Zeh, Dieter
- Lebensdaten
- 1932 – 2018
- Geburtsort
- Braunschweig
- Sterbeort
- Freudenstadt (Schwarzwald)
- Beruf/Funktion
- theoretischer Physiker
- Konfession
- -
- Namensvarianten
-
- Zeh, Heinz-Dieter
- Zeh, Dieter
- Zeh, Heinz-Dieter
- Zeh, Diether
- Zeh, Heinz-Diether
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Zeh, HeinzDieter
| Theoretischer Physiker, * 8.5.1932 Braunschweig, † 15.4.2018 Freudenstadt (Schwarzwald), ⚰ Neckargemünd-Waldhilsbach.
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Genealogie
V →Otto (1895–1969), Konditormeister;
M →Irmgard Stöckner (1902–1983), Geschäftsfrau;
⚭ 1974 →Sigrid Besch (* 1941), Fachlehrerin;
kinderlos. -
Biographie
Nach einer Konditorlehre und dem Abitur 1954 auf dem zweiten Bildungsweg studierte Z. Physik an der TU Braunschweig und seit 1957 an der Univ. Heidelberg (Dipl. 1960), wo er 1962 bei →Hans Jensen (1907–1973, Nobelpreis f. Physik 1963) unter Mitwirkung von →Hans Jörg Mang (1931–2007) über die Bildung von Alpha-Teilchen in Atomkernen zum Dr. rer. nat. promoviert wurde. Seit 1960 wissenschaftlicher Assistent bei Jensen, folgten Forschungsaufenthalte am California Institute of Technology (1964–65) und an der University of California in San Diego (1965–1966). Danach arbeitete er wieder als wissenschaftlicher Assistent am Institut für Theoretische Physik und Mechanik an der Univ. Heidelberg und habilitierte sich hier 1966 für Theoretische Physik. 1972 zum apl. Professor ernannt, erhielt er kurz darauf eine Professur für Theoretische Physik (em. 1989). Zu Z.s Schülern zählen →Erich Joos (* 1955) und →Claus Kiefer (* 1958).
Z.s wichtigste wissenschaftliche Leistung ist die Entdeckung des physikalischen Prozesses der Dekohärenz Ende der 1960er Jahre (On the Interpretation of Measurement in Quantum Theory, in: Foundations of Physics 1, 1970, S. 69–76). Unter Dekohärenz versteht man die Entstehung klassischer Eigenschaften für ein Quantensystem aus der unvermeidbaren und irreversiblen Wechselwirkung dieses Systems mit den Freiheitsgraden seiner Umgebung. Der Begriff Dekohärenz für den von Z. entdeckten Prozeß wurde erst um 1988 geprägt; Z. selbst benutzte den Ausdruck „kontinuierliche Messung“. Mit Hilfe der Dekohärenz war es erstmals möglich zu verstehen, warum makroskopische Überlagerungen von Quantenzuständen (wie „Schrödingers Katze“) unbeobachtbar sind. Die ersten Berechnungen für Dekohärenz in realistischen Situationen (etwa bei der Streuung eines Staubteilchens durch thermische Strahlung) publizierte Z. mit Joos in der Arbeit „The Emergence of Classical Properties Through Interaction with the Environment“ (Zs. f. Physik B 59, 1985, S. 223–43). Sie wurden rund 20 Jahre später in Experimenten mit massiven Molekülen an der Univ. Wien bestätigt. Heute spielt Dekohärenz eine wichtige Rolle in vielen Bereichen der Quantenphysik, nicht zuletzt auf dem Gebiet der Quanteninformation.
Im Zusammenhang mit seinen Überlegungen zur Interpretation der Quantentheorie entdeckte Z. die sog. Everett-Interpretation, ohne zu wissen, daß →Hugh Everett diese bereits 1957 vorgestellt hatte. Kernbestandteil dieser Interpretation ist die universelle Gültigkeit der Schrödinger-Gleichung, was dazu führt, daß alle Überlagerungen von Zuständen, auch makroskopische, real sind. Z. erkannte, daß diese Interpretation nur unter Einbeziehung der Dekohärenz konsistent ist, und daß umgekehrt die Dekohärenz dort ihren natürlichen Platz findet. Der Prozeß der Dekohärenz ist heute sowohl theoretisch als auch experimentell etabliert.
Z. befaßte sich auch intensiv mit dem Ursprung der Zeitrichtung im Universum, also mit der Frage, wie der Unterschied von Vergangenheit und Zukunft aus den fundamentalen Gleichungen der Physik folgt, die diesen Unterschied nicht kennen. Seine Monographie zu diesem Thema, „The Physical Basis of the Direction of Time“ (1989, ⁵2007), gilt als Standardwerk.
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Werke
Weitere W Toward a Quantum Theory of Observation, in: Foundations of Physics 3, 1973, S. 109–16;
Emergence of Classical Time from a Universal Wave Function, in: Physics Letters A 116, 1986, S. 9–12;
Decoherence and the Appearance of a Classical World in Quantum Theory, ²2003 (mit E. Joos, C. Kiefer, D. Giulini, J. Kupsch u. I.-O. Stamatescu);
Entropie, 2005;
Physik ohne Realität, Tiefsinn oder Wahnsinn?, 2012. -
Literatur
|K. Camilleri, A Hist. of Entanglement, Decoherence and the Interpretation Problem, in: Studies in the Hist. and Philosophy of Modern Physics 40, 2009, S. 290–302;
A. Becker, What is Real? The Unfinished Quest for the Meaning of Quantum Physics, 2018;
C. Kiefer, in: Internat. Journ. of Quantum Foundations 5, 2019, S. 11–15;
H. Päs, Der Alte Mann u. d. Multiversum, e. Nachruf auf H. D. Z., in: Spektrum.de SciLogs, 16.5.2018 (Internet);
Drüll, Heidelberger Gel.lex. IV;
Kürschner, Gel.-Kal.;
– Qu Archiv d. Univ. Heidelberg (P). -
Autor/in
Claus Kiefer -
Zitierweise
Kiefer, Claus, "Zeh, HeinzDieter" in: Neue Deutsche Biographie 28 (2024), S. 617-618 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/sfz143014.html#ndbcontent