Lebensdaten
1894 – 1939
Geburtsort
Erfurt
Sterbeort
Kronstadt (Rumänien)
Beruf/Funktion
Mineralölindustrieller
Konfession
keine Angabe
Normdaten
GND: 127790810 | OGND | VIAF: 35488931
Namensvarianten
  • Kruspig, Walter
  • Kruspig, Walther

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Zitierweise

Kruspig, Walter, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd127790810.html [23.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Karl Hermann (1863–1929), Kaufm.;
    M Emma Pauline Sperlich ( 1934);
    Hamburg 1920 Helene (1900–50), T d. Alfred Blohm u. d. Margarethe Wittenberg;
    1 T.

  • Biographie

    K. war während des 1. Weltkriegs in kriegswirtschaftlichen Organisationen tätig. Bei Kriegsende trat er als Syndikus und Assistent von Direktor Otto Stern ( 1946) bei den Ölwerken Stern-Sonneborn AG (Ossag) in Hamburg ein. Die Mehrheit dieser auf Schmieröle spezialisierten Gesellschaft übernahm 1924 die Bataafsche Petroleum Maatschappij, holländ. Muttergesellschaft der Shell-Gruppe, vom bisherigen Großaktionär Jacques Sonneborn (* 1863). Um der Deutsch-Amerikan. Petroleum-Gesellschaft (DAPG) von Wilhelm v. Riedemann begegnen zu können, und aus organisatorischen Gründen, bereitete K. die Vereinigung der Ossag mit der Mineralölwerke Rhenania AG vor. Sie kam 1925 unter dem Namen „Rhenania-Ossag Mineralölwerke AG“ zustande. K. wurde 1927 in die Firmenleitung berufen, wo er für Verwaltung und Personalfragen verantwortlich war. Als erstes setzte er durch, daß die ehemalige Rhenania-Treibstoffmarke „Stellin“ in die internationale Markenbezeichnung „Shell“ umbenannt wurde. Dann wandte K. sich dem aufstrebenden Geschäftszweig Bitumen zu. Dieses Erdölerzeugnis verlangte zunehmend die Bauindustrie, vor allem der Straßenbau. Er bewog die Shell-Gruppe, 1927 den Bau einer Großraffinerie in Harburg zu beginnen, die die größte in Deutschland wurde und seit 1929 überwiegend venezolan. Erdöl zu Bitumen, Heizöl und Treibstoffen verarbeitete. Zur besseren Interessenvertretung gegenüber der Stein- und Teerindustrie regte K. 1930 eine Arbeitsgemeinschaft der Bitumen-Industrie aus sechs Mineralölfirmen an, in der er den Vorsitz führte. Als die IG Farbenindustrie 1925 in Rheinau eine Großanlage zur Kohleverflüssigung in Benzin fertigstellte, erwarb sie zu dessen Verkauf die Deutsche Gasolin AG, an der auch die amerikan. Standard Oil und die Shell-Gruppe beteiligt waren. Den Vertrag gestaltete K. so, daß die deutschen Vertriebsgesellschaften dieser beiden Konzerne, DAPG und Rhenania-Ossag, Überschußmengen von Hydrierbenzin bevorzugt vor Importbenzin verkaufen mußten.

    1930 wurde K. als Nachfolger von Heinrich Späth Generaldirektor der Rhenania-Ossag; als führender Kopf der deutschen Mineralölindustrie wurde er zum Vorsitzenden der Vereinigung der Betriebsstoffirmen gewählt. Zu dieser Zeit sah K. den Mangel an Inlandsraffinerien; er baute darum die Raffinerien und Ölfabriken der Rhenania-Ossag in Monheim b. Köln, Reisholz b. Düsseldorf, Freital (Sachsen), Harburg und Grasbrook b. Hamburg aus und erreichte 1932 mit 7 Betrieben die größte Raffinerie-Kapazität in Deutschland. Die Tanklager erweiterte er durch Neuanlagen im Hamburger Petroleumhafen, in Frankfurt/Main, Dresden und Berlin-Spandau; das Tankstellennetz erweiterte er 1924-39 auf 18 000 Zapfsäulen. Sinn für Künstlerisches bewies K. in seiner Zusammenarbeit mit den Düsseldorfer Architekten Emil Fahrenkamp und Rudolf Brüning, die die Shell-Häuser in Berlin (Tirpitzufer) und Hamburg (Alsterufer) errichteten, bis heute richtungweisende Bauten neuzeitlicher Architektur.

    K. hielt in seiner auf Deutschland zugeschnittenen Unternehmenspolitik das Schmierölgeschäft für einträglicher als das Benzingeschäft. Dank eifriger Forschungs- und Veredelungsarbeit stiegen die Schmierölexporte, mit denen er die Rohstoffimporte finanzierte. 1934 war seine Gesellschaft zum größten Schmierölhersteller und -exporteur Deutschlands geworden. K. bemühte sich, ohne Nationalsozialist zu sein, den wirtschaftlichen Notwendigkeiten des Deutschen Reiches gerecht zu werden. Diesem Zweck diente auch die Stärkung deutscher Erdöl- und Erdgasunternehmen, indem K. für die Rhenania-Ossag zusammen mit der DAPG Beteiligungen an der „Gesellschaft für Erdölinteressen mbH“ Hamburg (Gewerkschaft Brigitta, Hannover) und an der Gewerkschaft Deutsche Erdölraffinerie (Deurag) in Misburg b. Hannover erwarb, die die Gewerkschaft Elwerath und die Preussag als größte Crackanlage zur Verarbeitung deutschen Erdöls gebaut hatten. Dies war der Beginn des Einflusses ausländischer Konzerne auf die deutsche Erdölförderung.

    Da Deutschland das kohlenreichste Land Europas war, sah K. in der synthetischen Benzingewinnung eine besonders gute Möglichkeit zur Steigerung der Inlandsherstellung von Treibstoffen. 1938 gründete er gemeinsam mit der DAPG die Hydrierwerke Pölitz AG b. Stettin; sie waren 1940-45 mit einer Jahreserzeugung von 700 000 t das größte deutsche Steinkohlen-Hydrierwerk (IG-Verfahren). Wesentlich war K.s Wirken in der Mineralölbeschaffung, insbesondere aus Rumänien. Seine guten Beziehungen zur|dortigen Erdölindustrie, der damals fünftgrößten der Welt, setzte er bei ihrer größten Gesellschaft „Astra Romana SA“ (Shell-Tochter) ein, die 1930-40 sein Freund Otto Stern leitete. Kurz vor Kriegsbeginn drohte diese Verbindung wegen der Weigerung der Rumänen abzureißen, weiter den größten Teil ihres Öls an Deutschland zu liefern. Das Reichswirtschaftsministerium entsandte deshalb K. in den ersten Kriegstagen nach Bukarest, um eine größere Rohöllieferung zu vereinbaren, was ihm auch gelang. Auf der Rückfahrt verunglückte er tödlich mit dem Auto. 1939 erreichte die Rhenania-Ossag mit 11 000 Beschäftigten ihren bis dahin höchsten Personalstand. Sie wurde 1947 in „Deutsche Shell AG“ umbenannt.

  • Literatur

    G. Dülfer, Gesch. d. Rhenania-Ossag Mineralölwerke AG Düsseldorf, 1927;
    ders., In Memoriam W. K., 1939 (P);
    H. Flieger, Unter d. gelben Muschel, 1961 (P);
    Öl u. Kohle 15, 1939, Nr. 36, S. 684 (P);
    Kraftstoff 15, 1939, S. 32 (P);
    Motor 27, 1939, H. 10, S. 28 (P);
    Shell-Post 12, 1939, Okt., S. 11 (P);
    W. Birkenfeld, Leuna 1933, in: ZUG 8, 1963, H. 3, S. 97-111;
    Mitt. v. Horst v. Wunsch, Georg Dülfer u. Prof. Werner Peiner.

  • Autor/in

    Hans Christoph Graf von Seherr-Thoß
  • Zitierweise

    Seherr-Thoß, Hans Christoph Graf von, "Kruspig, Walter" in: Neue Deutsche Biographie 13 (1982), S. 153-154 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd127790810.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA