Lebensdaten
1879 – 1951
Geburtsort
Fürth
Sterbeort
Potsdam
Beruf/Funktion
Schriftsteller
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 118561162 | OGND | VIAF: 17224741
Namensvarianten
  • Kellermann, Bernhard
  • Kelerman, B.
  • Kelerman, Bernchard
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Orte

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Zitierweise

Kellermann, Bernhard, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118561162.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Joh. Friedrich, Magistratsbeamter in F.;
    M Margarethe Katharina Pfeiffer;
    1) Berlin-Wilmersdorf 1915 Mabel (1878–1926), T d. Dr. med. Charles Henry Giberson in Brooklyn u. d. Indiana Jackson, 2) Berlin-Charlottenburg 1939 Else, T d. Wäschezuschneiders Otto Michaelis u. d. Luise Block.

  • Biographie

    K. studierte an der TH München, wechselte jedoch bald zur Germanistik, dann zur Malerei über. Seine ersten literarischen Veröffentlichungen waren „lyrische Romane“ nach dem Vorbild impressionistischer Stimmungsbilder (Yester und Li, 1904; Ingeborg, 1906; Der Tor, 1909). Dostojewski, Hamsun und Jacobsen bezeichnete er als seine „näheren Lehrer“, an ihnen orientierte er vor allem sein epigonenhaft wirkendes Frühwerk. Seine frühen Romane tragen entweder märchenhafte Züge (Yester und Li) oder spielen in einer vagen Welt, deren gesellschaftlicher und geschichtlicher Hintergrund verborgen bleibt (Ingeborg). Erst eine Reise in die Bretagne, wo er mit dem mühsamen Leben der Fischer konfrontiert wurde, bestimmte ihn, in seinen Roman „Das Meer“ (1910) eine soziale Thematik einzuführen und die Natur nicht mehr nur als bloße Symbol- und Stimmungswelt aufzufassen, sondern sie in ihrer realistischen Rolle als Partner oder Gegner der Fischer darzustellen.

    Dann aber überraschte K. mit einem Zukunftsroman, der ihn weltweit berühmt machte und seinen Nachruhm sicherte: „Der Tunnel“ (1913). Waren die frühen Romane noch in einem gleichnisreichen, arabesken „Jugendstil“ geschrieben, der die vagen Sehnsüchte dieser Gefühlswelt repräsentierte, so ist „Der Tunnel“ sachlich und knapp in einem nahezu szenischen, filmreifen Reportagestil geschrieben. Bei diesem Tunnelbau, der Europa und Amerika verbinden soll, wird nicht nur der Technik, sondern auch den Menschen, die dieser Technik gleichsam untergeordnet sind, das Äußerste abverlangt. Eine eigens konstruierte Maschine, die das Unternehmen überhaupt erst möglich macht, frißt sich als Symbol eines Urtieres durch die unterirdische Höhle, die für die Arbeiter die Hölle bedeutet. Finanzzusammenbrüche, Explosionskatastrophen, Streiks belasten das Projekt, bis es – Jahre später als geplant – dennoch zu Ende gebracht werden kann. K. decouvriert die finanzpolitischen Manipulationen, die hinter dem Anspruch stehen, Europa und Amerika durch den Tunnel nicht nur räumlich, sondern auch geistig einander näher zu bringen. Mit einem simplen stilistischen Mittel demonstriert er die Einschätzung, die die Arbeiter durch die Finanzgewaltigen erfahren: Wohl räumt er ihnen Argumentation und Handlung ein, aber wie auswechselbare Söldner tragen sie, auch wo sie sich als einzelne aus der Handlung herausheben, keine Namen.

    Während des 1. Weltkrieges war K. Kriegsberichterstatter des Berliner Tageblatts, in Buchform erschienen 1915 „Der Krieg im Westen“ und 1916 „Der Krieg im Argonnerwald“. – In den Jahren vor und nach dem 1. Weltkrieg unternahm K. ausgedehnte Weltreisen, über die er impressionistische Reiseberichte, vor allem aus dem Fernen Osten veröffentlichte (Ein Spaziergang in Japan, 1910; Japan. Tänze, 1912; Auf Persiens Karawanenstraßen, 1928; Der Weg der Götter, Indien, Klein-Tibet, Siam, 1929; Meine Reisen in Asien, 1939).

    K.s neoromantische, frühe Romane waren ganz auf Empfindsamkeit ausgerichtet und ließen die analytische Gesellschaftskritik vermissen, wie sie zum Beispiel die Wiener Schule der Neuromantik kennzeichnet. Bald jedoch vermochte er die sozialen und politischen Probleme seiner Zeit nicht mehr zu übersehen. Er wandte sich immer eindeutiger zeitgenössischer Thematik zu, ohne je seine Herkunft aus der Neoromantik ganz zu verleugnen: Hymnisch-pathetische Bekenntnisse zu Menschheitsverbrüderung, Opfertod und testamentarische Anrufe sind die literarischen Mittel, mit denen K. sein Zukunftsbild einer besseren Menschheit, einer friedlicheren Welt vorträgt. Zuweilen recht satirisch behandelt der Revolutionsroman „Der 9. November“ (1920) das aktuelle Thema der Militaristen und Kriegsgewinnler. Erfahrungen aus der Kriegs- und Nachkriegszeit verarbeiten auch die beiden Romane „Die Brüder Schellenberg“ (1925) und „Lied der Freundschaft“ (1935) – Versuche, das Kameradschaftserlebnis des Krieges in die Nachkriegszeit hinüberzuretten. Die Durchdringung von Realität und Symbol, Gesellschaftskritik und fortschrittsgläubigem Pathos wie im „Tunnel“ hat K. nie wieder erreicht. Er versuchte ein ähnliches Thema noch einmal anzuschlagen: In „Die Stadt Anatol“ (1932) stellt er den unbedingten Glauben an die Möglichkeiten der Technik wiederum in Frage, als eine kleine, ländliche Stadt durch Erdölfunde plötzlich einen wirtschaftlichen Boom mit all seinen negativen Erscheinungen von radikalen Konkurrenzkämpfen bis hin zu Verbrechen verarbeiten muß. K.s letzter Roman „Der Totentanz“ (1948) ist eine Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus. Am Beispiel zweier Brüder – auch das eine für K. typische Konstellation – spielt er die Verhaltensmöglichkeiten durch. Während der eine ins KZ kommt, dient der andere, vermeintlich unpolitisch, dem Regime unter dem Vorwand, an die Zukunft seiner beiden Söhne denken zu müssen. Erst als diese beiden im Krieg umkommen, erkennt er seine Schuld und erschießt sich.

    K. war 1933 aus der Preußischen Dichterakademie, deren Mitglied er seit 1926 gewesen war, ausgeschlossen worden. Sein Roman „Der 9. November“ wurde im Mai 1933 öffentlich verbrannt, er selbst blieb einigermaßen unbehelligt. 1945 wurde er Mitbegründer und Vizepräsident des Kulturbundes zur Demokratischen Erneuerung Deutschlands, 1949 erhielt er den Nationalpreis der DDR.

  • Werke

    Weitere W Die Heiligen (Novelle), 1922;
    Schwedenklees Erlebnis (Roman), 1923;
    Die Wiedertäufer v. Münster (Drama), 1925;
    Jang-tsze-kiang (Erz.), 1934;
    Das blaue Band (Roman), 1938;
    Georg Wendtlandts Umkehr (Roman), 1940;
    Was sollen wir tun? (Rede), 1945;
    Manifest u. Ansprache d. Kulturbundes z. demokrat. Erneuerung Dtld.s, 1945;
    Ausgew. Werke in Einzelausgg., hrsg. v. E. Kellermann u. U. Dietzel, 6 Bde., 1958-60.

  • Literatur

    A. F. Binz, in: Die Schöne Lit. 30, 1929, S. 513-19 (mit Bibliogr. v. E. Metelmann);
    E. Hocke, Storms Waldwinkel u. K.s Ingeborg, in: Mhh. f. d. dt. Unterricht, 1931;
    S. Tulpanow, K. u. d. Sowjet. Öffentlichkeit, in: Tägl. Rdsch. 53, 1949;
    H. Mayer, Ein realist. Epiker, ebd.;
    A. Döblin, in: Jb. d. Ak. d. Wiss. u. d. Lit., 1951 (W-Verz.);
    P. Wiegler, B. K., Träumer u. Rebell, in: Ost u. West 3, 1949;
    W. Ilberg, B. K. in s. Werken, 1959;
    G. Wenzel, Das Gesellschaftsbild im erzähler. Werk B. K.s, Diss. Halle 1964;
    G. J. Bergel'son, B. K., 1965.

  • Autor/in

    Gertraude Wilhelm
  • Zitierweise

    Wilhelm, Gertraude, "Kellermann, Bernhard" in: Neue Deutsche Biographie 11 (1977), S. 470-471 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118561162.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA