Ziegler, Konrat

Lebensdaten
1884 – 1974
Geburtsort
Breslau
Sterbeort
Göttingen
Beruf/Funktion
klassischer Philologe
Konfession
evangelisch
Namensvarianten

  • Ziegler, Konrat Julius Fürchtegott
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Zitierweise

Ziegler, Konrat, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/sfz143030.html [07.12.2025].

CC0

  • Ziegler, Konrat Julius Fürchtegott

    | Klassischer Philologe, * 12.1.1884 Breslau, † 8.1.1974 Göttingen, ⚰ Göttingen, Stadtfriedhof. (evangelisch)

  • Genealogie

    V Ludwig (1851–1908), Kaufm.;
    M Bertha Diener (1856–1897);
    6 Geschw;
    1) 1910 Hanna Hübner (1880–1958), 2) 1960 Leni Schröder;
    4 S aus1), 1 T aus 1) (früh †).

  • Biographie

    Nach dem Studium in Breslau und (kurzzeitig) Berlin (Klassische Philologie, Geschichte, Archäologie) wurde Z. 1905 unter der Ägide von Franz Skutsch (1865–1912) zum Dr. phil. promoviert, legte 1906 das Staatsexamen für den Höheren Schuldienst ab und habilitierte sich 1907. 1910 erhielt er, ebenfalls in Breslau, einen Lehrstuhl als beamteter ao. Professor für Klassische Philologie. Militärdienst leistete Z. zunächst als Dolmetscher, dann als Presseattaché der dt. Gesandtschaft in Sofia. 1920 wurde seine Professur in ein persönliches Ordinariat umgewandelt. 1923 folgte Z. einem Ruf nach Greifswald (Dekan d. phil. Fak. 1926/27, Rektor 1928/29).

    Z. erarbeitete sich zunächst eine religionsgeschichtliche Expertise, publizierte später jedoch auch Studien zur griech. wie zur lat. Literatur in ihrer ganzen Breite, von Hesiod bis in die Spätantike. Durch Anthologien und gedruckte Vorträge erschloß er Themen der Alten Welt überdies für ein breiteres Publikum.

    Unschätzbare, im engeren Kollegenkreis freilich oft ebenfalls zu gering geachtete Verdienste erwarb sich Z. durch die zeitraubende, die eigene Forschung beschränkende Kärrnerarbeit als Herausgeber und Redakteur großer Nachschlagewerke: „(Roschers) Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie“ (Bde. V u. VI, 1923–37) und „Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft“ (RE, ab 1946; Hg. v. Bd. 18/3, 1949 bis Suppl. 13, 1973). „Der Kleine Pauly, Lexikon der Antike“ (5 Bde., 1964–75, hg. mit dem Schulphilologen Walther Sontheimer, 1890–1984) wurde maßgeb|lich durch Z.s Initiative auf den Weg gebracht und erreichte als gelehrtes, dabei erschwingliches Auskunftsmittel weite Verbreitung. Für die beiden zuletzt genannten Werke verfaßte Z. auch zahlreiche Artikel selbst und erschloß sich zu diesem Zweck nicht selten Themen ganz neu, darunter die byzantin. Autoren Photios und Zonaras. Z. stand dem diesen Enzyklopädie-Unternehmen zugrundeliegenden positivistischen Wissenschaftsoptimismus eher fern, ließ sich aber in die Pflicht nehmen, „durch entschlossene Arbeit, durch Wahrung des Erhaltengebliebenen, durch Fortführung des Unvollendeten und durch Wiederaufbau des Zerstörten ein Beispiel (zu) setzen“ (Gärtner, 1980, S. XIII).

    Der Name Z.s ist ferner untrennbar mit den Parallelbiographien Plutarchs verknüpft. Fundiert durch textgeschichtliche und exegetische Studien co-edierte er die „Vitae“ in einer noch heute verwendeten kritischen Ausgabe und sorgte durch die von ihm (mit Walter Wuhrmann, 1913–78) angefertigte sechsbändige Übertragung für eine weite Verbreitung im dt. Sprachraum.

    Z. war seit Gründung der Republik Mitglied der DDP, später auch des „Reichsbanners“. 1924 exponierte er sich im „Greifswalder Flaggenstreit“ gegen den Prorektor. Der überzeugte Demokrat, Pazifist und Streiter wider den Antisemitismus sah sich schon vor 1933 Anfeindungen von studentischer und publizistischer Seite ausgesetzt. Am 2.5.1933 wurde er beurlaubt, im Sept. „wegen nationaler Unzuverlässigkeit“ entlassen. Die Familie zog nach Berlin, wo Z. 1939 wegen der Unterstützung eines jüd. Bankiers Dr. Schwabe bei der Emigration für 12 Monate inhaftiert und schließlich mit Publikationsverbot belegt wurde. 1943 nach Ausbombung und Verlust der Bibliothek zog Z. nach Osterode (Harz), wo er unter Lebensgefahr erneut Verfolgte unterstützte, darunter seinen kurzzeitigen (1923–26) jüd. Kollegen Kurt Latte (1891–1964).

    Dennoch wurde Z.s Wiedereinsetzung als Professor, nunmehr in Göttingen von Latte als wiederbestalltem Ordinarius (seit 1945) hintertrieben, da er ihn für fachlich zweitrangig hielt. Der „rote Z.“ (1948–64 für die SPD Mitglied im Stadtrat, aktiv v. a. in der Erinnerungspolitik und der dt.-israel. Aussöhnung, später auch in der Dt. Friedensunion) erlangte zunächst nur einen Lehrauftrag, 1950 dann auf Druck des Ministeriums eine Honorarprofessur; seit 1953 erhielt er das Gehalt eines o. Professors; seit 1965 wurde er als o. Emeritus geführt.

    Ihm sei, so äußerte Z. in einem Brief an seinen Schüler L. Wickert (8.2.1953), „jede Orthodoxie und jede kritiklose Menschenanbetung verhaßt, auch den Genies gegenüber“.

    So zeigte er Begrenztheiten in der Historiographie des Thukydides und in Goethes Faust II auf. Die Einheit von wissenschaftlicher und politischer Haltung äußerte sich auch in Z.s Habitus; jedenfalls wird er als grundliberal und unerschrocken gerühmt, dabei verbindlich im Ton, auch gegenüber Studenten, und offen für begründete Kritik, die er seinerseits freimütig übte. Unter den antiken Autoren fühlte er sich Plutarch besonders nahe, war dieser doch seiner Ansicht nach „zutiefst davon durchdrungen, daß das Streben nach Erkenntnis der Wahrheit des Menschen bestes Teil, daß es das Göttliche in ihm und ihm von Gott als Aufgabe gestellt sei“ (Plutarch über Gott und Vorsehung, Dämonen und Weissagung, 1952, 14) – dies kann auch als Selbstporträt gelesen werden.

  • Auszeichnungen

    A Dr. phil. h. c. (Thessaloniki 1964);
    Gr. Verdienstkreuz d. Niedersächs. Verdienstordens (1964);
    Ehrenmitgl. d. Soc. f. the Promotion of Hellenic Studies, London (1969);
    Ehrenbürger d. Stadt Göttingen (1969);
    Gerechter unter d. Völkern, Yad Vashem (2001);
    K.-Z.-Weg in Göttingen-Weende;
    Gedenktafel an ehem. Wohnhaus in Greifswald (2021).

  • Werke

    W u. a. De praecationum apud Graecos formis quaestiones selectae, Diss. Breslau 1905;
    Praefatio ad Iuli Firmici Materni De errore profanarum religionum, Habil.schr. Breslau 1907;
    Plutarchi Vitae parallelae, krit. Ed., 4 Bde. in 7 T., 1914–39 (mit C. Lindskog, verbesserte Aufll. 1957 ff., mit H. Gärtner);
    Plutarch, Große Griechen u. Römer, 6 Bde., 1954–65) (Übers., mit W. Wuhrmann);
    Plutarch über Gott u. Vorsehung, Dämonen u. Weissagung, 1952 (Übers.);
    Ciceronis De re publica, krit. Ed., 1915, ⁷1969;
    M. Tullius Cicero, De legibus, krit. Ed., 1950 u. ö., beide zus. mit Einl. u. Übers.: Cicero, Staatstheoret. Schrr., 1974;
    Σικελ ί α–Sicilia, in: RE 2A, 1923, Sp. 2461–2522;
    Orpheus, ebd. 18/1, 1939, Sp. 1200–1310;
    Plutarchos v. Chaironeia, ebd. 21/1, 1951, Sp. 636–962 (zuerst separat 1949);
    Polybios v. Megalopolis, ebd., 21/2, 1952, Sp. 1440–1578;
    Menschen- u. Weltenwerden, 1913;
    Weltentstehung in Sage u. Wiss., 1925 (mit S. Opppenheim);
    Thukydides u. d. Weltgesch., 1928 (Rektoratsrede);
    Gedanken über Faust II, 1919;
    Das hellenist. Epos, 1934, vermehrt 1966;
    M. Tullius Cicero, Kann e. gebildeter Mensch Politiker sein?, in: Die Antike 10, 1934, S. 306–15;
    W-Verz.: H. Gärtner u. W. H. Groß, Bibliogr. K. Z. z. 12.1.1964;
    H. Gärtner, Bibliogr. K. Z. 1964–1973, 1974.

  • Literatur

    L H. Hommel, Vollendung e. Bandwurms, K. Z., Nestor d. dt. Altertumswiss., in: FAZ v. 14.1.1974;
    L. Wickert, in: Gnomon 46, 1974, S. 636–40;
    H. Gärtner, in: RE Register d. Nachtrr. u. Suppll., 1980, V–XIX;
    E. Mensching, Verfolgte Philologen im Berlin d. dreißiger Jahre, K. Z. (1884–1974) vor Berliner Gerichten, in: ders., Nugae z. Philol.-Gesch., III, 1990, S. 5–47;
    C. Wegeler, „… wir sagen ab der in|ternationalen Gelehrtenrepublik“, Das Göttinger Inst. f. Altertumskde. 1921–1962, 1996, v. a. S. 263–67 (Widerstand gegen K. Z.s Einsetzung als Prof.);
    B. Kratz-Ritter, K. F. Z., e. „Gerechter unter den Völkern“ aus Göttingen, in: Göttinger Jb. 50, 2002, S. 187–96;
    dies., K. F. Z. Prof. Dr. phil., Dr. phil. h. c., e. „Gerechter unter den Völkern“, in: Magistri et discipuli, Kapitel z. Gesch. d. Altertumswiss. im 20. Jh., hg. v. W. Appel, 2002, S. 19–37;
    H. Gärtner, „Allen Gewalten zum Trotz sich erhalten!“ Unpubl. Briefe Kurt Lattes aus d. J. 1943–1946, in: Göttinger Forum f. Altertumswiss. 5, 2002, S. 185–219;
    K. Brodersen, Kann e. gebildeter Mensch Politiker sein? K. Z. in Greifswald, in: Altertumswiss. in Greifswald, Porträts ausgew. Gelehrter 1856 bis 1946, hg. v. S. Froehlich, 2021, S. 255–76 (P);
    ders. (Hg.), Kann e. gebildeter Mensch Politiker sein? K. Z. an d. Univ. Greifswald 1923–1933, 2022, darin u. a.: D. Alvermann, K. Z. als homo politicus, S. 27–34 u. K. Wettig, Rückkehr in die Demokratie, K. Z. in Osterode u. Göttingen, S. 35–41;
    R. Baumgarten, in: Gesch. Altertumswiss.

  • Porträts

    P Photogr., Z. als Rektor d. Univ. Greifswald, 1928/29 (Greifswald, Univ.archiv), Abb. in: Brodersen, 2021 (s. L), S. 265, u. Gärtner, K. Z., S. III;
    Ölgem. v. W. Schöpp, 1971 (Göttingen, Rathaus).

  • Autor/in

    Uwe Walter
  • Zitierweise

    Walter, Uwe, "Ziegler, Konrat Julius Fürchtegott" in: Neue Deutsche Biographie 28 (2024), S. 681-683 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/sfz143030.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA