Lebensdaten
1857 – 1926
Geburtsort
München
Sterbeort
Berlin
Beruf/Funktion
Sozialhygieniker ; Vorkämpfer der Sozialhygiene
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 137734492 | OGND | VIAF: 81880524
Namensvarianten
  • Kohn, Albert
  • Cohn, Albert

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Zitierweise

Kohn, Albert, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd137734492.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Moritz (1801–77), aus Steppach b. Augsburg, Großhändler;
    M Emilie Kohn (1817–70) aus Augsburg;
    ⚭ Julie (1858–1929), T d. Kaufm. Nathan Rewald in B.;
    2 S (1 früh †), 2 T.

  • Biographie

    Seit früher Jugend Sozialist, brach K. mit seiner großbürgerlichen Familie, wurde nach dem Abitur Handlungsgehilfe und schloß sich der Gewerkschaftsbewegung dieser jungen Kaufleute an. Auch seine Frau war Sozialistin. Aus intellektueller und politischer Überzeugung trat er 1893 aus der jüdischen Gemeinde aus. Seine frühen Jahre waren durch materielle Not gezeichnet, verbunden mit anderen, durch die Sozialistengesetzgebung verursachten Schwierigkeiten. Er lebte in Hochheim bei Erfurt, Hagen (Westfalen) und seit 1883 in Krefeld. Nach Aufhebung des Sozialistengesetzes ging er 1890 nach Berlin, wo er eine feste Anstellung fand und schnell im Handlungsgehilfenverband und der SPD eine Rolle zu spielen begann. Er kam auch mit dem Wilhelmshagener Kreis um Wilhelm Bölsche und Bruno Wille (1860–1928, siehe Literatur) in Verbindung, an dessen freireligiöser Gemeinde er sich beteiligte.

    K.s lebenslange Tätigkeit auf dem Gebiet der Krankenversicherung, der Präventivmedizin und des Wohnungswesens begann 1893 mit seiner Einstellung als Angestellter der Ortskrankenkasse für Handlungsgehilfen und Lehrlinge in Berlin, die – wie fast alle Ortskrankenkassen – von Sozialdemokraten geleitet wurde. 1898 übernahm er als Geschäftsführer die Leitung der Krankenkasse der Kaufleute, Handelsleute und Apotheker in Berlin, die dann 1914 auf Grund des Inkrafttretens der Reichsversicherungsordnung mit verschiedenen anderen Kassen, einschließlich der viel kleineren Allgemeinen Ortskrankenkasse Berlin, unter diesem Namen zusammengelegt wurde. Am 1.1.1914 wurde K. Direktor dieser nunmehr größten Krankenkasse im Deutschen Reich, die bereits eine halbe Million Mitglieder zählte. Dieses Amt übte er bis zu seiner Pensionierung 1925 aus. Zu seinen vielen anderen Tätigkeiten gehörte die Beratung des Parteivorstandes und der Reichstagsfraktion der SPD bei sozialpolitischen Fragen und Gesetzesvorlagen. Auch unterhielt K. enge Beziehungen zu den freien Gewerkschaften. Zu seinen bedeutendsten Leistungen zählen die Erforschung und Publizierung des Wohnungselends und dessen enger Verbindung mit den Infektionskrankheiten. K. setzte die gefürchteten Krankenkontrolleure ein, deren ursprüngliche Aufgabe das Aufspüren von Verstößen gegen die Krankenkassenordnung war. Durch sie ließ er Erhebungen über die Wohnverhältnisse der Kranken (mit Photographien) durchführen, die er wissenschaftlich verarbeitete, mit vergleichenden Angaben aus anderen Weltstädten versah und seit 1902 jährlich als „Wohnungs-Enquete“ veröffentlichte. Als erste Krankenkasse gründete die Allgemeine Ortskrankenkasse Berlin eine Lungenheilstäte (in Müllrose bei Frankfurt/Oder). Diese Gründung– wie auch die „Wohnungs-Enquete“, auf die sie zurückging – brachte K. scharfe Anfeindungen von Interessengruppen der Haus- und Grundbesitzer. K. bemühte sich auch um die Bekämpfung des Alkoholismus und der Geschlechtskrankheiten, um den Mutterschutz und die Familienversicherung. Er stand der Gartenstadt-Bewegung nahe und war Mitbegründer der Gartenstadt Falkenberg bei Berlin.

    International fand K. schon früh Anerkennung; 1908 ließ sich Lloyd George, damals als Schatzkanzler mit der Vorbereitung der britischen Sozialgesetzgebung beschäftigt, auf einer Deutschlandreise in Berlin von ihm beraten. Nach dem 1. Weltkrieg wurde er als einer der ersten Deutschen nach England eingeladen. Der pragmatisch-demokratische Charakter seiner sozialistischen Überzeugung erinnert an die englischen Fabier, zu deren Ideen er früh, wahrscheinlich durch Eduard Bernstein, Zugang fand. So unterstützte er im Krieg illusionslos, weil von der Schädlichkeit einer Parteispaltung überzeugt, die nur den Gegnern der Arbeitenden nützen würde, die Mehrheitssozialisten und arbeitete eng zusammen mit dem deutschen Roten Kreuz, stets bedacht auf Maßnahmen, die der Linderung des Massenelends dienten. Sein Interesse für das Schicksal der Ärmsten und der Außenseiter der Gesellschaft brachte ihn auch in Verbindung mit der Heilsarmee und mit sozial interessierten Beamten der Berliner Kriminalpolizei. – K.s persönliche Interessen gingen weit über seinen Beruf hinaus. Sie umfaßten unter anderem Naturgeschichte, Völkerkunde und Kultur- und Geistesgeschichte, wie aus seiner großen, unter erheblichen Opfern erworbenen Privatbibliothek hervorgeht. Auch war er ein passionierter Alpinist. Bis in seine letzten Tage schrieb er an der Geschichte der Krankenkasse, deren Manuskript aber verlorengegangen ist. Die überwältigende Beteiligung der Bevölkerung an der Trauerfeier für K. bezeugte das hohe Ansehen, das dieser als „Freund der Kranken“ genoß.

  • Werke

    u. a. Arbeiterversicherung u. Alkoholismus, o. J.;
    Unsere erste Wohnungs-Enquête, I. A. d. Vorstandes d. Ortskrankenkasse f. d. Gewerbebetriebe d. Kaufleute, Handelsleute u. Apotheker bearb., 1902;
    Unsere Wohnungs-Enquête i. J. 1904, 1905;
    Unsere Wohnungsunterss. i. d. J. 1919–20, 1922.

  • Literatur

    R. Lennhoff, in: Voss. Ztg., Nr. 589 v. 18.12.1926;
    Mitt. d. dt. Ges. z. Bekämpfung d. Geschlechtskrankheiten 24, Nr. 12, 1926, S. 139;
    Sozialist. Mhh. 1, 1927, S. 47;
    A. W. Stargardt, F. Tennstedt u. H. Umrath, A. K. -
    e. Freund d. Kranken, in: Die Ortskrankenkasse 23/24, 1976, S. 810-16 (L, P). - Zu B. Wille: Kosch, Lit.-Lex.;
    RGG;
    DBJ X (Tl.).

  • Autor/in

    Albert Wolfgang Stargardt
  • Zitierweise

    Stargardt, Albert Wolfgang, "Kohn, Albert" in: Neue Deutsche Biographie 12 (1980), S. 433-434 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd137734492.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA