Lebensdaten
erwähnt 18. – 20. Jahrhundert
Beruf/Funktion
Industriellenfamilie
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 1081299266 | OGND | VIAF: 5145376252783720173
Namensvarianten
  • Talbot

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Zitierweise

Talbot, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd1081299266.html [19.04.2024].

CC0

  • Biographie

    Als Begründer der Unternehmertradition gilt Johann Hugo Jacob (1794–1850). Er entstammte einer Randerather Notarsfamilie und kam als gelernter Marmorschleifer 1812 nach Aachen. Als Angehöriger der Landwehr kämpfte er in den Befreiungskriegen gegen das napoleon. Frankreich. 1816 heiratete er die aus einer wallon. Unternehmerfamilie stammende Rose Puissant (1798–1862). Die Handelskontakte seines im Marmorhandel aktiven Schwiegervaters beförderten zunächst die Eröffnung einer eigenen Marmorschleiferei in Aachen.

    1838 gründete Hugo Jacob mit dem Kutschenfabrikanten Pierre Joseph Pauwels (1796–1866), einem Brüsseler Verwandten seiner Ehefrau, in Aachen die „Eisenbahnwaggon-Bauanstalt Talbot“, nachdem sie den Zuschlag der „Rhein. Eisenbahngesellschaft“ für den Bau von Eisenbahnwaggons erhalten hatten. Pauwels hatte bereits 1834 Eisenbahnwaggons für die Strecke von Brüssel nach Mecheln geliefert und brauchte Hugo Jacob als preuß. Teilhaber. 1841 kam der erste Auftrag im Umfang von 200 Waggons zu einem erfolgreichen Abschluß. In der Folge fertigten die Talbotwerke u. a. für die „Bad. Eisenbahn“, wozu zeitweise ein Zweigwerk in Heidelberg betrieben wurde. 1845 beteiligte sich Hugo Jacob an der Firma „Piedboeuf & Cie. Aachen, Walz- und Hammerwerk“. Als Partner fungierten der belg. Dampfkesselbauer Jacques Piedboeuf (1802–52) sowie die Aachener Unternehmer Johann Leonhard Neuman (1796–1848) und Theodor Esser (1802–78). Das Werk wurde später unter dem Namen „Actienverein Rothe Erde“ bekannt. Ziel des Werkes war u. a. die Deckung des Eigenbedarfs an Halbfertigwaren. Mit dem Tod Hugo Jacobs 1850 schlossen die Talbotwerke vorübergehend, auch wegen sinkender Nachfrage. 1855 wagte Hugo Jacobs jüngster Sohn Carl Gustav (1829–99) mit Peter Herbrand unter der Firma „Talbot & Herbrand“ einen Neuanfang. Seine Brüder Eduard (1817–76) und Julius (1820–76) waren Teilhaber. Gustav heiratete 1856 Marguerite Clemence Piedboeuf (1835–1912), eine Tochter Jean Pascals Piedboeuf (1813–79), Bruder des Partners seines Vaters und u. a. Besitzer von Röhren- und Walzwerken in Düsseldorf. Diese Heirat intensivierte die geschäftlichen Beziehungen. 1866 beendeten Peter Herbrand und Gustav ihre Partnerschaft, fortan firmierte das Werk als „Gustav Talbot & Cie“. 1875 kam es in der Gründerkrise erneut zu einer Betriebsstilllegung, der 1879 ein Neuanfang folgte: Die Brüder Julius und Eduard schieden als Teilhaber aus, während die Geschäfte aufgrund des auch im folgenden Jahrzehnt schwierigen Eisenbahnmarkts eher schleppend verliefen.

    1887 trat Johann Maria Georg (1864–1948), Sohn Gustavs, in den Betrieb ein. Er brachte neben seinem Ingenieurstudium in Aachen und Karlsruhe praktische Erfahrung aus Belgien und Großbritannien mit. Sein Fachwissen veränderte das Unternehmen entscheidend: 1891 erhielt er das Patent für einen neuartigen Transportwagen, den „Talbot-Selbstentlader“. Dieser entwickelte sich zum Erfolgsprodukt der Firma. Zudem nahm er 1894 in Aachen ein neues Werk unter Berücksichtigung modernster Prinzipien der Anlagen- und Produktionstechnik in Betrieb; an diesem Standort wird bis heute produziert.

    Nach dem Tod seines Vaters Gustav 1899 übernahm Georg die Leitung des Unternehmens. Im Zuge des wirtschaftlichen Aufschwungs zu Beginn des 20. Jh. prosperierten die Talbotwerke und expandierten u. a. durch den Kauf der bedeutenden Waggonfabrik „J. P. Goossens“ in Eschweiler-Aue. 1914–24 war Georg Präsident der IHK Aachen, bis 1933 stellv. Präsident. Im 1. Weltkrieg führte er einen von ihm gestifteten Lazarettzug. 1916 entstand, ergänzend zu zwei bereits bestehenden Stiftungen zur Förderung bedürftiger Kinder, die „Carl Gustav Talbot-Stiftung“ zur Unterstützung bedürftiger Arbeiter und deren Angehörigen. Nach Kriegsende erleichterten die Reparationsforderungen der Siegermächte, wozu u. a. Eisenbahnwaggons zählten, das Überleben des Unternehmens im bis 1930 besetzten Rheinland. Georg wurde 1947 zum Ehrenvorsitzenden der IHK Aachen ernannt. Seine Wertschätzung spiegelt sich zudem in den Ehrentiteln Geh. Kommerzienrat, Dr.-Ing. E. h. (1914), Ehrenbürger (1924) und Ehrensenator (1934) der RWTH Aachen. Zudem engagierte er sich stark im Pferdesport und im musischkulturellen Bereich.

    1922 trat Georgs Sohn Richard (1896–1987) nach einem Studium der Volkswirtschaftslehre und des Maschinenbaus in das Unternehmen ein und übernahm 1926 die Geschäftsführung. 1928 heiratete er Carla Toebelmann (1907–92). Das Unternehmen erweiterte die Produktpalette um Dieseltriebwagen und Straßenfahrzeuge wie Omnibusse und Straßenbahnen. Hierfür entstand nahe Berlin ein eigenes Werk, wo seit 1935 auch sein Bruder Gustav Georg Herbert (1906–77) tätig war. Vorrangig um die Interessen des Unternehmens zu wahren, trat Richard 1933 der NSDAP bei. Seit 1937 firmierte es als „Waggonbaufabrik Talbot KG“. Richard fungierte als persönlich haftender Gesellschafter, Kommanditisten waren sein Vater Georg, sein Bruder Herbert und seine Schwester Georgette Capellmann (1893–1991). 1939 wurde Richard Präsident der IHK Aachen. In der Folge geriet er zunehmend unter politischen Druck, was ihn 1941 zur Niederlegung seines Amtes veranlaßte und zum Parteiausschluß führte.

    Die Firma profitierte von maßgeblichen Reichsbahn- und Rüstungsaufträgen und beschäftigte Zwangsarbeiter. Im 2. Weltkrieg wurde das Stammwerk stark zerstört. Im Okt. 1945 erteilte die Militärregierung die Genehmigung zur Wiederaufnahme des Betriebs.

    Richard durfte erst nach einem Berufungsverfahren 1948 dem Betrieb wieder vorstehen. In der Folge führte er, unterstützt von seinem Bruder Herbert und seinem Neffen Kurt Capellmann (1923–95), das Unternehmen rasch auf den Weltmarkt zurück. Zugleich erweiterte sich die Produktpalette um Webstühle, Textilmaschinen und Sattelauflieger, während die Übernahme weiterer Konkurrenten, u. a. der „Waggonbaufabrik Uerdingen“ und „Waggonfabrik Düsseldorf“ die Marktposition festigte. Richard wurde 1957 Ehrenmitglied der RWTH Aachen und 1958 Ehrenkonsul des Kgr. Belgien. 1973 übergab er die Führung an Kurt Capellmann. Das Unternehmen zählte Ende der 1980er Jahre etwa 3500 Beschäftigte.

    Der 1994 entwickelte und bis heute sehr erfolgreiche Triebwagenzug „Talent“ (Talbot leichter Nahverkehrstriebwagen) war die letzte wegweisende Produktinnovation, bevor die Familie 1995 die Waggonfabrik „Talbot GmbH & Co.“ an das kanad. Unternehmen „Bombardier“ verkaufte. Der Standort Aachen existiert bis heute als Bestandteil des wichtigsten dt. Lieferanten für Schienenverkehrstechnik. Carlita Grass-Talbot (* 1941), Tochter Richards, fungiert in Aachen als belg. Honorarkonsulin und engagiert sich sowohl als Sponsorin etwa des Aachener Weltfests des Pferdesports, CHIO Aachen, als auch in diversen Stiftungen.

  • Literatur

    V. Engelhardt, Waggonfabrik Talbot Aachen, Eine FS z. Hundertj.feier, 1938;
    W. Schadendorf,…von Europas Eisenbahnen, Waggonfabrik Talbot Aachen 1838–1963, 1963, S. 160 ff.;
    C. Bruckner, Zur Wirtsch.gesch. d. Reg.bez. Aachen, 1967, S. 179 ff.;
    K. van Eyll, Unternehmerkräfte u. Technologietransfer im Dreiländereck zw. Maas u. Inde während d. Frühindustrialisierung, in: F. Schinzinger u. I. Zapp, Prägende Wirtsch.faktoren in d. Euregio Maas-Rhein, 1987, S. 19;
    H. Krohn,…auf der Schiene, Die Gesch. d. Reisezug- u. Güterwagen, 1988, S. 137 ff. u. 160;
    E. Arens u. W. L. Janssen, Gesch. d. Club Aachener Casino, ³2000, S. 151, 189, 199, 236 u. 268;
    M. Engels, Zwangsarbeit in d. Stadt Aachen, 2002, S. 287;
    A. Fusenig, „Wie man e. ,Weltfest d. Pferdesports` erfindet“, Das Aachener Spring-, Reit- u. Fahrturnier v. 1924 bis 1939, 2004, S. 63 f.;
    P. Thomes, 200 J. mitten in Europa, Die Gesch. d. IHK Aachen (1804–2004), 2004, S. 219;
    D. Beaujean, Von Kupferschlägern, Masch.bauern u. Rohstofflieferanten, in: Neuman & Esser 1830–2005, hg. v. R. Mielke, 2005, S. 27.

  • Porträts

    zu Hugo Jacob: Gem. v. J. B. J. Bastiné, 1823/24, Abb. in: H. Krohn (s. L), S. 169;
    zu Georg:
    Gem. v. J. Mataré, 1926, Abb. ebd., S. 170.

  • Autor/in

    Paul Thomes
  • Zitierweise

    Thomes, Paul, "Talbot" in: Neue Deutsche Biographie 25 (2013), S. 769-770 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd1081299266.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA