Lebensdaten
1584 – 1648
Geburtsort
Wien
Sterbeort
Mailand
Beruf/Funktion
Jesuit
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 124293077 | OGND | VIAF: 100167026
Namensvarianten
  • Inchofer, Melchior
  • Cornelius Europaeus, Lucius
  • Imhofer, Melchior
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Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Inchofer, Melchior, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd124293077.html [24.04.2024].

CC0

  • Biographie

    Inchofer: Melchior J., Jesuit, geb. 1584 zu Wien, am 28. Sept. 1648 zu Mailand. Er trat 1607 zu Rom in den Jesuitenorden und lehrte eine Reihe von Jahren Philosophie, Mathematik und Theologie zu Messina. Hier begann er seine schriftstellerische Thätigkeit in charakteristischer Weise 1629 mit der Veröffentlichung einer Schrift in Folio, worin er die Echtheit eines angeblichen Briefes der hl. Jungfrau Maria an die Messinesen (derselbe ist abgedruckt in den Unsch. Nachr. 1720, 420) vertheidigte ("Epistolae B. Mariae V. ad Messanenses veritas vindicata ac plurimis gravissimorum scriptorum testimoniis et, rationibus illustrata"). Er wurde darauf nach Rom citirt und sein Buch, „donec corrigatur“, verboten. Im J. 1632 erschien zu Viterbo eine corrigirte und von der Indexcongregation genehmigte Ausgabe ("De epistola B. Mariae ad Messanenses conjectatio plurimis rationibus et, verosimilitudinibus locuples"). Während dieses Aufenthaltes in Rom war er als Consultor der Inquisition an dem Processe gegen Galilei betheiligt, und gleich nach der Beendigung desselben veröffentlichte er 1633 zu Rom eine Schrift gegen das Copernicanische System ("Tractatus syllepticus, in quo quid de terrae solisque motu vel statione secundum S. Scripturam et SS. Patres sentiendum quave certitudine alterutra sententia tenenda sit, breviter ostenditur"). Eine zweite Schrift derselben Tendenz, die er 1635 verfaßte, blieb ungedruckt, wahrscheinlich weil die Ordensoberen oder die römische Censurbehörde die Druckerlaubniß nicht ertheilten (das Manuscript ist noch vorhanden). Ende 1634 kehrte J. nach Messina zurück und veröffentlichte dort 1635 die „Historiae sacrae latinitatis II. VI“ (auch München 1638), worin er u. a. als „probabel“ nachzuweisen sucht, daß Christus mitunter lateinisch geredet und daß die Seligen im Himmel lateinisch mit einander sprechen. 1636 kam er wieder nach Rom und scheint dort bis 1647 geblieben zu sein. Eine Zeit lang docirte er Exegese im römischen|Colleg, zuletzt lebte er „ohne häusliche Aemter“ im deutschen Colleg. Er wurde in diesen Jahren auch als Consultor der Inquisition und der Indexcongregation beschäftigt. 1644 erschien von ihm zu Rom der erste Band seiner „Annales ecclesiastici regni Hungarici"; eine Fortsetzung ist nicht erschienen, und auch für den ersten Band soll er nur mit Mühe die Druckerlaubniß erhalten haben. Außerdem veröffentlichte er in dieser Zeit einige kleinere Arbeiten, u. a. Streitschriften gegen Kaspar Scioppius unter dem Namen „Eugenius Lavanda“ und astronomische Schriften unter dem Namen „Academicus Vertumnius“ (viele Schriften von ihm sind nicht gedruckt). Einige Briefe von ihm an Leo Allatius wurden in dessen Werken gedruckt, in dessen „Symmicta“ auch eine Dissertation „De eunuchismo sacro“, worin er die 1641 von Zacharias Pasqualigo — der 1633 mit ihm Consultor im Galilei’schen Processe war — ausgesprochene Ansicht bekämpft, daß das Kastriren von Knaben im Interesse der Gesangskunst erlaubt sei. Die Angabe, er habe sich durch diese Dissertation den Zorn der Sänger und Musikfreunde zugezogen und darum seine Versetzung von Rom beantragt, klingt nicht wahrscheinlich. Der Abbé Bourgeois, der 1545—47 im Auftrage französischer Bischöfe in Rom war, um die Verdammung von Arnauld's Buch über die häufige Communion zu hintertreiben, und der sich dort mit J. befreundete, erzählt folgendes: J. habe Urban VIII., bei dem er sehr beliebt gewesen, eine Denkschrift über die Nothwendigkeit einer Abänderung der Verfassung des Jesuitenordens und der Abstellung mancher Mißbräuche in demselben überreicht, und der Papst habe dieselbe, ohne den Verfasser zu nennen, dem im J. 1645 nach dem Tode des Generals Mutio Vitelleschi in Rom zur Wahl seines Nachfolgers versammelten Generalcapitel der Jesuiten zur Erwägung übersandt. 1646 sei dann die Monarchia Solipsorum, die bekannte Satire auf den Jesuitenorden, erschienen und auf J. der Verdacht gefallen, er habe sie geschrieben. Eines Abends habe J. einen vornehmen Römer, der ihn im deutschen Colleg besucht, an die Thüre begleitet, sei dort ergriffen und in den Wagen des Besuchers gesetzt worden, der eiligst davon gefahren sei. Die Studenten des deutschen Collegs hätten Schlimmes geahnt und sofort den Cardinälen Barberini und Franciotti und diese dem Papste Mittheilung gemacht. Der Papst habe noch an demselben Abend den Jesuitengeneral zu sich beschieden und denselben in den strengsten Worten dafür verantwortlich gemacht, daß am anderen Tage J. wieder zur Stelle sei. Durch einen nachgesandten Eilboten sei dann der Wagen in Tivoli eingeholt und J., den man irgendwo habe in Sicherheit bringen wollen, in das deutsche Colleg zurückgeführt worden. Bald darauf scheint er nach Macerata versetzt worden zu sein. Er starb, wie gesagt, zu Mailand. — Die oben erwähnte Schrift, „Lucii Cornelii Europaei Monarchia, Solipsorum, ad V. Cl. Leonem Allatium“, ist seit 1646 wiederholt gedruckt, auch ins Französische, Italienische und Deutsche übersetzt worden. Daß J. sie verfaßt, wird vielfach bestritten und in der Regel der Exjesuit Julius Clemens Scotti als muthmaßlicher Verfasser bezeichnet. Es ist nicht unmöglich, daß beide daran betheiligt waren.

    • Literatur

      Nicéron, Memoires, 35, 322. De Backer, Bibl., V. 333. Reusch, Der Proceß Galilei's, 1879, S. 273. — Der Bericht des Abbe Bourgeois steht in den Oeuvres de M. Antoine Arnauld, 1779, T. 28, p. 716, im Auszuge in der Vorrede zu der französischen Ausgabe der Monarchie des Solipses, Amsterdam 1754, S. VII. Die Dissertatio de auctore libelli de Monarchia Solipsorum (von J. G. Kneschke), Zittau 1811, habe ich nicht gesehen.

  • Autor/in

    Reusch.
  • Zitierweise

    Reusch, Heinrich, "Inchofer, Melchior" in: Allgemeine Deutsche Biographie 14 (1881), S. 64-65 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd124293077.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA