Wischnewski, Hans-Jürgen
- Lebensdaten
- 1922 – 2005
- Geburtsort
- Allenstein (Ostpreußen)
- Sterbeort
- Köln
- Beruf/Funktion
- Politiker
- Konfession
- evangelisch
- Namensvarianten
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- Wischnewski, Hans-Jürgen
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Wischnewski, Hans-Jürgen
| Politiker, * 24.7.1922 Allenstein (Ostpreußen), † 24.2.2005 Köln, ⚰ Köln, Melatenfriedhof. (evangelisch)
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Genealogie
V →Emil (1891–1956), aus Grünfließ (Ostpreußen), Bergmann in Gelsenkirchen, dann Zollbeamter, seit 1927 in Berlin-Köpenick, zuletzt Zollinsp.;
M →Margarete Tomuschat (1890–1979, s. W);
1 Schw ;
– ⚭ 1) 1946 ⚮ 1955 Ottilie Nirschl (1924–1999), 2) 1955 ⚮ 1978 Irene Möbius (1916–1991), zuletzt in Erftstadt, 3) 1978 →Katharina (Gika) Dekiff, geb. Clemen (1914–2000), Lederfabr. in K., v. Wolfgang Loesche porträtiert, ⚯ Gundis (eigtl. Margarete-Kunigunde) Bleidt-Joosten;
3 T aus 1) (1 früh †) Elke Scholz (1948–1999), Karin Hermann (* 1949), Eveline (Evelyn, Evi) Markstein (1951–2013). -
Biographie
W. zog 1927 mit seiner Familie von Ostpreußen nach Berlin, wo er nach eigener Aussage in einem „ausgeprägt preußischen, sehr protestantischen und antinazistischen Elternhaus“ aufwuchs. Nach dem Abitur am Theodor-Körner-Realgymnasium in Köpenick 1941 wurde er zum Reichsarbeitsdienst und 1942 zur Wehrmacht eingezogen. W. diente als Panzergrenadier an der Ostfront, zuletzt im Rang eines Oberleutnants, und geriet in Österreich 1945 kurzzeitig in US-amerik. Kriegsgefangenschaft, aus der er nach Bayern entlassen wurde. Nachdem er den Winter 1945/46 bei seinen Eltern im sowjet. Sektor Berlins verbracht hatte, kehrte er nach Niederbayern zurück, wo er sich 1946 in Straubing der IG Metall und der SPD anschloß.
Ein in München geplantes Studium der Germanistik und Literaturgeschichte schlug W., zunächst als Metallarbeiter tätig, zugunsten einer Laufbahn als Funktionär bei der IG Metall aus, die ihn für ein Jahr zur Ausbildung nach Köln schickte, wo er fortan lebte. Hier fungierte W. bis 1959 als Gewerkschaftssekretär der IG Metall und engagierte sich in der Sozialdemokratie. 1957–68 war er Vorsitzender des SPD-Unterbezirks Köln und wurde 1957 erstmals in den Bundestag gewählt, 1965–90 stets als direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises Köln I. 1961–65 gehörte er zusätzlich dem Europ. Parlament an.
W. hatte wichtige Parteiämter inne: 1959–61 war er der erste gewählte Vorsitzende der Jungsozialisten (bis dato Ernennung durch d. SPD-Parteivorstand), 1968–72 Bundesgeschäftsführer der SPD; er organisierte den erfolgreichen Bundestagswahlkampf 1969, in dessen Folge die SPD mit →Willy Brandt (1913–1992) erstmals den Bundeskanzler stellte. 1970–85 gehörte er dem Bundesvorstand der SPD bzw. deren Parteipräsidium an. 1979–82 hatte er als stellv. SPD-Vorsitzender sein höchstes Parteiamt inne. Das Amt des Schatzmeisters (1984/85) legte er nach Querelen mit dem SPD-Fraktionsvorsitzenden →Hans-Jochen Vogel (1926–2020) nieder.
Seit den 1950er Jahren interessierte sich W. für die Beziehungen zur „Dritten Welt“, insbesondere zum arab. Raum und zu Lateinamerika. Sein Eintreten für Algerien im Unabhängigkeitskrieg gegen Frankreich ab 1954 trug ihm den Beinamen „Ben Wisch“ ein, seine Vermittlungstätigkeit in Mittelamerika 1983 die Bezeichnung „Comandante Hans“. 1966–68 Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit im Kabinett der Großen Koalition, wurde er 1974 von Bundeskanzler →Helmut Schmidt (1918–2015) zum Staatsminister im Auswärtigen Amt berufen; in dieser Funktion besuchte W. mehrfach Chile, um die Freilassung und Ausreise von politischen|Häftlingen und Botschaftsflüchtlingen nach dem Putsch von →General Pinochet zu erreichen. 1976 wechselte er als Staatsminister in das Bundeskanzleramt (bis 1979 u. erneut April–Okt. 1982).
Während der Entführung des Arbeitgeberpräsidenten →Hanns Martin Schleyer (1915–1977) reiste W. im Sept. 1977 nach Algerien, Libyen, Südjemen, Vietnam und in den Irak, wohin die in Deutschland inhaftierten RAF-Terroristen ausgeflogen werden wollten. In der somal. Hauptstadt Mogadischu erhielt er nach Verhandlungen mit Staatspräsident Siad Barre die Erlaubnis, die von palästinens. Terroristen zur Unterstützung der RAF gekaperte Lufthansa-Maschine Landshut von der dt. Spezialeinheit GSG 9 unter der Leitung von →Ulrich Wegener (1929–2017) stürmen zu lassen. Die erfolgreiche Befreiungsaktion am 18.10.1977 trug W. weltweite Anerkennung ein, in der Bundesrepublik Deutschland war er fortan einer der populärsten dt. Politiker („Held v. Mogadischu“). Nach dem Ende der sozialliberalen Koalition 1982 blieb W. auf dem Kölner Parteitag der SPD 1983 als einer von nur 14 Delegierten der Nachrüstungsstrategie (NATO-Doppelbeschluß) des mit ihm eng befreundeten Helmut Schmidt treu. Auch von Bundeskanzler →Helmut Kohl (1930–2017) wurde er mit schwierigen Missionen zur Freilassung entführter dt. Staatsbürger, etwa in Nicaragua, dem Iran, Libanon oder Irak betraut. Er vermittelte zwischen den politischen Lagern in El Salvador und Nicaragua und stellte Kontakte zwischen der israel. Regierung und der PLO her. Jahrzehntelang trat er für das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser ein.
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Auszeichnungen
|Gr. BVK mit Stern (1969), mit Stern u. Schulterband (1977);
Großkreuz d. portugies. Orden d. Infanten Dom Henrique (1978);
Großkreuz d. Verdienstordens d. ital. Rep. (1979);
Verdienstorden d. Landes NRW (1992);
Ehrenbürger d. Stadt Bethlehem (1999);
H.-J.-W.-Parteizentrale d. Kölner SPD (2008). -
Werke
|Nord-Süd-Konflikt, Btrr. z. Entwicklungspol., 1968;
SPD, CDU, CSU, Ein synopt. Vgl. d. programmat. Erklärungen d. drei Parteien, 1969 (Hg.);
Mit Leidenschaft u. Augenmaß, In Mogadischu u. anderswo, Pol. Memoiren, 1989;
150 J. Dtld. auf Briefmarken, Mein Land, unsere Gesch., 1998;
zahlr. Aufss. u. Vorworte zu Publl. über d. Dritte Welt;
– zur Fam.: Die Sparsame, in: Meine Mutter, Ein dt. Lesebuch, hg. v. W. Filmer u. H. Schwan, 1989. -
Quellen
Qu Nachlaß: Archiv d. soz. Demokratie d. Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn.
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Literatur
|Helmut Schmidt, Ein guter Freund, in: Die Zeit v. 3.3.2005, Nr. 10;
D. Fricke, in: W. Gieler (Hg.), Dt. Entwicklungsmin. v. 1961–2008, 2008, S. 33–39;
M. Bohnet, Gesch. d. dt. Entwicklungspol., ²2019;
Wi. 1958;
Munzinger;
Altpreuß. Biogr. V/3;
Kanzler u. Min. I.;
– R. Forsbach, in: Rhein. Gesch. -
Porträts
|Photogrr. (BA, Bilddatenbank).
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Autor/in
Bernd Braun -
Zitierweise
Braun, Bernd, "Wischnewski, Hans-Jürgen" in: Neue Deutsche Biographie 28 (2024), S. 294-295 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/sfz142907.html#ndbcontent