Weber, Erna
- Lebensdaten
- 1897 – 1988
- Geburtsort
- Charlottenburg bei Berlin
- Sterbeort
- Berlin (Ost)
- Beruf/Funktion
- Biostatistikerin
- Konfession
- evangelisch
- Namensvarianten
-
- Weber, Erna Auguste Luise
- Weber, Erna
- Weber, Erna Auguste Luise
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Genealogie
V →Hermann Adolf (1856–1922), selbst. Kaufm., Druckereibes., S d. Karl Adolf (1822–um 1858), Ackerbürger, u. d. Auguste Luck (1820–1900);
M Maria (* 1868), T d. →Carl Theodor Brandenburg (1820–1900), Landwirt, u. d. Luise Hentschke (1829–84);
1 B;
– ledig. -
Biographie
Nach dem Besuch der Kgn.-Luise-Mädchenschule in Berlin 1904–14 absolvierte W. 1914 / 15 eine hauswirtschaftliche Ausbildung in Weimar und 1915 / 16 eine Lehre am Tierphysiologischen Institut der Landwirtschaftlichen Hochschule Berlin. Dessen Direktor →Nathan Zuntz (1847–1920) und der Abteilungsleiter Richard von der Heide (* 1879) erlaubten den Besuch ihrer Lehrveranstaltungen (Chemie, Physiologie), stellten W. 1916 / 17 als Assistentin an und beschäftigten sie mit Gasanalysen in der Militärstelle des Hauptsanitätsdepots. Nach privater Vorbereitung absolvierte W. 1919 extern das Abitur an der Elisabeth-Oberrealschule und studierte anschließend bis 1924 / 25 Mathematik, Physik und Philosophie an der Univ. Berlin. Nach der Promotion in Physik bei →Max v. Laue (1879–1960) unterrichtete sie vier Monate am Lyzeum des Waisenhauses Werftphul, bearbeitete 1925–27 im Bauingenieurbüro Heinrich Becher statische Berechnungen für Eisenbeton- und Eisenbauten und wechselte im Sept. 1927 auf eigenen Wunsch als Prüfingenieurin in das Bauingenieurbüro Gerhard Mensch, wo sie 1930 wegen nachlassender Auftragslage ausscheiden mußte. Seit 1931 arbeitete W. als Statistikerin am KWI für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik unter dem Rassehygieniker →Otmar v. | Verschuer (1896–1969), bezahlt aus Mitteln der Rockefeller Foundation. Sie führte die Statistiken auf dem Gebiet der Bevölkerungswissenschaft und Familienforschung (Geburtenrückgang, Erhebungen durch Fragebogen) sowie Analysen zur Erblichkeitsbesonders Zwillingsforschung (insbes. Fehler, Streuung, Korrelationen) durch. Resultat war u. a. ihr Buch „Einführung in die Variations- und Erblichkeits-Statistik“ (1935), das keinen Bezug zu NS-Gedankengut aufweist. Mit →Verschuers Weggang 1935 endete dessen Abteilung. W., die auch für ihre Mutter aufkommen mußte, kam 1935 beim Springer-Verlag in Berlin unter und wurde 1937 Leiterin der statistischen Abteilung des Thür. Landesamtes für Rassewesen (Außenstelle Jena). Seit März 1940 nahm sie nebenher einen Lehrauftrag für biologische Statistik an der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Univ. Jena wahr (Habil. 1945). Die als Lehrbuch konzipierte Habilitationsschrift erschien 1948 als „Grundriss der biologischen Statistik“ (²1956, ⁴1961, ⁹1986). Nach wenigen Monaten als Lehrbeauftragte für biologische und medizinische Statistik am Institut für Anthropologie und Völkerkunde der Univ. Jena wurde W. im Dez. 1945 wegen ihrer seit 1942 bestehenden NSDAP-Mitgliedschaft entlassen. Mit ihrem Vorgesetzten →Karl Astel (1898–1945), Exponent der NS-Rasseforschung, hatte W. 1939–43 eine Reihe von „Fortpflanzungsstudien“ mit rassehygienischem NS-Gedankengut publiziert. Ihr Artikel „Die rassenhygienischen Gesetze und Maßnahmen in Deutschland“ (in: Neuland, Mschr. f. prakt. Rauschgiftbekämpfung, 1941, H. 7 / 8, S. 96–100) rechtfertigte die NS-Rassepolitik und enthält antisemitische Aussagen.
W. arbeitete 1946–49 in den Firmen Schott und Jenapharm und leitete seit Dez. 1949 die statistische Abteilung am Veterinär- und Tiergesundheitsamt in Jena. Weiter regelmäßig publizierend und internationalen Ruf im Fach erreichend, erhielt sie 1952 eine Dozentur für naturwissenschaftliche und medizinische Statistik am Institut für angewandte Mathematik der Univ. Jena (Prof. 1954). 1957 wechselte sie als Professorin für Mathematische Statistik an die HU Berlin. Seit 1960 leitete sie zusätzlich die Abteilung Statistik am Institut für angewandte Mathematik und Mechanik der Akademie der Wissenschaften in Berlin. Mit ihren Forschungen trieb sie Anwendungen von mathematisch-statistischen Verfahren der Versuchsplanung und -auswertung in den Biowissenschaften voran. Ihr Buch „Mathematische Grundlagen der Genetik“ (1967, ²1978) förderte das Gebiet der Genetik in der DDR, die aufgrund des Lyssenkoismus eingeschränkt war.
Aus W.s Nachlaß erfolgte eine Schenkung an die HU Berlin. Der Senat stiftete daraufhin 1997 einen Erna-Weber-Preis. Diese Entscheidung wurde nach Analyse ihrer Arbeiten aus den 1940er Jahren zurückgenommen. Seit 1999 werden mit den gestifteten Mitteln Forschungen finanziert, die dem Judentum und dem Antisemitismus gewidmet sind.
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Auszeichnungen
|VVO in Bronze (1964), in Silber (1972);
Dr. h. c. (Jena 1972);
Ehrenmitgl. d. Ges. f. Physikal. u. Math. Biol. (1975);
Honorary Life Membership d. Internat. Biometric Soc. (1978). -
Werke
Weitere W Auswahlprinzip u. Nadelstrahlung, in: Zs. f. Physik 32, 1925, H. 5, S. 370–83 (Diss.);
Neue Ergebnisse d. Zwillingsforsch., in: Volk u. Rasse 12, 1937, H. 4, S. 145 f., H. 9, S. 358–61 u. 1938, H. 8, S. 287–90;
Die unterschiedl. Fortpflanzung, Unters. über d. Fortpflanzung v. 12.000 Beamten u. Angest. d. Thür. Staatsreg., 1939 (mit K. Astel);
Die unterschiedl. Fortpflanzung, Unters. über d. Fortpflanzung v. 14.000 Handwerksmeistern u. selbst. Handwerkern Mittelthüringens, 1939 (mit dems.);
Die Kinderzahl d. 29.000 pol. Leiter d. Gaues Thüringen d. NSDAP u. d. Ursachen d. ermittelten Fortpflanzungshäufigkeit, 1943 (mit dems.);
Einf. in d. Faktorenanalyse, 1974;
– Hg. Biometr. Journ. (1967– 88, seit 1978 u. d. T. Biometric Journ.). -
Literatur
|H. Ahrens u. K. Bellmann, in: Biometric Journ. 30, 1988, S. 515 f.;
U. Hoßfeld, Von d. Rassenkde., Rassenhygiene u. biol. Erbstatistik z. Synthet. Theorie d. Evolution, e. Skizze d. Biowiss., in: Stud. z. Univ. Jena im NS, hg. v. dems. u. a., 2003, S. 519–74;
S. Nagel, Eine „fruchtbare“ Verbindung v. Forsch. u. Lehre, E. W. als Wissenschaftlerin in Jena, in: Anpassung, Verfolgung, Widerstand, Frauen in Jena 1933–1945, hg. v. C. Amlacher, D. Ebert u. G. Horn, 2007, S. 111–39;
R. Tobies, in: Harenberg, d. Buch d. 1000 Frauen, 2004, S. 977 (P);
A. Vogt, Wissenschaftlerinnen in Ks.-Wilhelm-Instituten, 2008, S. 206 f.;
Pogg. VII a;
– Qu Archiv d. HU, d. Univ. Jena, d. MPG Berlin u. d. Berlin-Brandenburg. Ak. d. Wiss. -
Porträts
|Photogr. (Archiv d. HU Berlin, Personalakte), Abb. in: R. Tobies (Hg.), „Aller Männerkultur zum Trotz“, Frauen in Math. u. Naturwiss., 1997, S. 252.
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Autor/in
Renate Tobies -
Zitierweise
Tobies, Renate, "Weber, Erna" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 487-488 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/sfz139313.html#ndbcontent