Lebensdaten
1860 – 1943
Geburtsort
Frankfurt/ Main
Sterbeort
Ghetto Theresienstadt
Beruf/Funktion
Chemiker ; Industrieller ; Geschäftsführer der Firma L. Cassella ; Mäzen
Konfession
keine Angabe
Normdaten
GND: 117262056 | OGND | VIAF: 64779357
Namensvarianten
  • Weinberg, Arthur Bernhard (bis 1908)
  • Weinberg, Arthur von
  • Weinberg, Arthur Bernhard (bis 1908)
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Zitierweise

Weinberg, Arthur von, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd117262056.html [19.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus assimilierter jüd. Kaufm.fam. in Hessen;
    V Bernhard W. (1815–77, jüd.), aus Escheberg b. Wolfhagen (Nordhessen), Industr., 1858 Teilh. d. Fa. Leopold Cassella & Comp. in F., S d. Salomon (Maximilian) (1782–1825), Pferdehändler, Gutspächter zu Escheberg, u. d. Friederike Wäscher (1791–1830), aus Breuna (Nordhessen);
    M Pauline (1836–1921), aus F., T d. Ludwig Aron Gans (1794–1871, jüd., später ev.), aus Celle, Großkaufm. in F., Industr., 1822 Prokurist, 1847 Alleininh. d. Fa. Cassella, u. d. Rosette (Rösge) Goldschmidt (1805–68), aus F.;
    Om N. N. Gans, Inh. d. Fa. Leopold Cassella & Co., Leo Gans (1843–1935, jüd., später ev.), Chemiker, Großindustr. in F., Leiter d. Farbenfabrik in Frankfurt-Fechenheim (s. NDB VI);
    B Carl (s. 2), Friedrich (* 1863), Schw Maria (1859–1932, Giovanni Conte Paulucci [Paolozzi] di Calboli);
    Frankfurt/ Main 1909 Wilhelmine (Willemina) (1872–1935, ref., 1] Alexander Peschel, 1853–1904, aus Augsburg, Obering. in F., S d. Oscar Peschel, 1826–75, Prof. f. Geogr. in Leipzig, s. NDB 20), T d. Willem Huygens, 1841–1917, Kaufm. in Amsterdam, u. d. Maaike Isseltje Tange (1840–81), aus Alblasserdam;
    2 Adoptiv-T Marie (Mary) (1892–1969, 1911 Rudolf Gf. v. Spreti, 1883–1955, kath., aus München, auf Schloß Pähl/ Ammersee, bayer. Kammerherr, Major, Reiter, Pferdezüchter, Leiter d. Gestüts Waldfried in F.-Niederrad, 1846–55 Präs. d. Münchener Reiterver., Gr. BVK 1953, s. GHdA 101), | Charlotte (1896–1973, 1] 1917–32 Rudolf Gf. v. Montgelas, 1886–1968, kath., ksl. Kpt.lt., 2] 1942 Ferdinand August Prinz v. Lobkowicz, 1901–76, Dr. iur., auf Serrahn).

  • Biographie

    W. entstammte einer alten jüd. Kaufmannsfamilie, die sich von der aktiven Religionsausübung entfernt hatte. Er trat, auch um Diskriminierungen aus dem Weg zu gehen, 1880 zum Protestantismus über. In seiner Lebensführung finden sich danach kaum Spuren seiner jüd. Herkunft. 1878 nahm er nach dem Abitur auf der Frankfurter Musterschule an der neugegründeten Univ. Straßburg das Studium der Physik, Chemie, Mathematik und Altphilologie auf und wechselte 1880 an das Chemische Institut der Univ. München, das von dem Entdecker der Indigo-Synthesen, Adolf Baeyer (1835–1917), geleitet wurde.

    Dort wurde er 1882 mit einer Arbeit zur Indigo-Synthese bei Paul Friedländer (1857–1923) zum Dr. phil. promoviert. Anschließend absolvierte W. beim 3. Cheveaulegers Regiment „Herzog Karl Theodor“ der Bayer. Armee seinen Militärdienst, der ihm nach weiteren Übungen den Titel des Reserveoffiziers einbrachte. 1883 trat er als Laborchemiker in das Unternehmen seines Onkels Leo Gans, die „Leopold Cassella & Comp.“, ein und übernahm leitende Aufgaben in der Farbstofforschung.

    Nicht zuletzt aufgrund seiner patentierten Farbstoffdarstellungen expandierte die Cassella, die seit 1904 mit der „Actiengesellschaft Farbwerke vormals Meister Lucius & Brüning“ (Hoechst) im sog. Zweiverband und seit 1907 auch mit der „Kalle & Co. AG“ als sog. Dreiverband in einem Interessengemeinschaftsvertrag verbunden war, zu einem der bedeutendsten und profitabelsten Farbstoffhersteller der Welt. 1900 gründete W. zusätzlich eine pharmazeutische Abteilung mit Unterstützung von Paul Ehrlich (1854–1915). Seit Anfang der 1890er Jahre war er Teilhaber des Unternehmens und seit der Umwandlung des Unternehmens in eine GmbH 1904 mit seinem Bruder Carl (s. 2) Geschäftsführer; er versteuerte 1905 mehr als eine Million Mark Jahreseinkommen und besaß ein Vermögen von mehr als 9 Mio. Mark.

    Neben einer entsprechenden Lebensführung (Haus Buchenrode, Frankfurt-Niederrad, 1908) wurde W. einer der maßgeblichen Mäzene des aufstrebenden Wissenschaftsstandorts Frankfurt/M. Eine auf ihn lautende, 1909 gegründete Stiftung förderte v. a. die Senckenbergische Naturforschende Gesellschaft (SNG), deren Direktor W. 1909 wurde; er zählt auch zu den maßgeblichen Stiftern der 1914 eröffneten Goethe-Univ. Frankfurt/M. Er war Förderer von Pferderennsport und -zucht in Frankfurt/M. als Besitzer des 1896 gegründeten Gestüts Waldfried (Frankfurt-Niederrad), das in Deutschland führend in der Vollblutzucht war.

    Seit 1914 leistete W. Kriegsdienst, den er 1918, mehrfach ausgezeichnet, als Major der Kavallerie beendete. 1916 wechselte er von der Front in das Preuß. Kriegsministerium und war mit Fragen der chemischen Produktion befaßt. 1918 kehrte er zur Cassella zurück. Nach deren Aufgehen in der 1925 gegründeten „I.G. Farbenindustrie AG“ wechselte W. in deren Verwaltungs- und Aufsichtsrat.

    W. beteiligte sich 1930 an der Gründung der Dt. Staatspartei, nahm aber die Folgen der Regierungsübernahme der Nationalsozialisten nur zögerlich wahr. Trotz unmittelbarer antisemitisch motivierter Übergriffe hielt er an seinen Ämtern und patriotischen Überzeugungen fest und war bereit, sich bis zu einem gewissen Grad mit der Regierung Hitler zu arrangieren. Den Verwaltungsrat der I.G. Farben gab er 1935, den Aufsichtsrat 1937 auf, aus dem Direktorium der SNG schied er erst 1938 nach massivem Druck aus. Von den Nationalsozialisten aus seinem Haus verdrängt, die Buchenrode zu einem Spottpreis kauften, zog er zu seiner Adoptivtochter Marie nach Bayern, von wo die Münchner Gauleitung seine Deportation nach Theresienstadt betrieb. Die Versuche der I.G.-Spitze, seine Freilassung zu erreichen, kamen zu spät. W. starb nach einer Operation im Ghetto Theresienstadt.

  • Auszeichnungen

    |preuß. Geh. Reg.rat (1913);
    E. K. II u. I;
    Ehrenbürger (1924) u. Ehrensenator (1930) d. Univ. Frankfurt/M.;
    Dr. med. h. c. (Frankfurt /M. 1921);
    Präs. d. Renn-Klubs Frankfurt/M. (1918);
    Dr.-Ing. E. h. (TH Darmstadt 1923);
    Ehrenbürger d. Städte Fechenheim (1908–33) u. Frankfurt/M. (1930–33);
    Silberne Ehrenplakette d. Stadt Frankfurt/M. (1927);
    ao. Ehrenmitgl. (1923) u. Ehrenpräs. d. SNG (1930);
    Mitgl. d. Leopoldina (1932);
    Goethe-Medaille f. Kunst u. Wiss. (1932);
    Dr. techn. E. h. (Dt. Hochschule Prag 1932);
    Großkreuz d. Ordens d. Krone v. Italien;
    preuß. Roter Adlerorden IV. Kl.;
    bayer. Verdienstorden v. Hl. Michael IV. Kl.;
    Vorstandsmitgl. d. KWI u. d. Dt. Chem. Ges.;
    Präs. d. Dt.-Ital. Handelskammer;
    – A. v. W.-Haus d. SNG, Frankfurt/M. (1992);
    A. v. W.-Str., Frankfurt/M. (2015).

  • Werke

    |Ueber das Carbostyril, Diss. phil. München 1882;
    Das Vollblutpferd als Produkt systemat. Zuchtwahl, in: Berr. d. Senckenberg. Naturforschenden Ges. 42, 1911, S. 145–74;
    Kinet. Stereochemie d. Kohlenstoffverbindungen, 1914;
    Tendenz im Weltgeschehen u. exakte Naturwiss., 1926;
    Über organ. Doppelbindungen, in: Zs. f. angew. Chemie 44, 1931, N. 40, S. 814–18.

  • Literatur

    L W. Kramer, Chron. d. Senckenberg. Naturforschenden Ges. 1817–1966, 1967;
    J.-U. Heine, Verstand & Schicksal, Die Männer d. I.G. Farbenind. AG (1925–1945), 1990, S. 255–58;
    A. Hopp, Jüd. Bürgertum in Frankfurt a. Main im 19. Jh., 1997;
    E. Mack, Die Frankfurter Fam. v. W., 2000;
    M. Stolleis, Wiss., Untern., Mäzen, NS-Opfer, Zur Erinnerung an A. v. W. (1860–1943), in: Forsch. Frankfurt 1, 2007, S. 94–98;
    A. v. Gans u. M. Groening, Die Fam. Gans 1350–1863, ²2008;
    H. Vollmann, Eigenständigkeit u. Konzernintegration, Die Cassella, ihre Eigentümer u. ihr Führungspersonal, 2011 (P);
    M. Groening, Leo Gans u. A. v. W., Mäzenatentum u. jüd. Emanzipation, 2012 (Qu, L, P);
    Frankfurter Biogr. (P);
    zur Fam.: Gotha. Geneal. Tb. d. Adeligen Häuser 19, 192, S. 899 f.;
    Qu Inst. f. Stadtgesch., Frankfurt/M.;
    Ausst.: A. v. W., Untern., Stifter, Senckenberger, Wechselausst. im Senckenberg. Naturmus. Juli – Nov. 2013.

  • Porträts

    |Ölgem. „Sitzung d. Verw.rats d. I.G. Farben“ v. H. Groeber, 1926 (Bayer AG, Leverkusen);
    Büste v. F. C. Hausmann (Frankfurt/M., A. v. W.-Haus d. SNG), Abb. in: H. Vollmann, 2011 (s. L), S. 231.

  • Zitierweise

    Plumpe, Werner, "Weinberg, Arthur von" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 623-625 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117262056.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA