Lebensdaten
1929 – 2004
Geburtsort
Bad Gottleuba (Sachsen)
Sterbeort
Adorf (Vogtland)
Beruf/Funktion
evangelischer Theologe ; Kirhenhistoriker ; Politiker ; DDR-Bürgerechtler
Konfession
-
Normdaten
GND: 118986422 | OGND | VIAF: 4943889
Namensvarianten
  • Ullmann, Hans Siegfried
  • Ullmann, Wolfgang
  • Ullmann, Hans Siegfried

Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Ullmann, Wolfgang, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118986422.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Richard Hans (* 1902, 1944 vermißt), Verw.beamter;
    M Lotte Klotsche (1908–79);
    Radebeul 1956 Wolfenbüttel 1956 (kirchl.) Christa Kohse (1924–2002), aus Gottesberg b. Waldenburg (Niederschlesien), ev. Theol.;
    1 S Jakob (* 1958), Dr. phil., Komp., 2008 Prof. f. Komp., Notation u. Musiktheorie an d. Hochschule f. Musik in Basel (s. W), 2 T Esther-Marie U.-Goertz (* 1957), ev. Theol., Lyrikerin, Rebekka (* 1963), Anthroposophin.

  • Biographie

    Der Nationalsozialismus und der 2. Weltkrieg prägten U. nachhaltig. 1938 zog die Familie nach Dresden, seit 1944 galt der Vater an der Ostfront als vermißt. Nach dem Abitur 1948 in Dresden bewarb sich U. um einen Studienplatz für Naturwissenschaften in Sachsen, wurde aber als zu jung abgelehnt. Er ging daraufhin an die Kirchliche Hochschule in West-Berlin und studierte Ev. Theologie, Philosophie und Germanistik, u. a. bei Erwin Reisner (1890–1966). 1950 wechselte er nach Göttingen, wo ihn Joseph Klein (1896–1976) und daneben Eugen Rosenstock-Huessy (1888–1973), den er 1958 persönlich kennenlernte, beeinflußten. In Göttingen war er kurzzeitig Mitglied der „Gesamtdeutschen Volkspartei“. Nach der Promotion 1954 in Göttingen bei Klein zum Dr. theol. (Die psychol. Trinitätslehre Augustins als theol. Voraussetzung d. ma. Ethik) kehrte er in die DDR zurück, obwohl er deren Regime stets kritisch gegenüberstand. In Colmnitz (Sachsen) trat er eine Pfarrstelle an (Ordination 1956), die er bis|1963 innehatte. Mehrfach geriet er aus politischen Gründen mit dem Staat in Konflikt, weshalb ihm die Kirche 1963 eine Dozentur für Kirchengeschichte am Katechet. Oberseminar in Naumburg (Saale) anbot, wo er seine historischen, theologischen und philosophischen Studien hauptberuflich fortsetzen konnte. U. beschäftigte sich v. a. mit Alter und regionaler Kirchengeschichte, mit Thomas Müntzer und Martin Luther. In Naumburg war er seit 1965 auch Studentenpfarrer sowie 1968/69 und 1977/78 Rektor des Oberseminars. 1978 wechselte U. an das Sprachenkonvikt nach Ost-Berlin (Rektor 1981/82, 1987/88), wo er neben Kirchen- auch Welt- und Rechtsgeschichte lehrte. Beide hochschulähnlichen Ausbildungsstätten der Kirche waren bemüht, sich dem Einfluß der SED zu entziehen. Seit 1975 konnte U. im kirchlichen Auftrag Vorträge in Westeuropa und den USA halten. Er war Mitglied zahlreicher Gremien und nahm u. a. an den Konsultationen des Bundes der Ev. Kirchen in der DDR mit der Russ.-Orthodoxen Kirche teil.

    Mitte der 1980er Jahre kam U. durch Studenten mit der Opposition in Kontakt. Seit 1986 arbeitete er im oppositionellen Arbeitskreis „Absage an Praxis und Prinzip der Abgrenzung“ mit. Daraus erwuchs im Sept. 1989 die oppositionelle Bürgerbewegung „Demokratie Jetzt“, zu deren zwölf Gründern U. gehörte. Für diese Gruppe saß er von Dez. 1989 bis März 1990 am zentralen „Runden Tisch“, wo er u. a. in den Arbeitsgruppen „Wahlgesetz“ und „Neue Verfassung der DDR“ mitwirkte. Seine besondere Aufmerksamkeit galt auch der Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), wobei U. von Anfang an für einen differenzierten Umgang plädierte. 1989/90 zählte U. zu einer kleinen Gruppe Intellektueller, die erste Ideen zur Bildung einer Treuhand entwickelte, die die DDRVolkswirtschaft reformieren sollte; diese Ideen flossen jedoch kaum in die spätere „Treuhandgesellschaft“ und ihre Praxis ein. Von Febr. bis April 1990 gehörte U. zu den von SED-Ministerpräsident Hans Modrow berufenen acht oppositionellen „Ministern ohne Geschäftsbereich“, in der im März 1990 gewählten DDR-Volkskammer war er Mitglied der Fraktion Bündnis 90/Grüne und Vizepräsident der Volkskammer. Nach der Wiedervereinigung im Okt. 1990 wurde er Mitglied des Bundestags. 1992/93 gehörte er zu den prominenten Befürwortern der Fusion von Bündnis 90 (Ost) und Die Grünen (West). Politisch engagierte er sich inner- und außerhalb des Parlaments weiter für die Aufarbeitung der DDR-Geschichte und die MfS-Hinterlassenschaften sowie für eine neue gesamtdt. Verfassung. 1994–99 war U. Mitglied des Europ. Parlaments, 1999 Gründungsmitglied der „Grünen Akademie“ bei der Heinrich-Böll-Stiftung sowie bis zu seinem Tod Mitherausgeber der Wochenzeitung „Freitag“.

    U. zählte zu den bekanntesten Persönlichkeiten der ostdt. Revolution, nach der Wiedervereinigung fand er über Parteigrenzen hinaus weithin Anerkennung.

  • Auszeichnungen

    A Theodor-Heuss-Medaille (1994);
    Arnold-Freymuth-Preis (1996);
    Stadtältester v. Berlin (2004).

  • Werke

    W Demokratie, jetzt oder nie, 1990;
    Ich werde nicht schweigen, 1991;
    Das Ende d. Utopien, 1992;
    Vfg. u. Parl., 1992;
    Zukunft Aufklärung, Eine Bestandsaufnahme n. d. Ende d. Utopien, 1995;
    Geduld, liebe Dimut!, 1998;
    Ordo rerum, Die Thomas-Müntzer-Stud., hg. v. Jakob Ullmann, 2006;
    Nachlaß: Robert-Havemann-Ges. Berlin (darin ungedr. kirchengeschichtl., theol. u. phil. Buchmss.).

  • Literatur

    L Europ. Vfg., Grundrechte u. Unionsbürgerschaft, FS f. W. U., hg. v. d. Heinrich-Böll-Stiftung, 1999;
    J. Wielgohs u. a. (Hg.), Bündnis 90, Entstehung, Entwicklung, Perspektiven, 1992;
    I.-S. Kowalczuk, Endspiel, Die Rev. v. 1989 in d. DDR, ²2009;
    Biogr. Hdb. SBZ/DDR;
    Wer war wer DDR.

  • Porträts

    P Photogrr. (BA, Bilddatenbank).

  • Autor/in

    Ilko-Sascha Kowalczuk
  • Zitierweise

    Kowalczuk, Ilko-Sascha, "Ullmann, Wolfgang" in: Neue Deutsche Biographie 26 (2016), S. 572-573 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118986422.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA