Wimschneider, Anna (verheiratete)
- Lebensdaten
- 1919 – 1993
- Sterbeort
- Pfarrkirchen (Landkreis Rottal-Inn)
- Beruf/Funktion
- Schriftstellerin ; Bäuerin
- Konfession
- katholisch
- Namensvarianten
-
- Traunspurger, Anna (geborene)
- Wimschneider, Anna (verheiratete)
- wimschneider, anna
- Traunspurger, Anna (geborene)
- traunspurger, anna
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Wimschneider, Anna, geborene Traunspurger
| Schriftstellerin, Bäuerin, * 16.6.1919 Weng (Gemeinde Neuhofen, seit 1971 Gemeinde Postmünster, Landkreis Rottal-Inn), † 1.1.1993 Pfarrkirchen (Landkreis Rottal-Inn), ⚰ München, Neuer Südfriedhof. (katholisch)
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Genealogie
V →Franz Xaver Traunspurger (1874–1949), Bauer in W.;
M Franziska Huber (1889–1927);
7 B →Franz (1914–86), Polizeiobermeister in Massing, Haarbach u. Arnstorf, →Michael (1916–2003), Bauer in Kräuterl (Gde. Postmünster), Johann (1917–45 ⚔), Bauer in Kräuterl (Gde. Postmünster), →Alfons (1922–1999), Bauer in Gerbersdorf (Gde. Johanniskirchen), →Josef (1923–2002), Bauer in d. Gde. Postmünster, Georg (1925–1947), Bauer in W., →Ludwig (1927–95), Tief- u. Straßenbauer in Vaihingen u. Stuttgart, 1 Schw →Theresia Schmalzgruber (1921–1985), Bäuerin in W.;
– ⚭ Pfarrkirchen 1939 →Albert (1916–2005), Bauer in Schwarzenstein b. Pfarrkirchen, Autor, S d. →Andreas Wimschneider (1852–1926), Braumeister in Deutenkofen (Lkr. Landshut), u. d. →Martina Wieser (1873–1966), Köchin;
3 T →Carola (* 1941), Krankenpflegerin, Lehrerin f. Krankenpflege in M., →Christine (* 1949, ⚭ →Dieter Hermann, 1925–2009, Dr. med., Augenarzt in M.), Kauffrau in M., →Monika (* 1952, ⚭ Winfried Karl Effenberger), Justizbeamtin in Passau u. M.;
Schwager →Friedrich W. (1912–44), Photogr. in Neuötting, Schwägerin→ Martina W.-Erhardt (* 1913), in Burghausen, Autorin;
E →Gabriele W. (* 1967), Beamtin in M. -
Biographie
W. wuchs auf dem väterlichen Hof in Weng auf. Nach dem Tod der Mutter mußte sie Aufgaben im Haushalt übernehmen und besuchte nur fünfeinhalb Jahre die Schule. 1939 heiratete sie und zog nach Schwarzenstein bei Pfarrkirchen (Lkr. Rottal-Inn) auf den Hof ihres →Mannes, der noch im selben Jahr zum Kriegsdienst eingezogen wurde. W. übernahm bis Kriegsende die Arbeiten in Haus und Hof und kümmerte sich um die Familie ihres Mannes. Obwohl sie dem NS-Regime mit Widerwillen begegnete, standen politische Fragen in dem von Arbeit geprägten Leben nicht im Vordergrund. Nach 1945 besserten sich die Lebensverhältnisse der Familie W.s deutlich.
Einem breiten Lesepublikum bekannt wurde W. durch ihr Buch „Herbstmilch, Lebenserinnerungen einer Bäuerin“ (1984, Großdruckausg. mit 50 Photogrr. 1989, P), das sie seit 1981 als Heft mit Erinnerungen für die eigenen Kinder verfaßt hatte. Das Manuskript gelangte an den Piper-Verlag, wo es →Katharina (Katrin) Meschkowski geringfügig bearbeitete. Der umfangreichste Teil des Buchs behandelt die Zeit bis zum Einsetzen des Gedächtnisses der jüngsten →Tochter (* 1952). Die Zeit danach bis zu W.s erster schwerer Erkrankung Anfang der 1970er Jahre wird äußerst gerafft dargestellt. Hervorgehoben werden Aspekte ländlichen Lebens: die Hofarbeit, die Gestaltung sozialer Beziehungen in Familie und Dorf, Handlungsräume von Frauen, Spiel- und Festkultur, Glaube und Aberglaube, Armut und die Härten ihres Lebens.
Charakteristisch für „Herbstmilch“ ist die Form mündlichen Erzählens. W. bediente sich nicht der narrativen Muster einer Autobiographie, sondern verstand ihr Schreiben als Beitrag zum Familiengedächtnis. Zum Zeitpunkt des Erscheinens traf das Buch auf ein verstärktes Interesse an autobiographischen Texten, v. a. von Frauen. Literatur-, Kulturund Geschichtswissenschaften erhofften sich von solchen Texten genauere Auskünfte über die Sozialgeschichte des Alltagslebens.
W.s Erinnerungen blieben in der Familie nicht unwidersprochen: W.s Schwägerin →Martina Wimschneider-Erhardt nahm an der Darstellung, insbesondere ihrer Mutter, Anstoß (Aus d. Nest vertrieben, 1990, ²1991). Mit der Veröffentlichung weiterer literarischer Texte aus der Familie zeigte sie, daß in dieser die schriftliche Form der Selbstverständigung nicht unüblich war. W.s Ehemann Albert schilderte nach ihrem Tod in einer eigenen Publikation das dörfliche Leben (Heimweg, Meine Erinnerungen, 1995). Solche Einsprüche und Ergänzungen verdeutlichten den erfahrungsgeschichtlichen Gehalt von „Herbstmilch“.
Der vielfach aufgelegte, in mehr als 2 Mio. Exemplaren verkaufte und in mehrere Sprachen übersetzte Band verdankte seinen Erfolg nicht zuletzt der Schilderung der in Vergessenheit geratenen entbehrungsreichen Lebensumstände, die für die jüngere Generation einen Zugang zur Geschichte der Eltern- oder Großelterngeneration ermöglichte. Als Erinnerungsbuch ist „Herbstmilch“ in das kollektive Gedächtnis eingegangen. Zur Popularität trugen mehrere Bühnenbearbeitungen und besonders der gleichnamige Spielfilm →Joseph Vilsmaiers (1939–2020, Kamera u. Regie; Hauptrollen →Dana Vávrová, 1967–2009, u. →Werner Stocker, 1955–93) bei, der 1989 – mit Albert und W. in Nebenrollen – in die dt. Kinos kam.
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Auszeichnungen
|BVK (1990);
Bayer. Poetentaler d. Münchner Turmschreiber (1990). -
Werke
Weitere W „Ich bin halt eine vom alten Schlag“, Geschichten v. bäuerl. Leben einst u. jetzt, Zus.gestellt v. K. Meschkowski unter Mitarb. v. Albert Wimschneider, mit 31 Farb- u. 61 Schwarzweißphotogrr. v. B. Böhmer, 1991 (P);
Gespräch mit A. W.,|in: M. Curtius, Autorengespräche, 1991, S. 29–41;
– Nachlaß: Bayer. Staatsbibl. München (P). -
Literatur
|R. Fribolin, Franz Innerhofer u. Josef Winkler, Die moderne bäuerl. Kindheitsautobiographik vor d. Hintergrund ihrer Tradition v. 16. bis z. 20. Jh., 1989, S. 102–04;
E. Riss, A. W. „Herbstmilch“, Die „Lebenserinnerungen e. Bäuerin“ als Bsp. f. d. Prozeß d. Literarisierung, in: Der Deutschunterr. 42, 1990, H. 4, S. 70–76;
J. Vilsmaier, Die Verfilmung d. Lebens d. A. W., Eine Dok. über d. Film „Herbstmilch“, 1990;
H. Schlösser, Dichtung oder Wahrheit?, Lit.theoret. Probleme mit d. Autobiogr., in: K. Amann u. K. Wagner (Hg.), Autobiogrr. in d. österr. Lit., 1998, S. 11–26;
E. Probst, Superfrauen 8, Lit., 2001, S. 169–75;
A. Schweiggert, A. W. (16.6.1919–1.1.1993) Lebenserinnerungen e. Bäuerin, in: ders. u. H. S. Macher (Hg.), Autoren u. Autorinnen in Bayern, 20. Jh., 2004, S. 225 f.;
A. Scheib, „Ein Gewächs vom starken Stamme“, A. W. u. d. Steinerhof, in: dies., Jeder Mensch ist e. Kunstwerk, Begegnungen, 2006, S. 278–98;
Ch. Pinzl, Eine Bäuerin wie im Buch, A. W.s „Herbstmilch“, in: R. Jakob (Hg.), Frauen schreiben, G‘ schichten vom Land, 2008, S. 211–21;
ders., Herbstmilch, in: Hist. Lex. Bayerns (Internet);
S. Unterpertinger, „Doch ist nicht alles Erinnerung, was ich schreibe?“, Erinnern u. Bewahren in d. populären Autobiogrr. v. Maria Gremel, Barbara Passrugger u. A. W., 2012;
D. R. Moser (Hg.), Neues Hdb. d. dt.sprachigen Gegenwartslit., 1990;
Kosch, Lit.-Lex.³ (L);
Killy;
Munzinger. -
Porträts
|Photogrr. im Nachlaß (Bayer. Staatsbibl. München).
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Autor/in
Waldemar Fromm -
Zitierweise
Fromm, Waldemar, "Wimschneider, Anna, geborene Traunspurger" in: Neue Deutsche Biographie 28 (2024), S. 213-214 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/sfz142884.html#ndbcontent