Lebensdaten
erwähnt 20. Jahrhundert
Beruf/Funktion
Unternehmer in Rehau
Konfession
evangelisch
Namensvarianten
  • Wagner

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Zitierweise

Wagner, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/sfz138149.html [29.04.2024].

CC0

  • Biographie

    Nach Abitur, Militärdienst und einem abgebrochenen Medizinstudium gründete Helmut (* 1925), Sohn des Nürnberger Schulrats Johann Martin (1891–1979), 1948 in Rehau mit Unterstützung seiner Mutter Maria Christina, geb. Winterling (1894–1978) die „Fränkische Lederfabrik Igelit-Betrieb GmbH“ mit anfänglich drei Beschäftigten. Der Betrieb entstand auf dem Gelände der 1907 gegründeten und bis 1960 bestehenden „Fränkischen Lederfabrik“ in Rehau, zu deren Gesellschaftern sein |Großvater, der Viehhändler Johann Georg Winterling (1855–1934), zählte. Mitgründerin von Helmuts Unternehmen war Elsa Linhardt (* 1928, verh. mit Julius Ernst Frhr. v. Staff gen. Reitzenstein auf Konradsreuth), Tochter von Christian Linhardt (1891–1949), Lederfabrikant in Rehau und Gründer der „Linhardt Metallwarenfabrik“ in Viechtach. Elsa Linhardts Kinder Johannes-Hermann v. Staff und Margarethe v. Hünersdorff zählten bis 2000 zum Gesellschafterstamm des 1949 in „Fränkische Lederfabrik Plastiks GmbH“, 1957 in „Rehau Plastiks GmbH“ und 1984 in „Rehau AG + Co.“ umfirmierten Unternehmens.

    Zunächst auf die Herstellung von Wasserschläuchen sowie Kedern für die Schuhindustrie aus dem Kunststoff Igelit spezialisiert, dehnte Helmut die Verwendungsmöglichkeiten für polymere Werkstoffe zur Substitution herkömmlicher Materialien wie Leder, Holz oder Stahl in der industriellen Massenfertigung auf unterschiedliche Einsatzfelder aus: Seit 1951 wurden Zubehörteile für die Automobilindustrie gefertigt (Halteschlaufen u. Trittbretter f. d. VW Käfer, später Stoßfänger, lackierte Außenanbauteile, Module im Wasser- u. Lüftungsbereich, Dichtungssysteme). Daneben erweiterte der Autodidakt und Kunststoffpionier Helmut mit individuellen Rezepturen und neuen Produktfunktionalitäten das Leistungsspektrum in den 1960er Jahren auf Formteile für die Bauwirtschaft (Rohre, Schläuche, Fensterprofile, Fassadenteile, Jalousien), die Möbelindustrie (Profile, Leisten u. Kanten, thermoplastische Oberflächen), die Medizintechnik sowie Zuliefer-Bauteile aus Kunststoff für andere Industriebranchen.

    1951 nahm das erste Zweigwerk in Feuchtwangen die Produktion auf. Weitere Fertigungsstandorte entstanden in Viechtach und Velen (1960), Marlesreuth (1961), Brake (1963), Wittmund (1976) und Visbek (1981). Im Ausland folgten Produktionsstätten in Österreich (1956), den Niederlanden (1957), Kanada (1962), Großbritannien (1970) und Thailand (1972). 1968 erwirtschaftete die Firmengruppe mit 4000 Beschäftigten, 12 Produktionsstandorten und einem Netz von Vertriebsniederlassungen einen Umsatz von 130 Mio. DM. 1970 verlagerte Helmut die Konzernzentrale und den Wohnsitz der Familie aus Steuergründen von Rehau nach Muri (Kt. Bern) und erwarb das Schweizer Bürgerrecht. Die Hauptverwaltung für Nordamerika wurde 1979 von Kanada in die USA verlegt, wo 1996 ein erstes Werk die Produktion startete. 1989 überschritt der Konzernumsatz 1 Mrd. DM.

    2000 übergab Helmut die Leitung der Firmengruppe an seine beiden Söhne.

    Jobst (* 1959) absolvierte nach dem Schulbesuch in Kanada, Deutschland und der Schweiz 1979–85 ein Studium der Rechtswissenschaften an der Univ. Bern. Anschließend durchlief er verschiedene Stationen im väterlichen Unternehmen. Nach einer Assistenz im Bereich Marketing 1986 war er seit 1987 Leiter Einkauf und Mitglied der Geschäftsleitung Rehau-Nordamerika, seit 1991 Leiter Materialwirtschaft und Logistik der Rehau-Gruppe mit Standort Muri und in dieser Funktion seit 1993 Mitglied der Konzerngeschäftsleitung. Nach dem Rückzug des Vaters 2000 wurde er Präsident des Verwaltungsrats. Neben der beruflichen Laufbahn absolvierte er in der Schweizer Armee eine Karriere zum Hauptmann im Stab der Luftwaffe. 1994–2004 war er Präsident der Bern. Kunstgesellschaft. Seit 1994 wirkt er als Mitglied im Stiftungsrat des Kunstmuseums Bern, seit 2003 als Präsident der Stiftung Kunsthalle Bern.

    Sein Bruder Veit (* 1964) studierte Betriebswirtschaft an der Univ. Freiburg (Uechtland) (Dr. rer. pol. 1994). Als Vizepräsident des Verwaltungsrats der Rehau-Gruppe übernahm er 2000 die Verantwortung für den Bereich Automotive sowie die engl.sprachigen Niederlassungen des Konzerns.

    Durch den Aufbau weiterer Fertigungsstätten in Europa, Südamerika, Südafrika und Asien trieben die Brüder die Internationalisierung konsequent voran und festigten die Position der Rehau-Gruppe als führender System- und Serviceanbieter polymerbasierter Lösungen. 2001 eröffnete ein Werk in Indien, 2003 in China und 2005 in Rußland. Die Sparte Medizintechnik wurde 2004 durch die Gründung der „Raumedic AG“ mit Sitz in Münchberg als Schwestergesellschaft der Rehau AG + Co. ausgegliedert. 2015 erzielte die Firmengruppe mit etwa 20 000 Mitarbeitern an rund 170 Standorten (mit über 40 Werken) in mehr als 50 Ländern einen Umsatz von 3,3 Mrd. €. Auf den Bereich Automotive entfiel dabei knapp die Hälfte, auf die Sparten Bau und Industrie jeweils rund ein Viertel der Konzernerlöse.

  • Literatur

    |Rehau-Plastiks, in: Der Spiegel v. 27. 5. 1968, S. 62;
    Der Kunde ist Kg., in: Vorwärts, Die Ztg. d. Dt. Soz.demokratie, v. 8. 11. 1968 (P);
    A. Hoppe, Chron. d. Gerberhandwerkes in d. Stadt Rehau, 2001;
    B. Münzer-Glas, GründerFamilien – FamilienGründungen, 2002, S. 367–69;
    Rehau Art, Nr. 2, 2008;
    Kunststücke aus Rehau, in: SZ v. 25. 8. 2008;
    W. Pellinghausen, Rehau inside, in: Bilanz, Das Schweizer Wirtsch.mag. v. 22. 8. 2015 (Internet);
    H. Höcherl, Eine Insel d. Wachstums in|schwierigen Zeiten, in: Bayer. Staatsztg. v. 6. 5. 2016;
    Untern.initiative Hochfranken, Kurzbiogr. Jobst W.(P) (Internet);
    Internetseiten: Rehau AG + Co, Historie;
    Qu StadtA Rehau.

  • Autor/in

    Richard Winkler
  • Zitierweise

    Winkler, Richard, "Wagner" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 205-207 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/sfz138149.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA