Zeidler, Wolfgang
- Lebensdaten
- 1924 – 1987
- Geburtsort
- Hamburg
- Sterbeort
- Meran
- Beruf/Funktion
- Richter ; Präsident des Bundesverwaltungsgerichts und Bundesverfassungsgerichts
- Konfession
- -
- Namensvarianten
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- Zeidler, Wolfgang Walter Heinrich
- Zeidler, Wolfgang
- Zeidler, Wolfgang Walter Heinrich
- Zeidler, Wolfgang Walther Heinrich
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Zeidler, Wolfgang Walter Heinrich
| Richter, Jurist, Präsident des Bundesverwaltungsgerichts, Präsident des Bundesverfassungsgerichts, * 2.9.1924 Hamburg, † 31.12.1987 (Bergunfall) Meran, ⚰ Karlsruhe, Hauptfriedhof.
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Genealogie
V →Kurt (Curt) (1889–1982), aus H., Päd., Mitgl. d. „Päd. Vereinigung v. 1905“ u. 1914 d. „Ges. d. Freunde d. vaterländ. Schul- u. Erziehungswesens“ (1929–30 Vorstand), 1921 Schulleiter d. reformpäd. „Wendeschule“ in H., 1926 Mitgl. d. SPD, 1930 Schulrat, 1933 abgesetzt, 1945 Mitgl. d. Entnazifizierungsausschüsse in H., bis 1954 aktiv im Aufbau d. Schulwesens ebd., Oberschulrat, Vf. v. Erinnerungen, zuletzt in Großhansdorf (s. W, L), S d. →Curt August Johannes († v. 1933), Kaufm. in Eilbeck b. H., u. d. →Caroline Mathilde Henriette Lambertz (1863–1933), aus Wahmbeck b. Einbeck;
M N. N.;
⚭ Helga Anneliese N. N. (* um 1931);
1 S Andreas (* um 1964). -
Biographie
Z. besuchte 1935–42 die Gelehrtenschule des Johanneums in Hamburg, leistete 1942–45 Kriegsdienst, holte 1946 das Abitur nach und studierte anschließend Rechtswissenschaft an der Univ. Hamburg (1. jur. Staatsexamen 1950). 1951 wurde er hier von →Hans Peter Ipsen (1907–1998) mit einer Dissertation über das Verhältnis von Landesverfassungen und Grundgesetz zum Dr. iur. promoviert, 1953 legte er das 2. jur. Staatsexamen ab. Seit seinem Studium SPD-Mitglied, war Z., u. a. mit →Helmut Schmidt (1918–2015), 1946 Mitgründer und erster Bundessekretär des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS). 1953 trat er in den Hamburger Justizdienst ein, zunächst als Gerichtsassessor, dann als Amtsgerichts- und Landgerichtsrat. 1955–58 war Z. wissenschaftlicher Hilfsarbeiter bei der ersten Richterin des Bundesverfassungsgerichts, →Erna Scheffler (1893–1983), wo er u. a. an dem Beschluß zum Ehegattensplitting mitarbeitete (1957, BVerfGE 6, 55). 1959/60 war Z. als Research Fellow an der Harvard Law School. 1961 wechselte er als Verwaltungsgerichtsrat an das Verwaltungsgericht Hamburg und wurde 1965 in das Organisationsamt und als Leiter des Planungsstabs in der Hamburger Senatskanzlei abgeordnet. 1967 wurde Z. als Richter in den Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts gewählt, wo er u. a. an der sog. Blinkfüer-Entscheidung zum Schutz von Kleinverlagen gegen Boykottaufrufe eines Zeitungsgroßkonzerns (1969, BVerfGE 25, 256) beteiligt war. 1970 wechselte er als Präsident an das Bundesverwaltungsgericht nach Berlin. Unter seinem Vorsitz wurde u. a. die Lehre vom Beurteilungsspielraum am Beispiel der Einschätzungsprärogative der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften (1971, BVerwGE 39, 197) ausgeformt. 1975 erfolgte seine Rückberufung nach Karlsruhe als Vorsitzender des Zweiten Senats und Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, dessen Präsident er 1983 wurde. Der Zweite Senat fällte unter Z.s Vorsitz wichtige Entscheidungen, wie zur Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung in Wahlkampfzeiten (1977, BVerfGE 44, 125), Grundsatzurteile zur Kriegsdienstverweigerung (1978, BVerf-GE 48, 127; 1985, BVerfGE 69, 1), zur NATO-Nachrüstung (1984, BVerfGE 68, 1) und zur vorzeitigen Auflösung des Bundestags 1982.
Zu letzterem Urteil verfaßte Z. sein einziges Sondervotum (1983, BVerfGE 62, 1, 64–70), worin er die Mehrheitsmeinung, die die Parlamentsauflösung billigte, im Ergebnis mittrug, jedoch den Wandel von Rolle und Funktion des Bundeskanzlers seit 1949 betonte.
Für Aufsehen sorgten Z.s öffentliche Äußerungen zu aktuellen (rechts-)politischen Themen wie zur Bioethik, gegen übergroßen Einfluß kirchlicher Wertvorstellungen im säkularen Verfassungsstaat, gegen einen Primat sozialstaatlicher Besitzstände, zur Überbetonung von Grundrechtsschutz und Gruppeninteressen, zur Freiheitsgefährdung durch Privateigentum, gegen eine Demokratisierung aller Lebensbereiche, zur Übertreibung von Rechtsschutz durch zu viele gerichtliche Instanzen, für eine Wehrpflicht für Frauen oder zum Verhältnis von Politik und Recht im Asylrecht. Insgesamt kam hier wie auch in Z.s wissenschaftlichen Veröffentlichungen ein deutlich etatistischer Grundzug zum Tragen, stets flankiert durch die Betonung der so|zialstaatlichen Dimension von Recht und Verfassungsordnung.
Z., etwa seit 1979 Vorsitzender der Dt.-Brit. Juristenvereinigung sowie Vorsitzender des Kuratoriums des MPI für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg, förderte den internationalen Austausch dt. Juristen, v. a. mit dem anglo-amerik. Rechtskreis. Kurz nach seinem Eintritt in den Ruhestand verunglückte Z. bei einem Bergunfall in Südtirol tödlich.
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Auszeichnungen
A BVK am Bande (1968), Gr.kreuz d. BVK (1987);
Gr. Goldenes Ehrenzeichen am Bande f. Verdienste um d. Rep. Österr. (1987). -
Werke
W Auswirkungen d. westdt. Landesvfgg. auf d. Bonner Grundgesetz, Diss. iur. masch. Hamburg 1951;
Der Rechtsstaat im Spannungsfeld v. Evolution u. Rev., in: Mschr. f. Dt. Recht 24, 1970, S. 713–17;
Richter u. Vfg., in: Die öff. Verw. 24, 1971, S. 6–16;
Gerechtigkeit in d. Ind.ges., ebd. 25, 1972, S. 437–46;
Der Standort d. Verw. in d. Auseinandersetzung um d. Demokratieprinzip, in: Dt. Verw.bl. 88, 1973, S. 719–27;
Ehe u. Fam., in: E. Benda u. a. (Hg.), Hdb. d. Vfg.rechts d. Bundesrep. Dtld., 1983, S. 556–607;
Asylgewährung in Dtld., in: Zs. f. Ausländerrecht u. Ausländerpol. 3, 1983, S. 52–55;
Zeitgeist u. Rechtsprechung, in: W. Z. u. a. (Hg.), FS f. Hans Joachim Faller, 1984, S. 145–64;
Vfg.rechtl. Fragen z. Besteuerung v. Fam.- u. Alterseinkommen, in: Steuer u. Wirtsch. 15, 1985, S. 1–9;
– W-Verz.: W. Fürst u. a. (Hg.), FS f. W. Z., Bd. 2, 1987, S. 1973–89 (P);
– zu Kurt: Vom erziehenden Eros, 1919;
Die Wiederentdeckung d. Grenze, Btrr. z. Formgebung d. werdenden Schule, 1926, Nachdr. mit Kommentar u. pragmat. Bibliogr. v. U. Sandfuchs, 1985. Der Wiederaufbau d. Hamburger Schulwesens n. d. Zus.bruch 1945, 1974 (Ms. Staats- u. Univ.bibl. Hamburg Carl v. Ossietzky);
Die Praxis d. Englischunterr. in d. Volks- u. Mittelschule, Ein Wegweiser zu modernen Arb.formen, 1954;
Plädoyer f. d. Schule, Eine Orientierung f. jedermann, 1962;
Päd. Reiseber. durch acht J.zehnte, 1975 (Erinnerungen). -
Literatur
L W. Fürst u. a., in: dies. (Hg.), FS f. W. Z., Bd. 1, 1987, S. XVI–XIX (P);
A. Jannasch, W. Z., Präs. d. Bundesverw.ger. u. Präs. d. Bundesvfg.ger., in: Jb. d. öff. Rechts 62, 2014, S. 475–84;
– zu Kurt: R. Scharnberg, Die Wiederentdeckung d. Grenze, K. Z. z. 85. Geb.tag, in: Hamburger Lehrerztg. 4, 1974, S. 127–34;
W. Vonarb, K. Z., Ein Leben f. d. Jugend, ebd. 3, 1983, S. 55 f. -
Autor/in
Christian Waldhoff -
Zitierweise
Waldhoff, Christian, "Zeidler, Wolfgang Walter Heinrich" in: Neue Deutsche Biographie 28 (2024), S. 620-621 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/sfz143016.html#ndbcontent