Lebensdaten
1891 – 1969
Geburtsort
Mark bei Hamm
Sterbeort
Essen
Beruf/Funktion
Schriftsteller ; Filmkritiker
Konfession
-
Normdaten
GND: 11884699X | OGND | VIAF: 51721260
Namensvarianten
  • Siemsen, Johannes Hermann Ernst
  • Pfarrer Silesius (Pseudonym)
  • Siemsen, Hans
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Zitierweise

Siemsen, Hans, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd11884699X.html [19.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V August Hermann;
    M Anna Sophie Lürßen;
    2 B, 2 Schw u. a. Anna (s. 1); – ledig.

  • Biographie

    S. verbrachte seine Jugend in Westfalen und verließ das Realgymnasium in Osnabrück ohne Abitur. Anschließend begann er dort eine Lehre als Buchhändler bei der Buchhandlung Ferdinand Schöningh am Dom, bevor er 1912 zu seiner Schwester Anna nach München zog und Vorlesungen zur Kunstgeschichte hörte; vermutlich war er auch eine Zeit lang im Buchhandel tätig. 1913 reiste er für mehrere Monate nach Paris, wurde Mitglied im Künstlerkreis des „Café du Dôme“ und schloß u. a. Bekanntschaft mit Wilhelm Uhde, Ernesto de Fiori und v. a. mit dem Maler und Schriftsteller Rudolf Levy (1875–1944). 1913 erschien sein erster literarischer Beitrag in der Berliner Zeitschrift „Pan“. 1914 wurde S. Mitarbeiter bei Franz Pfemferts (1879–1954) kulturpolitischer Zeitschrift „Die Aktion“ und übernahm im Jahr darauf die Chefredaktion des „Zeit-Echos“. Hier wies er als einer der ersten auf die Bedeutung Kafkas hin und machte Bekanntschaft mit Theodor Däubler und Detlev v. Liliencron. Mit Else Lasker-Schüler (1869–1945), die ihm ihr Gedicht „Laurencis“ widmete, verband ihn eine enge Freundschaft. Wegen der Einberufung im Herbst 1916 und seinem Aufruf zum „sozialistischen Frieden“ mußte er die Redaktion des „Zeit-Echos“ aufgeben. Die Weltkriegserfahrung, die für S. mit Verschüttung, Gasvergiftung und einem längeren Lazarettaufenthalt endete, machte aus ihm einen engagierten Pazifisten (Wo hast du dich denn herumgetrieben?, 1920). 1919 ließ S. sich als freier Schriftsteller in Berlin nieder, schrieb für zahlreiche Zeitungen und Zeitschriften (u. a. Berliner Tagebl., 8 Uhr-Abendbl., Frankfurter Ztg., Magdeburg. Ztg., Querschnitt, Die lit. Welt, Das Tage-Buch) und pflegte Freundschaften u. a. zu Renée Sintenis, ihrem Mann Emil Rudolf Weiß, Joachim Ringelnatz, Asta Nielsen und Harry Gf. Kessler. Für die Berliner „Weltbühne“ verfaßte er 1919–33 etwa 70 Beiträge zu Themen aus dem gesamten Kunst- und Kulturspektrum, v. a. zum Film. S., der den Film auf eine Stufe mit den traditionellen Kulturmedien stellte, war einer der ersten und wichtigsten seriösen Filmkritiker in Deutschland; er machte durch seine Kritiken u. a. den Komiker Charlie Chaplin in Deutschland bekannt. In seinen Artikeln (und indirekt in seinen Erzählungen) stritt S. auch für gesellschaftliche Toleranz gegenüber der Homosexualität und engagierte sich für Magnus Hirschfelds Initiative zur Abschaffung des „Homosexuellen“-Paragraphen 175. Wie viele dt. Intellektuelle seiner Zeit blickte er – ohne Kommunist oder Sozialist zu sein – mit Interesse auf die Entwicklungen in Sowjetrußland, das er 1930 bereiste. Seine kritische und unvoreingenommene Auseinandersetzung mit den Vor- und Nachteilen des sowjet. Staats erschien als Artikelserie in der „Frankfurter Zeitung“ (Buchfassung u. d. T. „Rußland, Ja u. nein“, 1931). 1934 ging S. nach Paris. Als Mitglied im neugegründeten „Schutzverband Dt. Schriftsteller im Exil“ (SDS) wurde er 1937 neben Bertolt Brecht, Egon Erwin Kisch und Anna Seghers in den Vorstand gewählt. 1938 wurde er Generalsekretär des „Bundes Neues Deutschland“ (BND), 1939 Mitglied der „Union Franco-Allemande“; Beiträge lieferte er für die Exilblätter „Pariser Tageszeitung“ und „Die Zukunft“. Um über die rassistische NS-Politik aufzuklären, veröffentlichte er 1936 anonym die Broschüre „Was soll mit den Juden geschehen? Praktische Vorschläge von Julius Streicher und Adolf Hitler“ (1936), in der er Äußerungen Streichers und Hitlers zur „Judenfrage“ kommentierte. 1936 lernte S. Walter Dickhaut kennen, dessen Erzählungen über seine Zeit bei der „Hitlerjugend“ ihn 1938 zu dem Roman „Die Geschichte des Hitlerjungen Adolf Goers“ inspirierten, in dem er eindrucksvoll die Geschichte eines aus Deutschland nach Frankreich geflohenen Hitlerjungen wiedergab. Wegen seiner homosexuellen Thematik fand das Manuskript – trotz Fürsprache von Klaus Mann und Alfred Döblin – keinen Verleger. 1940 konnte eine engl. Ausgabe in London („Hitler Youth“, ²1941) erscheinen; eine deutsche folgte erst 1947 (Neudrr. 1981, 2000).

    1940 wurde S. von der Vichy-Regierung interniert, 1941 konnte er in die USA ausreisen. 1942–45 arbeitete er für „Voice of America“ und verfaßte unter Pseudonym moralisierende Propaganda-Predigten an dt. Hörer. 1948 kehrte er mittellos, alkoholabhängig und psychisch zerstört nach Deutschland zurück und lebte bei seinem Bruder Karl in Düsseldorf, seit 1953 in einem Altenpflegeheim in Essen-Holsterhausen.

    S.s literarisches Werk wurde durch sein engagiertes publizistisches Wirken in der Weimarer Republik überdeckt. S. gehört zu jenen Autoren der Moderne, die trotz ihrer Herkunft früh der Enge der Provinz entgingen und in der Welt der Großstädte, anderer Länder und der Künste die Weite fanden. Gerade sein Impetus, mit dem er die Probleme seiner Zeit zur eigenen Angelegenheit werden ließ, machen seine Texte noch heute lesenswert.

  • Werke

    Auch ich, Auch du, Aufzeichnungen e. Irren, [1919];
    Das Wannseebad, 1922;
    Die Gesch. meines Bruders, 1923 (zahlr. Überss.);
    Das Tigerschiff, 1923;
    Charlie Chaplin, [1924];
    Der gr. Betrug, 1924;
    Paul ist gut, 1926;
    Verbotene Liebe, [1927];
    J. Ringelnatz, Der Nachlaß, 1935 (anonym, mit L. Gescher Bearb. u. Hg.);
    Wo willst du hin?, 1947;
    Schrr., hg. v. M. Förster, 3 Bde., 1986–88;
    H.-S.-Lesebuch, zus.gestellt u. mit e. Nachwort versehen v. D. Sudhoff, 2003 (P);
    Nein! Langsam! Langsam!, Feuilletons, hg. u. mit e. Nachwort versehen v. D. Sudhoff, 2008.

  • Literatur

    W. Haas, Der Sinn d. Filmkritik, Offene Antwort an H. S., in: Die lit. Welt, 1927, Nr. 37 (P);
    Schwul im Exil, Über d. Schriftst. H. S., Erinnerungen aus Paris u. New York, in: Torso, 1983, Nr. 6, S. 46–50 (W, P);
    H. M. Förster, in: Lit. v. nebenan (1900–1945), hg. v. B. Kortländer, 1995, S. 329–33 (W, L, P);
    D. Schiller, Alfred Döblin, H. S. u. d. Bund Neues Dtld. 1938/1939, in: Exil 22, 2002, S. 44–61;
    D. Sudhoff, Die lit. Moderne u. Westfalen, Besichtigung e. vernachlässigten Kulturlandschaft, 2002, S. 452–505;
    ders., „Hans war gut“, Eine Erinnerung an H. S. (1891–1969), in: Lit. in Westfalen 8, 2006, S. 133–86 (W, L, P);
    B. Bruns, H. S., Journalist, Feuilletonist, Filmkritiker (in Vorbereitung);
    I. v. Scheven (Bearb.), Hammer Autoren 1973, 1973;
    Kosch, Lit.-Lex.³;
    Killy;
    BHdE II;
    B. Hergemöller, Mann f. Mann, 2001;
    CineGraph;
    Westfäl. Autorenlex. III (W, L, P).

  • Autor/in

    Wolfgang Delseit
  • Zitierweise

    Delseit, Wolfgang, "Siemsen, Hans" in: Neue Deutsche Biographie 24 (2010), S. 383-384 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11884699X.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA