Wille, Theodor

Lebensdaten
1818 – 1892
Geburtsort
Kiel
Sterbeort
Hamburg
Beruf/Funktion
Kaufmann
Konfession
andere
Namensvarianten

  • Wille, Theodor

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Zitierweise

Wille, Theodor, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/sfz142876.html [22.12.2025].

CC0

  • Wille, Theodor

    | Kaufmann, * 27.9.1818 Kiel, † 9.1.1892 Hamburg, Kiel, Südfriedhof, Ehrengrab. (evangelisch)

  • Genealogie

    V Anton Heinrich (1785–1860), aus Lüneburg, Getreide- u. Kohlenhändler in K., Mitinh. d. Fa. Friedrich Diederichsen & Wille, d. 1837 in Konkurs ging, russ. Vizekonsul, S d. Christian Wilhelm (1747–1828), Goldschmied in Lüneburg (s. W. Scheffler, Goldschmiede Niedersachsens, 1965, S. 928 f., Nr. 157), u. d. Sophie Margaretha Torno (1754–1833);
    M Margaretha Dorothea (1799–1818), T d. Hinrich Harder (1747–1820), Schiffskpt., Kaufm. u. Reeder in K., u. d. Anna Dorothea Knut (1760–1819);
    Tante-m Elisabeth Christiana Augusta Harder (1785–1836, Friedrich Andreas Diederichsen, 1775–1860, Schiffer u. Kaufm. in K., Mitinh. d. Fa. Friedrich Diederichsen & Wille), übernahm W.s Erziehung;
    – ledig;
    Vt 2. Grades Carl Diederichsen (1843–1900), 1863 Prokurist b. d. Fa. Theodor Wille & Co. in Santos (Brasilien), 1875 Teilh. d. Fa. Theodor Wille in H., Gustav Diederichsen (1852–1924), 1875 Teilh. d. Fa. Wille, Schmilinsky & Cia in Rio de Janeiro u. 1887 d. Fa. Theodor Wille in H., Dr. rer. pol. h. c. (s. NDB III*).

  • Biographie

    W., dessen Mutter kurz nach seiner Geburt starb, wurde von deren ältester Schwester erzogen. Die Familien waren durch die gemeinsame Firma „Friedrich Diederichsen & Wille“ verbunden. Nach Ende der Schulzeit in Kiel siedelte W. 1835 nach Hamburg über, um seine kaufmännischen Kenntnisse bei dem Handelshaus „Koch, Schulz & Ploß“ zu vertiefen.

    Da er im Anschluß keine feste Anstellung fand und die väterliche Firma 1837 in Konkurs ging, zog W. 1838 nach Rio de Janeiro, wo er für mehrere dt. Firmen arbeitete, zunächst bei „A. F. Biesterfeld & Co.“, dann bei „F. R. Lahmeyer“.

    In Brasilien, das v. a. seit dem 1828 abgeschlossenen Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag zu den Zielgebieten der Hamburger und Bremer Kaufmannschaft gehörte, gründete W. 1844 in der bis dahin unbedeutenden Hafenstadt Santos die Firma „Theodor Wille & Co.“. Über Santos konnte der Kaffee-Export aus der Provinz São Paulo beschleunigt und verbilligt werden durch den kürzeren Transportweg gegenüber der bisher üblichen Route über Rio de Janeiro. W. verschiffte als Erster Kaffee von Santos, das sich in der Folge zu einem wichtigen Umschlagplatz entwickelte. Auch W.s Geschäfte expandierten rasch: Er lieferte Kaffee u. a. nach New York, London, Hamburg, Altona, Bremen, Antwerpen, Le Havre, Marseille, Rotterdam, Kopenhagen und Triest. Umgekehrt transportierte W. engl., später dt. Eisen- und Stahlerzeugnisse und Textilien nach Brasilien, ferner Salz, das von Spanien nach Brasilien verschifft wurde. Mitte der 1850er Jahre brachte die Firma auch mehrere hundert dt. Auswanderer nach Brasilien.

    Im Mai 1847 kehrte W. nach Kiel und Hamburg zurück. Ursprünglich dän. Staatsbürger, erwarb er 1854 aus geschäftlichen Gründen das Hamburger Bürgerrecht. Er selbst reiste nicht mehr nach Brasilien, sondern setzte vertraute, z. T. mit ihm verwandte Teilhaber wie Carl und Gustav Diederichsen ein. Zur Verbreiterung des Geschäfts entstand 1852 eine Filiale in São Paulo und 1856 die Firma „Wille, Lübbers & Co.“ als Ex- und Importhaus in Rio de Janeiro, 1862 fortgeführt als „Wille, Schmilinsky & Co.“. W.s Firma war eine Kaufmannsreederei, die über zwei eigene Segelschiffe, dazu in den 1880er Jahren über ein Dampfschiff verfügte, aber auch Schiffe anderer Reeder befrachtete. In der Weltwirtschaftskrise von 1857 war sie zeitweilig zahlungsunfähig, eine öffentliche Mitverwaltung wurde schon Mitte 1858 wieder aufgehoben.

    Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung in Deutschland Ende der 1860er Jahre stieg auch der Bedarf an kapitalkräftigen Banken zur Finanzierung des Außenhandels. W. war 1870 neben anderen Hamburger Kaufleuten und Privatbankiers ein Mitgründer der „Commerzund Disconto-Bank“ in Hamburg (später: Commerzbank). Er zeichnete 5 % vom Aktienkapital und war bis zu seinem Tod Mitglied, seit 1873 stellv. Vorsitzender und 1880 Vorsitzender des Aufsichtsrats.

    Im Nov. 1871 beteiligte sich die Commerzbank federführend an der Umwandlung der „Hamburg-Brazilian Steamship-Company“ in die „Hamburg-Südamerikanische Dampfschifffahrts-Gesellschaft“ (Hamburg-Süd). Zur Prä|senz am Finanzmarkt London errichtete die Commerzbank 1873 die Tochtergesellschaft „London and Hanseatic Bank Ltd.“, die bis zum 1. Weltkrieg tätig blieb; zu den Vertretern der Commerzbank im Board of Directors zählte auch W. Bei seinen Aktivitäten und Investitionen verknüpfte W. die Bereiche Handel, Transport, Finanzierung und Produktion: So hielt er Anteile am Kapital der von der Commerzbank 1883 mitgegründeten „Norddeutschen Zuckerraffinerie“. Um 1866 war er Richter des Handelsgerichts in Hamburg. In der für Hamburg wichtigen Frage des Beitritts zum Zollbereich des Dt. Reichs unterstützte er die Minderheitsposition von 32 Hamburger Kaufleuten für einen Zollanschluß, der trotz erheblichen Widerstands in der Hansestadt etwa ein Jahr später realisiert wurde. Als Konzession erhielt Hamburg den 1888 eröffneten Freihafenbezirk. Um eine Interessenvertretung für den Kaffeehandel zu schaffen, starteten W. und zwölf weitere Unternehmer 1886 einen Aufruf, der im März 1886 zur Gründung des „Vereins der am Caffeehandel betheiligten Firmen zu Hamburg“ führte. Eine der ersten Einrichtungen des „Kaffee-Vereins“ war der Aufbau eines Terminmarktes, so daß sich Hamburg gegen Ende des 19. Jh. zum führenden europ. Umschlagplatz für Kaffee entwickelte.

    W. leitete seine Firmen persönlich bis ins hohe Alter. Da er unverheiratet und ohne Nachkommen war, nahmen die Schlüsselpositionen in seinen Unternehmen vorwiegend Mitglieder aus dem weiteren Familienkreis wie Carl (Teilhaber 1875–1900) und Gustav Diederichsen (Teilhaber 1887–1924) ein. Aus seinem großen Vermögen stiftete W. seiner Heimatstadt etwa zwei Mio. Mark für Bildungszwecke. Mit den Zinsen der W.schen Stiftung, die ihr Kapital in der Hyperinflation 1923 weitgehend verlor, konnten Schulbauten und Unterrichtsmittel finanziert werden, wobei die Univ. Kiel 1894 für eine größere Berücksichtigung gegen die Stadt klagte.

    Unter seinen Nachfolgern, u. a. Carl und Gustav Diederichsen, ab 1924 Heinrich Diederichsen (1865–1942), expandierte das Unternehmen weiter und galt bis zum 2. Weltkrieg als führende dt.-brasilian. Import- und Exportfirma. Hinzu kamen der Besitz an Plantagen, Beteiligungen an Industrieunternehmen in Brasilien und der Vertrieb für dt. Industrieunternehmen. Nach der entschädigungslosen Liquidation der brasilian. Tochtergesellschaften 1943 durch den brasilian. Staat baute die Firma den Lateinamerika-Handel (Kaffee, Nahrungsmittel u. Investitionsgüter) seit den 1950er Jahren mit Niederlassungen in Brasilien und Kolumbien wieder auf. 1987 wurde die Firma in das „Import- und Exportgeschäft Theodor Wille Intertrade GmbH“, Bischofsheim, umgewandelt und ist seit 2015 eine Tochtergesellschaft der „Atlantic Diving Supply, Inc (ADS)“ in Virginia Beach, Virginia, in den USA.

  • Auszeichnungen

    |preuß. Vizekonsul in Santos (São Paulo, Brasilien, 1844);
    T.-W.-Str., Kiel;
    T. W. e. V., Hamburg (2015);
    T.-W.-Heinrich-Diederichsen-Preis, Hamburg (2019).

  • Literatur

    |S. Zimmermann, T. W. 1844–1969, 1969;
    G. Brunn, Dtld. u. Brasilien (1889–1914), 1971;
    W. Kresse, Die Fahrtgebiete d. Hamburger Handelsflotte 1824–1888, 1972;
    U. Becker, Kaffee-Konzentration, Zur Entwicklung u. Organisation d. hanseat. Kaffeehandels, 2002;
    D. Krause, Die Commerz- u. Disconto-Bank 1870–1920/23, Bankgesch. als Systemgesch., 2004;
    Qu StadtA Kiel, Bestand W.s Vermächtnis.

  • Porträts

    |Gem. v. H. Rüter, o. J. (Frankfurt/M., Hist. Archiv d. Commerzbank);
    Relief v. E. Pfeiffer, o. J. (Kiel, Südfriedhof).

  • Autor/in

    Detlef Krause
  • Zitierweise

    Krause, Detlef, "Wille, Theodor" in: Neue Deutsche Biographie 28 (2024), S. 180-181 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/sfz142876.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA