Lebensdaten
1907 – 1974
Geburtsort
Berlin
Sterbeort
Kröv/Mosel
Beruf/Funktion
Reichsjugendführer ; Staatssekretär ; Reichsstatthalter und NS-Gauleiter von Wien ; Kriegsverbrecher
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 118607804 | OGND | VIAF: 34465111
Namensvarianten
  • Schirach, Baldur Benedikt von
  • Falk, Richard (Tarnname)
  • Schirach, Baldur von
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Zitierweise

Schirach, Baldur von, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118607804.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus oberlausitz. Fam., deren Stammreihe mit George Schierag (erw. 1485), Bauer in Schmiedel b. Kamenz. beginnt;
    V Carl (1873–1948), aus Kiel, bis 1908 Rittmeister im Gardekürassier-Rgt. in B., sächs. Kammerherr, 1908-18 Gen.intendant d. Hoftheaters in Weimar, 1933-43 d. Landestheaters in Wiesbaden (s. Wi. 1935; Nassau. Biogr.), S d. Friedrich (1842–1917), aus Kiel, Major d. US-Army, u. d. Elisabeth Baily-Norris (1833–73), aus Baltimore (Maryland, USA);
    M Emma Tillou (1896–1944), aus Chestnut Hill b. Philadelphia (USA);
    Ur-Gvv Karl (1790–1864), dän. Etats- u. Oberappellationsger.rat (s. ADB 31), S d. Gottlob Benedict (1743–1804, österr. Adel 1776), Prof. d. Gesch. u. Pol. an d. Univ. Helmstedt, dän. Etatsrat (s. ADB 31; Hamburg. Biogr. III);
    Ov Friedrich (1870–1924), preuß. Rittmeister, Maximilian (1876–1931), Major, Hermann (1885–1942), Redakteur;
    Schw Rosalind (1898–1981, Viktor Borosini Edler v. Hohenstern), Opernsängerin (s. Wi. 1935);
    München 1932 (Trauzeugen: Hitler u. Röhm) ( 1950) Henriette (* 1913, s. L), T d. Heinrich Hoffmann (1885–1957), aus Fürth, Photograph, „Reichsbildber.erstatter“, 1929-33 Stadtrat in München (NSDAP), dann MdR, Bildpropagandist u. Kunstberater Hitlers, Bildverleger, Prof. (s. W, L), u. d. Maria Theresie Baumann;
    3 S Klaus (* 1935), Dr. iur., RA in München, Robert (1938–80), Schriftst. in München, Richard (* 1942, s. L), Dr. phil., Sinol., Untern.berater in München, 1 T Angelika (* 1933, Günther Knipp, Maler).

  • Biographie

    Nach Privatunterricht im Elternhaus besuchte S. 1917-19 das Waldpädagogium Hexenberg b. Bad Berka (Thür.) und seit 1919 das Realgymnasium in Weimar (1927 Abitur). Hier bereits 1924/25 Angehöriger der Wehrjugendgruppe „Knappschaft“, trat er nach einer Begegnung mit Hitler 1925 in die NSDAP und 1927 in die SA ein (1928 SA-Sturmführer, 1931 SA-Gruppenführer, 1941 SA-Obergruppenführer). Seit 1927 studierte S. in München Germanistik, Anglistik und Kunstgeschichte und wurde Mitglied (1928 Führer) der Ortsgruppe München des Nationalsozialistischen Dt. Studentenbundes (NSD-StB). Wegen seines Engagements für die NSDAP brach er 1928 sein Studium ab, fungierte 1928-31 als Reichsführer des NS-Studentenbundes und gehörte somit zur Reichsleitung der NSDAP. Im Dez. 1928 war er einer der Initiatoren des „Kampfbundes für dt. Kultur“ und im Jan. 1929 einer der Begründer des NS-Organs „Akademischer Beobachter“ (später „Die Bewegung“).

    Im Okt. 1931 wurde S. von Hitler zum Reichsjugendführer (RJF) der NSDAP, im Mai 1932 zum Reichsleiter der NSDAP für Jugenderziehung, im Juni 1932 zum Reichsführer der Hitlerjugend (HJ) und ein Jahr später zum Jugendführer des Dt. Reichs ernannt; in dieser Eigenschaft war er bis 1934 Staatssekretär zunächst im Reichsministerium des Innern, bis 1936 im Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung.

    Im April 1933 verfügte S. die Besetzung der Geschäftsstelle des Reichsausschusses der dt. Jugendverbände, übernahm bis Juni 1933 dessen Vorsitz. In Verfolgung des doppelten Totalitätsanspruchs der HJ, nach dem der Verband „sowohl die Gesamtheit der Jugend, wie auch den gesamten Lebensbereich des jungen Deutschen erfassen“ wollte, erfolgte unter S.s Führung die systemkonforme Ausrichtung des Großteils der dt. Jugend. S. war als Führer der HJ, die im März 1935 in den Rang einer eigenständigen Gliederung der NSDAP erhoben wurde, hauptverantwortlich für die Erfassung und Militarisierung der Jugend, die Durchsetzung des Antisemitismus und die Bereitstellung der Jugendlichen für die Rüstungswirtschaft. Als RJF leitete er seit Mai 1934 zeitweise auch die Abteilung Ausland/Recht und war seit Sept. 1935 zudem Chef des Kulturamtes der Reichsjugendführung. Auf seine Initiative hin erließ Hitler im Dez. 1936 das Gesetz über die HJ, das deren Anspruch auf die Verfügungsgewalt über die dt. Jugend verankerte; S. wurde zum Staatssekretär ernannt und die Reichsjugendführung zu einer nur Hitler unterstehenden Obersten Reichsbehörde erhoben. Mit der 2. Durchführungsverordnung zum HJ-Gesetz vom März 1939 wurde für die Jugend des Dritten Reiches die Zwangsmitgliedschaft in der HJ verfügt. Nachdem S. im Bemühen, zum Reichserziehungsminister ernannt zu werden und die gesamte Jugenderziehung in seiner Hand zu vereinen, gescheitert war, durchlief er seit Dez. 1939 eine militärische Ausbildung und leistete von April bis Juni 1940 Kriegsdienst an der Westfront (Juli 1940 Lt.; E. K. II).

    Im Aug. 1940 wurde S. zum Reichsstatthalter und Gauleiter von Wien ernannt, blieb daneben aber als Reichsleiter der NSDAP für die Jugenderziehung und Beauftragter des Führers für die Inspektion der Hitlerjugend oberster Verantwortlicher für die NS-Jugendpolitik; Reichsjugendführer und Jugendführer des Dt. Reichs wurde Artur Axmann (1913–96). Im Sept. 1942 gehörte er zu den Begründern des in Wien gebildeten Europ. Jugendverbandes, zu dessen Ehrenpräsident er ernannt wurde. Seit Okt. 1940 beteiligte sich S. an der Deportation von Juden aus Wien ins Generalgouvernement, versprach im Juni 1942, „diese Stadt judenfrei [zu] machen“ und erteilte „als Gauleiter von Wien den Befehl, nach der Evakuierung der Juden [auch] sämtliche Tschechen aus Wien abzuschieben“.

    Zu Kriegsende tauchte S. als „Kriminalschriftsteller Richard Falk“ in Schwaz (Tirol) unter und geriet im Juli 1945 in amerik. Kriegsgefangenschaft. Seit Nov. 1945 Angeklagter im Hauptkriegsverbrecherprozeß in Nürnberg, wurde er im Okt. 1946 wegen „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ (Deportation d. Wiener Juden) zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt, die er im Kriegsverbrechergefängnis in Berlin-Spandau bis Okt. 1966 verbüßte. Als einer der wenigen Angeklagten legte er im Nürnberger Prozeß ein teilweises Schuldbekenntnis ab, insofern er „die Jugend erzogen habe für einen Mann, der ein millionenfacher Mörder gewesen ist. Ich habe an diesen Mann geglaubt“, bestritt aber seine Verstrickung in die Deportation und die Ermordung der Wiener Juden.

  • Auszeichnungen

    Mitgl. d. Kulturrats d. Dt. Auslands-Inst. (1933), d. Ak. f. Dt. Recht (1933), d. Gr. Rats d. Nord. Ges. (1935–43), d. Reichsarbeitskammer (1936) u. d. Reichsbauernrats (1937);
    Reichskultursenator (1936);
    Mitbegr. d. v. Alfred Rosenberg geleiteten Reichsarbeitsgemeinschaft f. dt. Volkskunde (1937);
    Präs. d. Südosteuropa Ges. (1940–45);
    Senator d. Dt. Ak. (1942–45).

  • Werke

    u. a. Die Fahne der Verfolgten, 1931;
    Der Tag v. Potsdam, 100 Bilddok. vom größten Jugendaufmarsch d. Welt, 1933;
    Blut u. Ehre, Lieder d. Hitlerjugend. 1933;
    Das Manifest d. Jugend, Zum Todestag v. Hurbert Norkus, 1933;
    Die Pioniere d. Dritten Reiches, 1933;
    Die Hitler-Jugend, Idee u. Gestalt, 1934;
    Der Führer, Das Weihnachtsbuch d. dt. Jugend, 1938;
    Rev. d. Erziehung, Reden aus d. Jahren d. Aufbaus, 1939;
    Das Reich Adolf Hitlers, Ein Bilderbuch v. Werden Großdtld.s, 1913–1940, 1940;
    Adolf Hitler an seine Jugend, 1940, Das Wiener Kulturprogr., Rede … am … 6. April 1941, 1941;
    Rede … zum 15. Namenstag d. HJb., 1941;
    Kantatorede, 1941;
    Europa ist mehr als e. Kontinent, Ansprache … am 14. Sept. 1942, 1942;
    Ich glaubte an Hitler, 1967;
    Hg.:
    „Die dt. Zukunft, Mh. d. nat.soz. Jugend“ (seit 1931; auch Schriftleiter);
    „Wille u. Macht“ (1934-44);
    Mithg. (mit Heinrich Hoffmann):
    Der Triumph d. Willens, Kampf u. Aufstieg Adolf Hitlers u. seiner Bewegung, 1933;
    Der Parteitag d. Sieges, 100 Bilddok. v. Reichsparteitag zu Nürnberg 1933, 1933;
    Der Parteitag d. Macht, Nürnberg 1934, 1934;
    Jugend um Hitler, 120 Bilddok. aus d. Umgebung d. Führers, 1934;
    Hitler in seinen Bergen, 86 Bilddok. aus d. Umgebung d. Führers, 1935;
    Hitler, wie ihn keiner kennt, 100 Bilddok. aus d. Leben d. Führers, 1935.

  • Literatur

    Max v. Schirach, Gesch. d. Fam. v. Schirach, 1939;
    Reichsleiter B. v. S., Tätigkeit als Reichsstatthalter u. Gauleiter in Wien, Aug. 1940 – Nov. 1942, hg. v. d. NSDAP, Gauleitung, Gaupresseamt-Archiv, 1942;
    D. O. White, Hitler's Youth Leader, A study of the heroic Imagery in the Major public Statements of B. v. S., Diss. Ann Arbor (Michigan) 1971;
    Henriette v. Schirach, Der Preis d. Herrlichkeit, Erlebte Zeitgesch., 1956, ⁷2003 (P);
    M. Wortmann, B. v. S., Hitlers Jugendführer, 1982;
    ders., in: Die braune Elite, hg. v. R. Smelser u. R. Zitelmann, 1989, S. 246-57 (P);
    J. v. Lang, Der Hitler-Junge, B. v. S., Der Mann, der Dtld.s Jugend erzog, 1988;
    M. Buddrus, Totale Erziehung f. d. totalen Krieg, HJb. u. nat.soz. Jugendpol., 2003;
    Richard v. Schirach, Der Schatten meines Vaters, 2005 (P);
    Das Dt. Führerlex., 1934 (P);
    Killy;
    Biogr. Lex. Drittes Reich;
    Munzinger;
    GHdA 78 (AB 14), 1981 (P zu Friedrich); – zu Heinrich Hoffmann:
    Hoffmann & Hitler, Fotogr. als Medium d. Führer-Mythos, Ausst.kat. Stadtmus. München 1994.

  • Autor/in

    Michael Buddrus
  • Zitierweise

    Buddrus, Michael, "Schirach, Baldur von" in: Neue Deutsche Biographie 23 (2007), S. 4-5 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118607804.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA