Dates of Life
1883 – 1945
Place of birth
Jena
Place of death
Igarapé de Santa Rita do Weil (Amazonas, Brasilien)
Occupation
Ethnologe
Religious Denomination
lutherisch
Authority Data
GND: 118588184 | OGND | VIAF: 5013968
Alternate Names
  • Nimuendajú (seit 1922)
  • Unckel-Nimuendajú, Curt
  • Unckel, Curt
  • more

Objekt/Werk(nachweise)

Relations

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Places

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Citation

Unckel, Curt, Index entry in: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118588184.html [30.04.2024].

CC0

  • Genealogy

    V Julius (1840–84?), Kaufm., S d. Johann Jacob ( v. 1880), Oberamtspfleger in Urach, u. d. Christiane Dorothea Kleinbel ( v. 1880);
    M Marie (1853–84, 1] N. N. Ludwig), T d. Kurt Herrmann ( v. 1880), u. d. Luise Christiane Weber (1824–95), erzog U. 1884–85; Vormund N. N. Paul, Oberlehrer an d. Stoy’schen Erziehungsanstalt in J.;
    Tante-m Berta Weber ( 1931), erzog U. seit 1885;
    Halb-Schw Olga Ludwig (1877–1959, Edward Richter, Ing. b. C. Zeiss in J.), Lehrerin in J.;
    Belém (Brasilien) 1922 Jovelina do Nascimento (1903?–72), Wäscherin; kinderlos;
    Adoptiv-V José Francisco Honório Avacauju, Guarani-Indianer im Bundesstaat São Paulo, S d. Honório Araguyra ( 1901) u. d. Niandechary;
    Adoptiv-M Nimõa.

  • Biographical Presentation

    U., bereits im ersten Lebensjahr Vollwaise, wurde zusammen mit seiner Halbschwester Olga zuerst von einer Großmutter und danach von einer Tante erzogen, bevor der Oberlehrer Paul in Jena zum Vormund der Kinder bestimmt wurde. Bis zur mittleren Reife 1899 besuchte U. die Stoy’sche Erziehungsanstalt in Jena und trat danach eine Lehrstelle bei den Zeiss-Werken an, wo er zum Facharbeiter für Optik und Feinmechanik ausgebildet wurde. Wahrscheinlich nutzte er ausgiebig die amerikanistische Literatur in der Ernst-Abbe-Bücherei der Carl-Zeiss-Stiftung zum Selbststudium.

    1903 wanderte U. nach Brasilien aus. Zunächst fand er eine Anstellung bei Landsleuten in der Stadt São Paulo, unternahm aber bereits 1904 erste Reisen in das Landesinnere des Bundesstaates São Paulo und schloß sich eigenen Angaben nach im selben Jahr einer Expedition des Ingenieurs Lacerda zur Erkundung des Rio Feio und des Gebietes der Coroado-(Kaingang-)Indianer an. 1905–07 verbrachte er mit kurzen Unterbrechungen bei den Apapocuva-Guarani am Rio Batalha im Landesinneren von São Paulo, wo er, von einer Gruppe aufgenommen und adoptiert, den Namen „Nimuendajú“ erhielt, was sowohl mit „der sein eigenes Heim schafft“ als auch mit „der unter uns Heim bezog“ übersetzt werden kann.

    1908–11 besuchte U. verschiedene Gruppen der Kaingang, Ofaié und Terena, bevor er 1911 kurzzeitig eine Anstellung in der Ethnologischen Abteilung des Museu Paulista in São Paulo fand. Meinungsverschiedenheiten mit dem Museumsdirektor Hermann v. Ihering (1850–1930), der öffentlich eine Ausrottungspolitik gegenüber der indigenen Bevölkerung vertrat, veranlaßten U., noch im selben Jahr in den 1910 gegründeten Indianerschutzdienst (Serviço de Proteção aos Índios, SPI) der brasilian. Regierung einzutreten. Bis 1913 unternahm U. im Dienste des SPI verschiedene Expeditionen v. a. zu Guarani-Gruppen in den Bundesstaaten São Paulo und Mato Grosso. 1913 erfolgte – aller Wahrscheinlichkeit nach auf Anregung des ersten Leiters des SPI, Marschall Cândido Mariano da Silva Rondon (1865–1958), hin – der Umzug nach Belém im Bundesstaat Pará, wo U. bis zu seinem Lebensende seinen ständigen Wohnsitz hatte.

    Durch Vermittlung der Direktorin des dortigen Museu Goeldi (heute Museu Paraense Emilio Goeldi, MPEG), der Ornithologin Emilie Snethlage (1868–1929), entstanden Kontakte zur dt. akademischen Ethnologie, welche die Türen zur Veröffentlichung der ersten wiss. Arbeit U.s (über die Religion der Apapocúva-Guaraní) 1914 öffneten. Diese Kontakte wurden durch den 1. Weltkrieg vorübergehend unterbrochen. 1915 wurde U. vermutlich wegen seiner dt. Staatsbürgerschaft aus dem SPI entlassen und schlug sich bis 1921 mit verschiedenen prekären Beschäftigungen durch, da sein Hauptarbeitgeber, das MPEG, kaum in der Lage war, Gehälter auszuzahlen. In diese Zeit fallen Expeditionen zu den Aparai, Arara, Tembé und Xipaya. 1921–22 wurde U. erneut vom SPI unter Vertrag genommen, um friedliche Kontakte mit den sich gegenüber den Siedlern sehr feindselig verhaltenden Parintintin (Kagwahiva) in der Region östlich vom Rio Maici aufzubauen. Die „Befriedung“ (pacificação) der Parintintin gehört in ihren in der wiss. und belletristischen Literatur vielfach geschilderten abenteuerlichen Zügen zu den Höhepunkten in U.s Biographie.

    1922 nahm U. die brasilian. Staatsbürgerschaft an und ersetzte seinen Nachnamen Unckel durch Nimuendajú. Nach erneuter Entlassung durch den SPI arbeitete U. 1922–27 im Auftrag des Baron Erland Nordenskiöld (1877–1932) für das Ethnographische Museum Göteborg (heute Världskulturmuseet), für welches er v. a. archäologische Sammlungen in verschiedenen Teilen Amazoniens zusammentrug, aber auch eine Feldforschung bei den Palikur in Amapá durchführte. 1928–30 leitete er im Auftrag der Völkerkundemuseen von Hamburg, Leipzig und Dresden und des Instituts für Völkerkunde der Univ. Leipzig zwei größere Feldforschungen in den nordöstl. Savannengebieten Brasiliens, v. a. bei den Apinayé, Canela, Krahô und Xerente. Ergebnisse waren nicht nur umfangreiche ethnographische Sammlungen, sondern v. a. zum ersten Mal tiefergehende Untersuchungen zu Gesellschaft und Kultur der gê-sprachigen Indianer der Region. Sammeltätigkeiten für verschiedene Museen gehörten in den 1930er Jahren zu U.s Haupterwerbsquellen.

    Mit finanzieller Unterstützung der Carnegie Institution erfolgte 1934 seine einzige Reise nach Europa nach seiner Auswanderung, welche ihn für einige Monate nach Göteborg führte. Ab Mitte der 30er Jahre verstärkte sich die Zusammenarbeit mit brasilian. Museen, 1935–43 erhielt U. regelmäßig finanzielle Unterstützung für seine Forschungen durch US-amerik. Institutionen, v. a. aufgrund der Zusammenarbeit mit dem Anthropologen Robert Lowie (1883–1957). In diese Zeit fallen die Veröffentlichungen einiger seiner wichtigsten Monographien, aber auch die Mitarbeit beim „Handbook of South American Indians“ (Washington, 7 Bde., 1946–59).

    Neben mehreren Feldforschungen zu den Canela-Ramkokamekrã unternahm U. vier Expeditionen zu den Ticuna am Alto Solimões, wo er 1945 unter bis heute nicht vollständig geklärten Umständen ums Leben kam.

    Bei mindestens 34 Feldforschungen und Expeditionen lernte U. mehr als 50 indigene Völker Brasiliens kennen. Bereits zu Lebzeiten wurde U., obwohl er keine wiss. Ausbildung genossen hatte, als eine der wichtigsten Autoritäten zu den Indianervölkern Brasiliens anerkannt und wird in der Geschichte der brasilian. Anthropologie neben Gilberto Freyre (1900–87) als Pionier gesehen. Einige seiner Monographien sind Klassiker der südamerikanistischen Ethnologie. Seine wiss. Veröffentlichungen sowie sein umfangreicher Briefwechsel (u. a. mit Theodor Koch-Grünberg, Erland Nordenskiöld, Fritz Krause, Robert Lowie und Herbert Baldus) sind zur Zeit Gegenstand wissenschaftshistorischer Forschungen.

  • Awards

    A Mitgl. d. Soc. des Américanistes (Paris);
    – Gedenksteine in Jena, Paradiespark (1965) u. in Belém, MPEG (1983);
    Gedenktafel am Geb.haus in Jena (2005).

  • Works

    W u. a. Die Sagen v. d. Erschaffung u. Vernichtung d. Welt als Grundlagen d. Rel. d. Apapocúva-Guaraní, in: Zs. f. Ethnol. 46, 1914, S. 284–403;
    Die Palikur-Indianer u. ihre Nachbarn, 1926;
    The Dual Organizations of the Ramkokamekra (Canella) of Northern Brazil, in: American Anthropologist, 39 (4), 1937, S. 565–82;
    The Social Structure of the Ramkokamekra (Canella), ebd. 40 (1), 1938, S. 51–74;
    The Associations of the Šerénte, ebd. 41 (3), 1939, S. 408–15;
    The Apinayé, übers. u. hg. v. R. H. Lowie, 1939;
    The Šerente, hg. v. dems., 1942;
    The Eastern Timbira, hg. v. dems., 1946;
    The Tukuna, hg. v. dems., 1952;
    [IBGE] Mapa etno-histórico de C. N., 1981;
    Cartas do Sertão de C. N. para Carlos Estevão de Oliveira, 2000;
    In Pursuit of a Past Amazon, Archaeological Researches in the Brazilian Guyana and in the Amazon Region, 2004;
    Nachlaß: Rio de Janeiro, Museu Nacional;
    Universidade Federal do Rio de Janeiro.|

  • Literature

    L H. Baldus, in: Boletim Bibliográfico 8, 1945, S. 91–99 (P);
    ders., in: American Anthropologist 48, 1946, S. 238–43;
    N. Pereira, C. N., síntese de uma vida e de uma obra, 1946;
    F. Cappeller, Der größte Indianerforscher aller Zeiten, 1963 (P);
    E. Schaden, Notas sobre a vida e a obra de C. N., in: Revista de Antropologia 15/16, 1967–68, S. 77–89;
    G. Menchén, N., Bruder d. Indianer, 1979 (P);
    E. Arnaud, Expedito, C. N., aspectos de sua vida e de sua obra, in: Revista do Museu Paulista 29, 1983–84, S. 55–72;
    J. C. Melatti, C. N. e os Jê, 1985;
    R. de B. Laraia, As mortes de N., in: Ciência Hoje 44, 1988, S. 70 f.;
    F. Dungs, Die Feldforsch. v. C. U. N. u. ihre theoret.method. Grundlagen, 1991 (P);
    L. D. B. Grupioni, Coleções e expedições vigiadas, os etnólogos no Conselho de Fiscalização das Expedições Artísticas e Científicas no Brasil, 1998;
    J. Born (Hg.), C. U. N., ein Jenenser als Pionier im brasilian. Nord(ost)en, 2007 (P); P. Schröder, C. U. N., um levantamento bibliográfico, in: Revista Tellus 13, Nr. 24, 2013, S. 39–76 (P).

  • Portraits

    P Photogr., Abb. in: H. Baldus, Bibliografia Crítica da Etnologia Brasileira, 1954, S. 494.

  • Author

    Peter Schröder
  • Citation

    Schröder, Peter, "Unckel, Curt" in: Neue Deutsche Biographie 26 (2016), S. 623-625 [online version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118588184.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA