Lebensdaten
1898 – 1980
Geburtsort
Wien
Sterbeort
New Haven (Connecticut, USA)
Beruf/Funktion
Indoiranist ; Sprachwissenschaftler ; Philologe
Konfession
jüdisch
Normdaten
GND: 156668890 | OGND | VIAF: 172417573
Namensvarianten
  • Tedesco, Paul Maximilian
  • Tedesco, Paul
  • Tedesco, Paul Maximilian
  • mehr

Quellen(nachweise)

Verknüpfungen

Verknüpfungen zu anderen Personen wurden aus den Registerangaben von NDB und ADB übernommen und durch computerlinguistische Analyse und Identifikation gewonnen. Soweit möglich wird auf Artikel verwiesen, andernfalls auf das Digitalisat.

Orte

Symbole auf der Karte
Marker Geburtsort Geburtsort
Marker Wirkungsort Wirkungsort
Marker Sterbeort Sterbeort
Marker Begräbnisort Begräbnisort

Auf der Karte werden im Anfangszustand bereits alle zu der Person lokalisierten Orte eingetragen und bei Überlagerung je nach Zoomstufe zusammengefaßt. Der Schatten des Symbols ist etwas stärker und es kann durch Klick aufgefaltet werden. Jeder Ort bietet bei Klick oder Mouseover einen Infokasten. Über den Ortsnamen kann eine Suche im Datenbestand ausgelöst werden.

Zitierweise

Tedesco, Paul, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd156668890.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus slowak. Fam.;
    V Oskar (1854–1935, jüd.), aus Liptovský (Svätý) Mikuláš (Liptau-St. Nikolaus, Liptószentmiklós, Slowakei), Brückenbauing., österr. Bundesbahnoberbaurat;
    M Thekla Tiktin (1868–1942? Theresienstadt, jüd.), aus Breslau;
    B Erwin Georg (1901–42? Theresienstadt), Dr. rer. pol., Wirtsch.journ.; – ledig.

  • Biographie

    T. besuchte 1908–16 das Maximilian-Gymnasium in Wien und studierte ab 1916 ebenda Indogermanistik und Romanistik, später Indologie und Iranistik; er war v. a. Schüler von Bernhard Geiger (1881–1964), Paul Kretschmer (1866–1956) und Leopold v. Schroeder (1851–1920). Aufgrund der Dissertation „Das iranische Partizipial-Präteritum“ (hsl., nicht mehr vorhanden) wurde T. 1920 promoviert, die Lehramtsprüfung für Latein und Griechisch legte er 1921 ab. Ein Versuch, sich für Iranische Philologie zu habilitieren, scheiterte 1925/26 an dem (wohl vorgeschobenen) Einwand, T. sei zu einseitig sprachwissenschaftlich ausgerichtet und lasse Arbeiten zu Literatur und Kultur des Irans vermissen. Da ihm, trotz hochrangiger Empfehlungen durch Geiger, dann auch Antoine Meillet (1866–1936) und Friedrich Carl Andreas (1846–1930), eine wiss. Karriere in Wien verwehrt blieb, unterrichtete T. 1925–36 an verschiedenen Wiener Gymnasien. 1936–38 wurde er zu Studien über das Verbum der slav. Sprachen beurlaubt.

    Nach dem „Anschluß“ Österreichs an das Dt. Reich wurde T. aus „rassischen“ Gründen entlassen und emigrierte im Herbst 1938 in die USA (1944 Staatsbürger), wo ihm der Indologe Franklin Edgerton (1885–1963) (Yale Univ.), der T. als einen brillanten Linguisten schätzte, eine von der Rockefeller Foundation geförderte Forscherstelle am Institute for Advanced Study in Princeton (New Jersey) vermittelte. Ab 1943 war er an der Yale Univ. als Research Fellow tätig, 1952 wurde er Associate Professor für indoiran. und slav. Sprachwissenschaft, schließlich als Nachfolger von Paul Thieme (1905–2001) 1960–66 Edward E. Salisbury Professor of Sanskrit and Comparative Philology.

    In seiner frühen (Wiener) Schaffensperiode veröffentlichte T. außer der verlorenen Dissertation, die als erste systematische (und zugleich vergleichende) Untersuchung dieser Präteritalbildung gerühmt wird, eine Reihe grundlegender Arbeiten zur Iranistik, und zwar vorwiegend zu den durch die Turfan-Expeditionen zu Beginn des 20. Jh. bekanntgewordenen Sprachen. Am wichtigsten sind die beiden umfangreichen, scharfsinnigen und gründlichen Aufsätze „Dialektologie der westiran. Turfantexte“ (in: Le Monde Oriental 15, 1921 [1924], S. 184–258) und „Ostiran. Nominalflexion“ (in: Zs. f. Indologie u. Iranistik 4, 1926, S. 94–166). In „Dialektologie“ stellte T. die hauptsächlichen Merkmale von und Unterschiede zwischen dem Mittelpersischen und Parthischen fest. Durch Einbeziehung der altiran. wie der modernen Gegebenheiten wies er die Gültigkeit der von ihm für das Mitteliranische herausgearbeiteten Untergliederung in Südwest- und Nordwestiranisch für das Iranische als Ganzes nach, auch wenn die Verhältnisse im einzelnen komplexer sind, als die Turfantexte es erkennen lassen.

    T. erwies sich als ein Pionier für die Erforschung des Sogdischen. Bedeutsam ist v. a. seine systematische Darstellung der ostiran. Nominalflexion, die erstmals das gesamte sogdische und (khotan)sakische Material berücksichtigte. T. konnte dadurch die nähere Zusammengehörigkeit dieser beiden Sprachen nachweisen und eine eigene Untergruppe Nordostiranisch konstituieren. Zu den wichtigsten neuen Erkenntnissen gehört die Entdeckung des sog. „sogdischen Rhythmusgesetzes“ als eines Grundprinzips der Flexionsmorphologie. Diese ist durch zwei verschiedene Haupttypen der Flexion charakterisiert, welche von der prosodischen Struktur der Stämme abhängen. Auch bestätigte T., daß das Jagnobische eine moderne Fortsetzung des (mittelalterlichen) Sogdischen ist.

    In den USA wandte T. sich anderen Forschungsbereichen zu: Abgesehen von zwei Aufsätzen zum Slavischen standen Studien zur Etymologie des Altindoarischen (Sanskrit) im Vordergrund. Zur Erklärung des jüngeren, nicht auf Anhieb als ererbt erkennbaren altindoarischen Wortgutes rechnete T. vorwiegend mit Entlehnungen aus den mittel- und neuindoarischen Volkssprachen Indiens, während andere Forscher wie Thomas Burrow und F. B. J. Kuiper eher Entlehnungen aus dem Dravidischen oder aus den austroasiatischen Sprachen annahmen. Seine Vertrautheit mit den jüngeren indoarischen Sprachen zeigte T. schon in dem Aufsatz „Methodisches zu Turners Nepali-Wörterbuch“ (in: Orientalist. Lit.ztg. 35, 1932, Sp. 523–37). Allerdings konnten seine recht hypothetischen Lösungsvorschläge meist nicht überzeugen, da sie übermäßig mit spontanen Lautveränderungen operierten.

    Die grundlegenden Arbeiten zu den mitteliran. Turfantexten wirkten entscheidend auf die iranistische Forschung und bestimmen|sie z. T. noch heute. Obwohl kein Buch von T. überliefert ist (da die Dissertation in der NS-Zeit offenbar bewußt „entfernt“ wurde), nimmt er eine bedeutende Stellung in der Geschichte der Iranistik des 20. Jh. ein.

  • Werke

    Weitere W „Geben“ u. „Nehmen“ im Indischen, in: Journ. of the American Oriental Soc. 43, 1923, S. 358–90; a-Stämme u. aya-Stämme im Iranischen, in: Zs. f. Indol. u. Iranistik 2, 1923, S. 281–315; Slavic ne-presents from older je-presents, in: Language 24, 1948, S. 346–87.

  • Literatur

    L M. Mayrhofer, in: Österr. Hochschulztg. 33, H. 1–2, 1981, S. 24 f.;
    R. Schmitt, P. T., einer d. Pioniere iranist. Turfanforsch., in: Iranistik 2, H. 1–2, 2003–04, S. 5–20 (W-Verz.);
    U. Maas, Verfolgung u. Auswanderung dt.sprachiger Sprachforscher 1933–1945, I: Dok., 2010, S. 817–19;
    BHdE II; Lex. grammaticorum.

  • Autor/in

    Rüdiger Schmitt
  • Zitierweise

    Schmitt, Rüdiger, "Tedesco, Paul" in: Neue Deutsche Biographie 26 (2016), S. 3-4 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd156668890.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA