwei Töchter. Von ersteren ist der zweitjüngste Arzt geworden und ein sehr gesuchter Chirurg in München-Schwabing.

    S. war einer der beliebtesten Lehrer in seinem Fache, eine Leuchte der Wissenschaft und Tausenden und aber Tausenden von Kranken ein treuer und glücklicher Helfer und wird ein verehrungsvolles Andenken behalten bei Allen, die ihm im Leben je nahe getreten sind.

    • Literatur

      Pagel, Biographisches Lexikon, Berlin-Wien 1901, S. 1482. — Hirsch-Gurlt, Biograph. Lexikon 1888, Band VI, 994. —
      Gurlt, Nekrologe, Virchow's Archiv Bd. CXXVII, 528. — Winckel, Deutsche med. Wochenschrift 1891, Nr. 30.

  • Autor/in

    F. v. Winckel.
  • Zitierweise

    Winckel, Franz von, "Scanzoni von Lichtenfels, Friedrich" in: Allgemeine Deutsche Biographie 53 (1907), S. 724-726 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11708803X.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA