Winand von Steeg

Lebensdaten
1371 – 1453
Geburtsort
Steeg bei Bacharach
Sterbeort
Koblenz
Beruf/Funktion
Gelehrter ; Jurist ; Kleriker ; Künstler ; Frühhumanist ; Priester ; Generalvikar in Würzburg
Konfession
katholisch
Namensvarianten

  • Winandus de Stega
  • Winand von Bacherach
  • Winand von Steeg
  • Winandus de Stega
  • Winand von Bacherach

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Zitierweise

Winand von Steeg, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/sfz142885.html [19.12.2025].

CC0

  • Winand (Ort) von Steeg (Winandus de Stega, Winand von Bacherach)

    | Gelehrter, Jurist, Kleriker, Künstler, Frühhumanist, Pfarrer in Bacharach/Rhein, Generalvikar in Würzburg, * 1.5.1371 Steeg bei Bacharach, † 19. 1. oder 9.7.1453 Koblenz, Kartause Beatusberg bei Koblenz (nach 1802 überbaut).

  • Genealogie

    Aus in S. ansässiger Bürgerfam. Ort;
    Eltern unbek.;
    Gvv Ortt Keyser, erw. 1426/28 in S., mit weiteren Verwandten e. Zeuge, d. z. Heiligsprechung Werners v. Bacharach befragt wurde.

  • Biographie

    In Rom erhielt W. 1392 eine päpstl. Exspektanz auf ein Benefizium des Klosters Klarenthal, wodurch er die Pfarrei Weisel (b. Kaub) erlangte. 1394 immatrikulierte er sich an der Univ. Heidelberg, wo er 1396 zum Baccalaureus artium und 1401 zum Baccalaureus iurium promoviert wurde. Der Würzburger Bf. Johann v. Egloffstein ( 1411) berief ihn 1403 an das dortige Studium generale, wo W. Lizentiat und Doktorat erwarb und bis 1411 Kirchenrecht lehrte. W. wurde 1405 Kanoniker im Würzburger Stift Haug, war dort 1420–23 auch Scholaster und diente dem Bischof 1409 /10 als Generalvikar. 1413–22 war er als Ratskonsulent und Konsulent am Stadtgericht für die Reichsstadt Nürnberg tätig und nahm zeitweilig am Konstanzer Konzil teil.

    Durch den Passauer Bf. Georg v. Hohenlohe ( 1423) kam W. an den Hof Kg. Sigismunds (1368–1437) und nahm 1419 an dessen Ungarnzug teil. Die Nürnberger Stellung konnte W. spätestens 1422 aufgeben, weil er durch päpstl. Provision ein Kanonikat im Kölner Stift St. Andreas erlangt hatte, dem die Pfarrei in seinem Heimatort Bacharach inkorporiert war. Als Pfarrer dieser Großpfarrei wurde W. am 16.7.1421 vereidigt. Ein Ziel W.s war die Kanonisation des Werner von Oberwesel ( 1287), ein vermeintliches Opfer eines jüd. Ritualmords. Die Heiligsprechung erfolgte zwar nicht, aber W. konnte die Wernerkapelle vollenden. Nach Resignation der Pfarrei wurde W. 1431 Kanoniker im Stift St. Kastor in Koblenz, wo er 1438/39–1447 als Dekan amtierte. W. ist am 19. Jan. oder 9. Juli 1453 in Koblenz gestorben und wurde in der dortigen Kartause beigesetzt, der er auch einen Teil seiner Werke vermachte.

    W.s theologische und kanonistische Schriften sind durch Werkverzeichnisse im „Adamas“ und im „Mons quattuor“ bekannt, aber nur teilweise erhalten. Auch Dichtungen (carmina) sind nachweisbar. W. stattete einige Werke mit eigenhändigen Bildern aus und betätigte sich in Steeg und Oberdiebach, Filialkirchen der Pfarrei Bacharach, als Maler (u. a. eine Weltgerichtsdarstellung in Steeg).

    Sein „Lapis angularis“ (1414/43) ist eine Sammlung von Musterpredigten. Den „Mons quattuor fluvialium arborum“, eine eherechtliche Abhandlung über die Verwandtschaftsgrade (1417), illustrierte W. eigenhändig. Thema des „Adamas colluctantium aquilarum“ ist der Kampf der streitenden Kirche Christi mit der widerstreitenden des Teufels, wobei es um Konzilsfragen wie Union mit der Ostkirche, Bekämpfung der Hussiten und Reform von Kirche und Klerus geht (vollendet 1417). Der „Prologus in Hebreorum veteris testamenti libros ab eis in canone receptos“, der W. als frühen dt. Hebraisten ausweist, will zeigen, wie das Geheimnis der Menschwerdung Christi schon in den Schriften des Alten Testaments geoffenbart wurde. Der zweite Hauptteil bietet einen Kommentar zu den fünf Büchern Mose (1441). Von den Heidelberger Vorlesungen ist nichts, von den Würzburger Vorlesungen wohl nur die über den „Liber sextus“ erhalten. Bemerkenswert sind zwei akademische Festansprachen, wohl die ältesten ihrer Art in Deutschland. Über die Frage, ob die Weinerträge der Pfarrei Bacharach, die W. nach Köln verkaufte, dem|kurpfälz. Zoll unterlagen, holte er von 69 Gelehrten Rechtsgutachten ein, stellte diese 1426 in einer Handschrift zusammen und versah sie mit Porträts der Gutachter. Eine weitere Bacharacher Handschrift sammelt Material für das Kanonisationsverfahren Werners von Oberwesel, darunter ein von W. verfaßtes „Officium novum sancti Werneri“.

    Verlorene Schriften sind aus Erwähnungen in W.s Werken zu erschließen: Eine Schrift „Paries septenariorum“ behandelte die Siebenzahl, etwa das Siebentagewerk der Schöpfung, die sieben Sakramente, die sieben Seligpreisungen usw. (vollendet 1411–14) und existierte in zwei Handschriften. Ein mit Bildern ausgeschmücktes Gedicht „Lapis de monte precisus“ handelte „von der Ewigkeit und Zeitlichkeit und Christi letztem Gericht“ und war 1441 noch nicht vollendet. Die Schrift „Petra fidei christiane religionis“ (vor 1417) behandelte die drei Alphabete (hebr., griech., lat.), das Vaterunser, das „Ave Maria“ und das Apostolische Glaubensbekenntnis (vor 1417). Das „Asilum de civitate dei super Augustinum“ enthielt wohl Anmerkungen zum 7. Buch des Gottesstaates, in dem Augustinus die römische Götterwelt beschreibt.

    Hinter dem „Septuagesimale“ (1447) verbirgt sich wohl ein Predigtbuch für die Zeit vom Sonntag Septuagesima bis Ostern. Das „Commune sanctorum“ enthielt wohl die Meßund Stundengebetsformulare für die Heiligenfeste. Der „Splendor spiritus“ (erw. 1441) enthielt Auszüge aus dem anonymen „Lumen anime“ des 14. Jh. und bot Sentenzen für den Prediger.

    Der Weltgeistliche und Prediger W. war ein vielseitig gebildeter Gelehrter und praktisch tätiger Jurist, produktiver Schriftsteller und Künstler, dessen Werke Denkart und Existenz eines Geistlichen und Gelehrten im Zeitalter des Großen Abendländischen Schismas und des Konziliarismus beleuchten.

  • Quellen

    Qu AASS, Aprilis tomus 2, 19. Aprilis, Antwerpen 1675, S. 697–740; Ed. nova, Paris 1866, S. 695–738 (unvollst.); – Hss.: Lapis angularis, T. I: „de tempore“, 2 Bücher, 1414, T. II „de sanctis“, 4 Bücher, davon 1. u. 3. verloren, 1443, Kassel, Hess. Landesbibl., Ms. theol. fol. 18 u. fol. 20, Würzburg, Univ. bibl., M. ch. f. 62, 287r–297v, Koblenz, Landeshauptarchiv, Bestand 701, Nr. 221 (Autograph) u. Nr. 178 (Autograph); Mons quattuor fluvialium arborum, 1417, Bibl. Apostolica Vaticana, Pal. lat. 411; Adamas colluctantium aquilarum, 1417, ebd., Pal. lat. 412; Prologus in Hebreorum veteris testamenti libros ab eis in canone receptos, 1441, Koblenz, Landeshauptarchiv, Bestand 701, Nr 187 (Autograph); akad. Festansprachen: Würzburg, Univ. bibl., M. ch. f. 62, 278r–279v u. 280r–281v; Rechtsgutachten z. Bacheracher Zoll: München, Bayer. Geh. Hausarchiv, Hs. 12; Officium novum sancti Werneri, wohl vor 1428/29, Bibl. Apostolica Vaticana, Pal. lat. 858; Stadtbibl. Trier, Hs. 1139.

  • Literatur

    |A. Schmidt u. H. Heimpel, W. v. S. (1371–1493), e. mittelrhein. Gel. u. Künstler, u. d. Bilderhs. über Zollfreiheit d. Bacheracher Pfarrweins auf d. Rhein aus d. J. 1426 (Hs. 12 d. Bayer. Geh. Hausarchivs zu München, Abhh. d. Bayer. Ak. d. Wiss., phil.-hist. Kl. NF 81, 1977;
    H. Heimpel, Die Vener v. Gmünd u. Straßburg, 1982, Bd. 1, S. 406–19 u. ö.;
    B. Obrist, Das ill. „Adamas colluctancium aquilarum“ (1418–1419) v. W. v. S. als Zeitdokument, in: Zs. f. schweizer. Archäol. u. Kunstgesch. 40, H. 2, 1983, S. 136–43 (P);
    O. Meyer, Die Univ. v. Würzburg v. 1402 u. ihr Prof. W. v. S., in: ders., Varia Franconiae Historica III, 1986, S. 1115–27;
    B. Brauksiepe, Künstlerlex., 250 Maler in Rheinland-Pfalz 1450–1950, 1986;
    A. Graf, W. v. S., Adamas colluctancium aquilarum, Ein Aufruf z. Kreuzzug gegen d. Hussiten, in: Umění, časopis Ústavu dějin umění Akademie věd C ̌ eské republiky 40, H. 4–5, 1992, S. 344–51;
    dies., Hildegard v. Bingen b. W. v. S., Adamas colluctancium aquilarum (Vat. Pal. Lat. 412), Ecclesia u. Synagoge, in: Palatina-Studien, 13 Arbb. zu Codices Vaticani Palatini latini u. anderen Hss. aus d. alten Heidelberger Slg, hg. v. W. Berschin, 1997, S. 61–83;
    W. Schouwink, Die Offiziendichtungen W.s v. S. in Vat. Pal. Lat. 411, 412, 858 u. Trier, Stadtbibl., 1139/65, ebd., S. 237–86;
    E. Bünz, in: Rhein. Lb. 15, 1995, S. 43–65 (L, P), erweitert in: ders., Die ma. Pfarrei, Ausgew. Studien z. 13.–16. Jh., 2017, S. 694–719 (L, P);
    ders., Stift Haug in Würzburg, Unterss. z. Gesch. e. fränk. Kollegiatstiftes im MA, 1998, S. 635–39;
    T. Daniels, Der Streit um d. Zollfreiheit d. Bacharacher Pfarrweins auf d. Rhein, Neue Rechtsgutachten z. Bilderhs. W. v. S.s, in: Bll. f. dt. Landesgesch.150, 2014, S. 325–56;
    R. Ch. Schwinges, Doctores so in den püchern lesen, Lebenswege dt. Gelehrter d. 15. bis 16. Jh. u. d. Repert. Academicum Germanicum (RAG), in: Hist. Komm. b. d. Bayer. Ak. d. Wiss., J.ber. 2016, 2017, S. 31–52, bes. S. 34–36 (P);
    Th. Haye, Verlorenes MA, Ursachen u. Muster d. Nichtüberlfg. mittellat. Lit., 2016, S. 615–22;
    BBKL VI (L);
    LThK³;
    Vf.-Lex. MA²X, Sp. 1182–89;
    LGB²;
    Repert. Academicum Germanicum;
    Th. Schlauwitz, Repert. Academicum Norimbergense, 2023, S. 330 f., 856 u. 858;
    Internet: K. Graf, Vaticana-Hss. W.s v. S. online, in: Archivalia v. 24.3.2013.

  • Porträts

    |Selbstporträts, Zeichnungen in d. Hs. mit Rechtsgutachten über d. Zollfreiheit d. Weintransports auf d. Rhein, 1426 (Bayer. HStA München, Geh. Hausarchiv, Hs. 12 fol. 2r, 8v u. 15v), Abb. in: Schmidt u. Heimpel, 1977 (s. L), Tafel I u. VIII, sowie Bünz, 1995 (s. L), n. S. 48 u. ders., 2017 (s. L), S. 785;
    Schwinges, 2017 (s. L), S. 30;
    Widmungsbild in: Bibl. Apostolica Vaticana, Hs. palat. lat. 412, fol 1r, Abb. in Obrist, 1983 (s. L), S. 136, u Bünz, 1998 (s. L), Bd. 2, n. S. 1038, Abb. 2.

  • Autor/in

    Enno Bünz
  • Zitierweise

    Bünz, Enno, "Winand (Ort) von Steeg (Winandus de Stega, Winand von Bacherach)" in: Neue Deutsche Biographie 28 (2024), S. 214-215 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/sfz142885.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA