Lebensdaten
1898 – 1986
Geburtsort
Westtünnen (Westfalen)
Sterbeort
San Antonio (Texas, USA)
Beruf/Funktion
Arzt ; Luftfahrtmediziner
Konfession
-
Normdaten
GND: 10733481X | OGND | VIAF: 112714790
Namensvarianten
  • Strughold, Hubert Josef Heinrich
  • Strughold, Hubertus
  • Strughold, Hubert Josef Heinrich
  • mehr

Objekt/Werk(nachweise)

Porträt(nachweise)

Verknüpfungen

Von der Person ausgehende Verknüpfungen

Personen im NDB Artikel

Verknüpfungen zu anderen Personen wurden aus den Registerangaben von NDB und ADB übernommen und durch computerlinguistische Analyse und Identifikation gewonnen. Soweit möglich wird auf Artikel verwiesen, andernfalls auf das Digitalisat.

Orte

Symbole auf der Karte
Marker Geburtsort Geburtsort
Marker Wirkungsort Wirkungsort
Marker Sterbeort Sterbeort
Marker Begräbnisort Begräbnisort

Auf der Karte werden im Anfangszustand bereits alle zu der Person lokalisierten Orte eingetragen und bei Überlagerung je nach Zoomstufe zusammengefaßt. Der Schatten des Symbols ist etwas stärker und es kann durch Klick aufgefaltet werden. Jeder Ort bietet bei Klick oder Mouseover einen Infokasten. Über den Ortsnamen kann eine Suche im Datenbestand ausgelöst werden.

Zitierweise

Strughold, Hubertus, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd10733481X.html [19.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Ferdinand († 1912), Rektor d. Volksschule in W.;
    M Anna Tillmann (1861–1931); 2 B, 1 Schw;
    1971 (?) Mary († n. 1986), T d. James Webb Dalehite u. d. Edna Foster Webb; kinderlos.

  • Biographie

    S. besuchte bis 1918 das Gymnasium in Hamm (Westfalen) und studierte in Münster, Göttingen, München und Würzburg Medizin (Dr. phil. in Münster 1922, Dr. med. u. Staatsexamen in Würzburg 1923, Approbation 1924). Seit 1924 war er Hilfsassistent am physiol. Institut in Würzburg bei Maximilian v. Frey (1852–1932), 1925/26 in Freiburg (Br.) bei Paul Albin Hoffmann (1884–1962). 1927 habilitierte sich S. in Würzburg für Physiologie (Btrr. z. Kenntnis d. Refraktärphasen d. menschl. Rückenmarks). 1928 war er als Stipendiat der Notgemeinschaft der dt. Wissenschaft an der Western Reserve University in Cleveland (Ohio) bei Carl John Wiggers (1883–1963), 1929 folgte ein Aufenthalt an der Univ. Chicago bei dem Physiologen Anton Carlson (1875–1956). 1933 wurde S. in Würzburg zum ao. Professor für Physiologie mit besonderem Lehrauftrag für Flugphysiologie ernannt, 1935 übernahm er die Leitung des neugegründeten luftfahrtmedizinischen Forschungsinstituts des Reichsluftfahrtministeriums in Berlin, zusammen mit der ao. Professur für Physiologie an der Univ. Berlin (1939 apl. Prof.). 1935 wurde S. zum Regierungsrat, 1936 zum Oberregierungsrat, 1938 zum Oberregierungs-Medizinalrat befördert und 1944 zum Beratenden Luftfahrtmediziner beim Chef des Sanitätswesens der Luftwaffe und Oberstarzt der Luftwaffe ernannt. 1943 verlagerte das Reichsluftfahrtministerium das Forschungsinstitut zunächst nach Schlesien, 1945 nach Göttingen. Hier wurde S. nach Kriegsende von den brit. Besatzungsbehörden unter Hausarrest gestellt.

    Wegen der außerordentlichen Bedeutung seiner luftfahrtmedizinischen Forschungen erhielt S. Ende 1945 von der US-Militärregierung den Auftrag, im „Aero Medical Center“ in Heidelberg mit ehemaligen Mitarbeitern eine Zusammenstellung dt. luftfahrtmedizinischer Forschungen zu erarbeiten. 1946 von der Univ. Heidelberg auf den Lehrstuhl für Physiologie berufen, gelangte S. im Rahmen der „Operation Paperclip“ 1947 nach Randolph Field (Texas) und wurde Mitarbeiter des Luftfahrtmediziners Harry G. Amstrong (1899–1983) in der „School of Aviation Medicine“. Seit 1949 leitete S. die neue Abteilung für Raumfahrtmedizin und wurde 1951 zum Professor für Luftfahrtmedizin, 1958 zum Professor für Raumfahrtmedizin ernannt. Seit 1956 amerik. Staatsbürger, avancierte er 1962 zum „Advisor for Research“ und wurde Vorsitzender der „Advanced Studies Group“ (em. 1968).

    S.s Forschungen sind in den Kontext des Fortschritts in der Luftfahrttechnik und der damit sich entwickelnden Luftfahrtmedizin seit Ende der 1920er Jahre einzuordnen. In seinen Versuchen am Menschen, auch in Form des Selbstversuchs, verband S. Grundlagenforschung mit experimenteller Erprobung. Ausgangspunkte seiner Arbeiten waren sinnes- wie auch neurophysiologische Beobachtungen zu Druck-, Wärme-, Kälte- und Schmerzsinn der Haut, die er in den Kontext flugphysiologischer Forschungen stellte, mit denen er die Auswirkung des atmosphärischen Druckes auf den menschlichen Organismus untersuchte. S. beschäftigte sich mit den Auswirkungen von Sauerstoffmangel in großen Höhen auf den Menschen, seine Anpassungsfähigkeit sowie deren Abhängigkeit von Konstitution, Geschwindigkeit des Sauerstoff- und Druckverlustes sowie Körperstellung im Flugzeug und erarbeitete dafür eine höhenphysiologische Nomenklatur. Das von S. entwickelte „Schema“ half Piloten bei Veränderung der Druckverhältnisse in der Flugkabine eigene Handlungsmöglichkeiten einzuschätzen. Dies war für das Fliegen in großen Höhen, wie es insbes. vom Militär angestrebt wurde, von zentraler Bedeutung. In den USA führte S. seine in den 30er Jahren begonnenen Arbeiten im Rahmen der Luft- und nun auch Raumfahrtmedizin fort und beschäftigte sich u. a. mit der Auswirkung von Schwerelosigkeit und Isolation auf den Menschen sowie mit der Entwicklung von Raumanzügen. Im Gegensatz zu einigen seiner Mitarbeiter wurde S. im Nürnberger „Ärzteprozeß“ 1946/47 nicht angeklagt. 1958 kam S. in den USA in Verdacht, an den luftfahrtmedizinischen Experimenten im KZ-Dachau, bei denen zahlreiche Menschen zu Tode kamen, beteiligt gewesen zu sein, ohne daß dies auf seine Karriere Auswirkungen gehabt hätte. Neuere Forschungen ergaben, daß S. zwar nicht selbst in Dachau geforscht, sich jedoch an dem auf diesen Versuchen beruhenden wissenschaftlichen Diskurs beteiligt und an einschlägigen Konferenzen teilgenommen hat. Zudem wurden an seinem Forschungsinstitut an Kindern aus der psychiatrischen Landesanstalt Görden (Brandenburg) „Versuche zur Krampfprovokation durch Sauerstoffmangel“ durchgeführt. Unter Verweis auf seine Forschungen in der Zeit des Nationalsozialismus wurde die 1977 nach S. benannte „Hubertus Strughold Aerospace Medical Library“ 1995 in „Randolph’s Aeromedical Library“ umbenannt, 2006 sein Name aus der „International Space Hall of Fame“ im New Mexico Museum of Space History entfernt und der seit 1978 von der Dt. Gesellschaft für Luft- und Raumfahrtmedizin verliehene „Hubertus-Strughold-Preis“ seit 1997 nicht mehr vergeben.

  • Auszeichnungen

    A Mitgl. zahlr. dt. u. amerik. wiss. Ges., u. a. Lilienthal-Ges. (1937–45), Dt. Ak. d. Luftfahrtforsch. (1937–45), d. Dt. Ges. f. Luftfahrtmed. (1943–45), d. Aero Medical Association (Ehrenmitgl. 1937, Fellow 1958), d. Space Medicine Branch of Aerospace Medical Ass. (Gründungsmitgl. 1950, Präs. 1959/60);
    Gr. BVK (1983); Hubertus Strughold Award d. Space Medicine Branch d. Aero Space Medical Association (seit 1963).

  • Werke

    Die Wirkung d. Kampfstoffe „Diphenylarsinchlorid (Blaukreuzstoff) u. Äthylarsindichlorid“ auf die Haut des Menschen, Diss. phil. Münster, 1923;
    Über d. Dichte u. Schwellen d. Schmerzpunkte d. Epidermis in d. versch. Körperregionen, in: Zs. f. Biol. 80, 1924, S. 367–81 (Diss. med.);
    Btrr. z. Refraktärphasen d. menschl. Rückenmarkes, 1927 (Habil.schr.);
    Aufgaben d. Luftfahrtmed. innerhalb d. dt. Luftwaffe, in: Med. Welt 9, 1935, S. 1599–1601;
    Zeitreserve n. Unterbrechung d. Sauerstoffatmung in gr. Höhen, in: Luftfahrtmed. 3, 1939, S. 55–63;
    Über Veränderungen d. Gehirnaktionsströme im akuten Sauerstoffmangel, ebd. 5, 1941, S. 161–83;
    Grundriß d. Luftfahrtmed., 1939, ²1944 (mit S. Ruff); German Aviation Medicine, World War II, 2 Bde., 1950; Wie wird sich d. menschl. Organismus voraussichtl. im schwerefreien Raum verhalten?, in: Weltraumfahrt 2, 1951, S. 81 f.; Physik u. Physiol. d. Drucksturzes im Weltraum, ebd. 4, 1952, S. 118–20 (mit F. Haber).

  • Literatur

    R. Winau u. K. Kirsch, The early days of space medicine in Germany, in: Aviation, Space and Environmental Medicine 57, 1986, S. 633–35;
    T. Bower, Verschwörung Paperclip, 1987, S. 285–304, 323, 344;
    K.-H. Roth, Luftfahrtmed. Forsch. 1933–41, in: Zs. f. Sozialgesch. d. 20. u. 21. Jh., 15, 2000, S. 49–77;
    ders., Tödl. Höhen, Die Unterdruckkammer-Experimente im KZ Dachau u. ihre Bedeutung f. d. luftfahrtmed. Forsch. d. „Dritten Reichs“, in: A. Ebbinghaus u. K. Dörner (Hg.), Vernichten u. Heilen, Der Nürnberger Ärzteprozeß u. seine Folgen, 2001, S. 110–51;
    A. v. Schwerin, Experimentalisierung d. Menschen, Der Genetiker Hans Nachtsheim u. d. vgl. Erbpathol. 1920–1945, 2004, S. 302–16;
    V. Harsch, Leben, Werk u. Zeit d. Physiol. H. S., 2004 (W-Verz, P);
    C. Kehrt, `Higher, always higher`, Technology, the military and aviation medicine during the age of the two world wars, in: Endeavour 30, 2006, S. 138–43;
    Personenlex. Drittes Reich;
    Pogg. VII a, VIII;
    Drüll, Heidelberger Gel.lex. IV.

  • Autor/in

    Sabine Schleiermacher
  • Zitierweise

    Schleiermacher, Sabine, "Strughold, Hubertus" in: Neue Deutsche Biographie 25 (2013), S. 593-595 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd10733481X.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA