Lebensdaten
1847 – 1921
Geburtsort
Königsberg (Preußen)
Sterbeort
Liebenberg bei Templin
Beruf/Funktion
preußischer Diplomat ; Politiker ; Fideikommißherr auf Liebenberg, Häsen, Hertefelf, Kolk usw.
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 118531352 | OGND | VIAF: 51684065
Namensvarianten
  • Eulenburg und Hertefeld, Philipp Friedrich Karl Alexander Botho Fürst zu
  • Eulenburg, Philipp Fürst zu
  • Eulenburg und Hertefeld, Philipp Fürst zu, Graf von Sandels (seit 1901)
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Zitierweise

Eulenburg und Hertefeld, Philipp Fürst zu, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118531352.html [19.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Philipp (1820–89), auf Wulkow u. Gühlen, Oberstleutnant, S des Frdr. Leop. s. Genealogie (4);
    M Alexandrine (1824–1902), T des Frdr. Frhr. v. Rothkirch u. Panthen, auf Schön-Ellguth usw.;
    Ov Botho s. (2), Frdr. s. (4);
    Vt Botho s. (3), Aug. s. (1);
    Stockholm 1875 Augusta (1853–1941), T des Aug. Gf. v. Sandels (1810–92), schwedischer Gen. der Inf., Gouverneur v. Stockholm u. Oberhofmarschall, u. der Hedvig Henr. Emilia Aug. Tersmeden;
    8 K.

  • Biographie

    E. hat es trotz seiner künstlerischen Begabung über einen liebenswürdigen Dilettantismus nicht hinausgebracht. Daß der mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnete Gardeoffizier den Abschied nahm, um Jura zu studieren, zeigt deutlich, wie innerlich fremd ihm die militärische Umgebung – die die Welt seiner Kindheit und ersten Jugendjahre dargestellt hatte - geblieben war. Aus persönlicher Kenntnis, aber auch nicht frei von Ressentiments, wurde er ein scharfer Kritiker der gesellschaftlichen und politischen Rolle der Armee in seiner Zeit. Nach bestandenem Referendar-Examen sowie nach der Promotion zum Dr. iur. (1875) blieb er nur|kurze Zeit im praktischen Richterdienst und wechselte (1877) in die diplomatische Laufbahn über. Sie führte ihn über eine Reihe mittlerer und kleinerer Residenzen und brachte ihn in enge Berührung mit der höfischen Welt des ausgehenden 19. Jahrhunderts, von der er in seinen Briefen und Erinnerungen ein farbiges Bild entworfen hat. Seine Beziehungen zum Hause Bismarcks waren alt und vertraut. Der Persönlichkeit und dem Werk Bismarcks vermochte jedoch der Ästhet nicht gerecht zu werden.

    Die Jahre (1881–88), die E. als Sekretär in der preußischen Gesandtschaft in München tätig war, zählte er selbst zu den glücklichsten seines Lebens. Er fühlte sich von den literarischen und künstlerischen Kreisen der Stadt angezogen und pflegte gleichzeitig die politisch wichtigen Beziehungen zur bayerischen Aristokratie. Während der kritischen Periode der Entthronung und des Todes Ludwigs II. und der Bildung der Regentschaft zeichnete er sich durch einen ihm angeborenen diplomatischen Takt aus, der ihm in der Wilhelmstraße, besonders bei Holstein, große Anerkennung einbrachte.

    Eine Begegnung mit Prinz Wilhelm 1886 führte spontan zu einer Freundschaft. Sie bildete sich in einer Stimmung gegenseitiger Überschätzung, die die richtige Beurteilung der Wirklichkeit von vornherein auf beiden Seiten erschwerte, und gab E. einen Einfluß, der über den dienstlichen Rahmen seiner diplomatischen Stellungen weit hinausging. – In der Krise, die zu Bismarcks Sturz führte, war sein Verhalten trotz seiner Vermittlungsbemühungen eher geeignet, die Kluft zwischen Kaiser und Kanzler zu vertiefen, da er Bismarcks Rußlandpolitik wie dessen Annäherung an das Zentrum mißbilligte. Seine Person bleibt selbst mit den charakteristischen Äußerlichkeiten jener Märztage verbunden. Während Wilhelm II. ungeduldig auf den Eingang des Entlassungsgesuches wartete, fiel E. die Aufgabe zu, den kaiserlichen Freund durch Klavierspiel und Skaldengesang zu unterhalten. Das private Gefühl der Freundschaft und Anhänglichkeit an den Monarchen wirkte in Konfliktsituationen stärker als die Überlegungen nach Maßgabe der Staatsräson.

    Die Männer des neuen Kurses fühlten sich bei der Reiselust und der häufigen Abwesenheit Wilhelms II. von Berlin vor allem bei seinen spontanen Aktionen auf E.s loyale Hilfe in starkem Maße angewiesen. Er hat sie als Begleiter des Kaisers auf den Nordlandreisen oder als dessen Gastgeber in Liebenberg oftmals geleistet. So hat er ohne Zweifel in manchen Situationen dazu beigetragen, daß der gefährdete Zusammenhang des deutschen Regierungssystems nach Bismarcks Entlassung aufrechterhalten blieb. Die Entscheidung über den Wechsel von Caprivi zu Hohenlohe, den E. schließlich als Kanzlerkandidaten zur Überwindung der Krisis nannte, fiel bezeichnenderweise nicht in Berlin, sondern während einer Jagd in Liebenberg. E. begnügte sich stets mit der Rolle des intimen Ratgebers und verhielt sich ebenso, aus Mangel an politischem Ehrgeiz wie in richtiger Selbsteinschätzung, vielleicht auch im Gedanken an die persönlich starke Stellung beim Kaiser, gegenüber allen Kombinationen, in denen ihm selbst der Posten des Staatssekretärs zugedacht war, ablehnend. Die Gefahr, die ein solches Talent bedeuten konnte, lag nicht etwa in einem ihm nachgesagten Hang zur Intrige, sondern in seiner bedenklichen Neigung zur Nachgiebigkeit. E.s mehr weiche als harte Persönlichkeit zeigte sich – trotz guten Willens – der Aufgabe nicht gewachsen, die ihm die Freundschaft mit einer so problematischen Persönlichkeit wie Wilhelm II. stellte. E. benutzte seinen politischen Einfluß, um die Karriere des von ihm menschlich und sachlich hochgeschätzten Bülow zu fördern, und traute dem neuen Reichskanzler eine Zeitlang zu, den Kaiser so lenken zu können, wie er es selbst gewünscht hatte. Je klarer er sich über den Charakter Wilhelms II. wurde und je deutlicher er seit der Mitte der 90er Jahre zu ahnen begann, daß die eigene Energie zur Mäßigung des kaiserlichen Temperaments offensichtlich nicht ausreichte, desto resignierender und melancholischer fielen seine politischen Betrachtungen aus. Seiner romantischen Verteidigung des kaiserlichen Freundes gegenüber Holsteins Anklagen fehlten Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft. Es darf jedoch nicht vergessen werden, daß unter denen, die die Gelegenheit hatten, Wilhelm II. die Wahrheit zu sagen, E. es an Warnungen nicht hat fehlen lassen, die diplomatisch allerdings so sehr eingehüllt waren, daß die beabsichtigte Wirkung kaum erreicht werden konnte.

    Als Botschafter in Wien (1894–1903) sah E. seine Aufgabe in der Pflege des deutsch-österreichischen Bündnisses. Der immer wieder erhobene Vorwurf, E. sei den Bundesgenossen gegenüber allzu nachgiebig gewesen, ist nicht unbegründet, aber bei Beurteilung seiner Wiener Mission muß auch an die guten Dienste erinnert werden, die er auf|Grund des engen Vertrauensverhältnisses zu Kaiser Franz Joseph und auch zum Kronprinzen Franz Ferdinand der Berliner Politik geleistet hat. Holstein – dessen Freundschaft längst in Feindschaft umgeschlagen war – hat ihm die Arbeit auf dem Wiener Posten wesentlich erschwert. Der Abschied, den E. 1903 aus Rücksicht auf seine angegriffene Gesundheit nahm, bedeutete den Abschluß seiner politischen Laufbahn.

    Von der Höhe gesellschaftlichen Glanzes und Ansehens stürzte E. durch die Presseangriffe Hardens und die folgenden Sensationsprozesse. Die oftmals geäußerte und ja auch naheliegende Vermutung, daß Holstein Harden durch Lieferung bestimmten Materials unterstützte und ermutigte, kann nicht bewiesen werden. Der mit bedenklichen Mitteln geführte Prozeß, in dem es um einen angeblichen Meineid des Fürsten ging, mußte abgebrochen werden, da E. gesundheitlich zusammenbrach. So blieb die Schuldfrage hinsichtlich homosexueller Verfehlungen im strafrechtlichen Sinne ungeklärt. Wenn der Kaiser und Bülow den Freund mit jahrzehntelangen Verdiensten sogleich preisgaben, so ließen sie sich nicht von Gefühlen politischer Verantwortung, sondern nur von der Rücksicht auf die erregte öffentliche Meinung leiten. Die unerfreulichen Begleiterscheinungen dieser Affäre haben der Krone schweren Schaden zugefügt.

  • Werke

    u. a. Erzz., Gedichte, Schauspiele u. Kompositionen, u. a. Der Seestern, 1887 (Schauspiel), Skaldengesänge, 1892, Rosenlieder;
    Aus 50 J., Erinnerungen, Tagebücher u. Briefe aus d. Nachlaß, hrsg. v. J. Haller, 1923.

  • Literatur

    J. Haller, Aus d. Leben d. Fürsten Ph. zu E.-H., 1924;
    ders., Bülow u. E., in: Front wider Bülow, hrsg. v. F. Thimme, 1931;
    O. Becker, Bismarck u. d. Einkreisung Dtld.s, II, Das franz.-russ. Bündnis, 1925 (üb. E.s Wiener Botschaftertätigkeit);
    K. Muschler, Ph. zu E., 1930;
    M. Baumont, L'affaire E. et les origines de la guerre mondiale, Paris 1933;
    H. Rogge, Holstein u. Hohenlohe, 1957 (üb. E.s Rolle b. Caprivis Entlassung);
    H. Herzfeld, in: DBJ III, S. 95-103 (W, L, u. Tl. 1921).

  • Autor/in

    Walter Bußmann
  • Zitierweise

    Bußmann, Walter, "Eulenburg und Hertefeld, Philipp Fürst zu" in: Neue Deutsche Biographie 4 (1959), S. 681-683 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118531352.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA