Lebensdaten
1926 – 1998
Geburtsort
Merseburg/Saale
Sterbeort
Heikendorf bei Kiel
Beruf/Funktion
Dirigent
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 124624030 | OGND | VIAF: 105271548
Namensvarianten
  • Tennstedt, Klaus Hermann Wilhelm
  • Tennstedt, Klaus
  • Tennstedt, Klaus Hermann Wilhelm

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Zitierweise

Tennstedt, Klaus, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd124624030.html [20.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Hermann (* 1886), Geiger, u. a. am Landestheater in Halle/Saale;
    M Agnes Steinmetz (* 1895);
    1960 Ingeborg (Inge) Fischer (1924–2011), Sängerin, Altistin;
    T Gabriele (⚭ János Kollmann, Dr., bis 2007/09 Mitgl. d. Beirats d. Ver. d. Freunde d. Hochschule Esslingen, Ehrenmünze ders. in Bronze).

  • Biographie

    Nach erstem Unterricht bei seinem Vater nahm T. 1942 das Studium am Konservatorium Leipzig in den Fächern Violine (bei Walther Davisson), Klavier (bei Anton Rhoden) sowie Musiktheorie auf. 1948 wurde er Konzertmeister an den Städt. Bühnen Halle/Saale (bis 1951) und trat auch solistisch auf. Durch ein Überbein an der linken Hand am weiteren Violinspiel gehindert, verlegte er sich auf das Korrepetieren sowie das Dirigieren und debütierte 1953 mit Rudolf Wagner-Régenys (1903–69) „Der Günstling“. 1954–57 wirkte T. als erster Kapellmeister an den Städt. Bühnen in Karl-Marx-Stadt (Chemnitz), anschließend bis 1962 als Generalmusikdirektor der Landesoper Sachsen in Radebeul. In derselben Funktion war er 1962–71 am Meckl. Staatstheater in Schwerin tätig. Seine Weigerung, der SED beizutreten, verzögerte den Fortgang seiner Karriere; erst allmählich entwickelte sich eine Gastspieltätigkeit, die ihn in zahlreiche Länder des Ostblocks führte.|Seit 1970 hatte T. außerdem einen Gastvertrag mit der Komischen Oper Berlin.

    1971 gelang T. zusammen mit seiner Frau die Flucht in den Westen. Er erhielt Asyl in Schweden, wo er am Stora Theater Göteborg dirigierte und das Rundfunksymphonieorchester in Stockholm leitete. 1972–76 war er Generalmusikdirektor am Kieler Opernhaus als Nachfolger von Hans Zender (* 1936). Bald entfaltete er eine rege Gastspieltätigkeit; so leitete er 1974 an der Bayer. Staatsoper die Münchner Erstaufführung von Hans Werner Henzes „Boulevard Solitude“. Insbesondere die ersten Gastspiele nach Toronto und in die USA im selben Jahr brachten T. einen derartigen Erfolg, v. a. als Bruckner-Interpret, daß er in der Folge zu Gastdirigaten bei allen bedeutenden Orchestern Europas und speziell der USA eingeladen wurde, 1975 auch zum Tanglewood Festival. 1976 folgte das überschwenglich aufgenommene London-Debüt beim London Symphony Orchestra; 1978 gastierte T. erstmals beim Israel Philharmonic Orchestra. Eine 1979 begonnene Tätigkeit als Chefdirigent des Symphonieorchesters des NDR endete bereits 1981 mit einem Zerwürfnis; im selben Zeitraum war er erster Gastdirigent des Minnesota Orchestra. 1983 wurde T. als Nachfolger Sir Georg Soltis zum Chefdirigent des London Philharmonic Orchestra berufen, dessen Principal Guest Conductor er seit 1980 war und mit dem er schon 1977 eine Gesamtaufnahme der Symphonien Gustav Mahlers begonnen hatte. In dasselbe Jahr fällt sein Debüt an der New Yorker Met mit Beethovens „Fidelio“. 1987 legte er aufgrund einer bereits zwei Jahre zuvor diagnostizierten Kehlkopfkrebserkrankung sein Londoner Amt nieder; nach einigen wenigen Konzerten und einer Fernost-Tournee absolvierte er 1994 seinen letzten öffentlichen Auftritt.

    T. war ein Dirigent, der polarisierte. Spät zu internationalem Ruhm gekommen, von Selbstzweifeln und Unsicherheit gequält, fand er in (West-)Deutschland bei Publikum und Kritik nur zurückhaltende Anerkennung, während er in den USA und in Großbritannien zu den bedeutendsten Dirigenten seiner Generation gezählt wurde. Seine Konzerte mit dem London Philharmonic Orchestra hatten Ereignischarakter. T.s Interpretationen waren weniger von Analytik als vielmehr von großer Emotionalität geprägt, weswegen seine Vorliebe dem spätromantischen Repertoire galt – seine beeindruckendsten, gleichwohl kontrovers diskutierten Interpretationen erzielte er im symphonischen Schaffen Mahlers. Mit dessen Werk wurde er in der Öffentlichkeit v. a. identifiziert, doch war sein Konzertrepertoire weitgefächert. In seiner Dirigiergestik nervös und eher unpräzise, leistete sich T. häufig große agogische und dynamische Freiheiten; freilich konnte er auch stilgerecht im klassischen Repertoire reüssieren, so in einem 2006 veröffentlichten Mitschnitt von Haydns „Die Schöpfung“ (Aufnahme 1984). T.s Eigenheiten und Qualitäten kamen im Konzert noch mehr als auf Tonträgerproduktionen zur Geltung. In den Zeiten zunehmend objektivierter Interpretationen blieb er mit seinem intensiven, oft ins Extreme gesteigerten expressiven Musizieren ein Unzeitgemäßer, dessen Kunst erst in jüngerer Zeit auch in Deutschland verstärkt gewürdigt wird. Liveaufnahmen auf dem LPO-Label (herausragend v. a. Mahlers 2. Symphonie) sowie bei ICA, Hänssler Profil und Testament beinhalten auch nichtkommerziell aufgenommene Kompositionen, so u. a. von Mozart, Schubert, Prokofjew und Janáček, und erweitern dadurch das Bild seiner Kunst.

  • Auszeichnungen

    A BVK 1. Kl. (1986);
    Conductor Laureate d. London Philharmonic Orchestra (1987);
    Ehrenmitgl. d. Royal Ac. of Music (1990);
    Dr. h. c. (Oxford 1994).

  • Werke

    Weitere W Aufnahmen f. EMI Classics: Komp. u. a. v. Beethoven, Brahms, Bruckner, Schumann, R. Strauss, Wagner, Mendelssohn Bartholdy, Mussorgski, Kodály, Dvořák (zumeist mit d. London Philharmonic Orchestra, einige wenige Aufnahmen mit d. Berliner Philharmonikern).

  • Literatur

    L W. Sandner, Pathos ist d. Nahrung d. Musikverschlingers, Besessenheit d. Ausdrucks im Taktschlag d. Seele, Dem Dirigenten K. T. z. 70. Geb.tag, in: FAZ v. 5. 6. 1996 (P);
    zahlr. Nachrufe: u. a. N. Lebrecht, in: The Independant v. 13. 1. 1998;
    W. Sandner, Von dt. Seele, Jede Probe e. Konzert, Zum Tod d. Dirigenten K. T., in: FAZ v. 13. 1. 1998 (P);
    W.-E. v. Lewinski, Zu spät, zu früh, in: SZ v. 13. 1. 1998 (P);
    Kosch, Theater-Lex.;
    St. Jaeger (Hg.), Das Atlantisbuch d. Dirigenten, 1985;
    Harenbergs Personenlex., 1991 (P);
    Munzinger;
    W. Schreiber, Gr. Dirigenten, 2005; New Grove²

  • Autor/in

    Stephan Hörner
  • Zitierweise

    Hörner, Stephan, "Tennstedt, Klaus" in: Neue Deutsche Biographie 26 (2016), S. 32-33 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd124624030.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA