Lebensdaten
nach 1500 – um 1564
Geburtsort
Kemnath (Oberpfalz)
Sterbeort
Sankt Lorenzen am Steinfeld (Niederösterreich)
Beruf/Funktion
Dramatiker ; Chronist ; Herausgeber eines Liederbuches
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 11879518X | OGND | VIAF: 122266309
Namensvarianten
  • Schmältzl, Wolfgang
  • Schmeltzl, Wolfgang
  • Schmältzl, Wolfgang
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Zitierweise

Schmeltzl, Wolfgang, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd11879518X.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Hans, Handwerker;
    M Katharina, verw. Lutz;
    N. N.;
    3 S Konrad, 1538 an d. Univ. Wien immatrikuliert, David, 1540 an d. Univ. Wien immatrikuliert, Jonas, 1552 an d. Univ. Wien immatrikuliert, Kantoreiknabe an d. Hofkapelle Ks. Ferdinands I. (s. MGG).

  • Biographie

    S. studierte seit 1523 in Wien, wo er wohl den Grad eines Magisters erwarb, wirkte als Kantor an der Benediktinerabtei Kastl (um 1535) und in Weiden (1536/37). Als die Oberpfalz 1538 prot. wurde, kehrte er nach Wien zurück (Verleihung d. Bürgerrechts 1543). Hier war er spätestens seit 1540 Schulmeister am Stift Unserer Lieben Frau zu den Schotten und daneben Sänger an der Salvator-Kapelle des Rathauses. 1551/52 gab er seine Tätigkeit auf, um in den geistlichen Stand zu treten. 1554 als Kaplan bezeugt, wurde er 1556 Pfarrer von St. Lorenzen, 1560 außerdem Vicedechant und Inhaber des Dreifaltigkeits-Benefiziums zu Neunkirchen. 1556 nahm er am Feldzug Ehzg. Ferdinands gegen die Türken teil, den er in seiner Reimchronik „Der Christlich und Gewaltig Zug in das Hungerland“ (1556) schildert.

    Als Lehrer am Schottenstift begründete S. das dt.sprachige Schuldrama in Österreich. Überliefert sind sieben Spiele nach biblischen Stoffen, mit lehrhafter Tendenz und pädagogisch-moralischem sowie (konfessions-)politischem Programm, bisweilen inspiriert von prot. Schuldramen (Georg Binder, Paul Rebhun), die S. in seinem Sinn umgestaltete. Die „Comedia des verlornen Sohns“ (1540/45; Neudr. hg. v. A. Rössler, 1955), die vor dem ksl. Hof zur Aufführung gelangte, wurde zu einem Plädoyer für die kath. Rechtfertigungslehre; in der „Comoedia der Hochzeit Cana Galilee“ (1543) erfuhr das Eheverständnis der kath. Kirche, der sakramentale Charakter des Ehestands eine entschiedene Verteidigung. Eine politische Dimension gewannen die Stücke durch S.s Eintreten für ein Friedensreich unter habsburg. Führung, das er in seinem „Exempel des künigs Samuelis und Saulis“ (1551; Neudr. u. d. T. „Samuel u. Saul“, hg. v. F. Spengler, 1883) propagierte. Von diesem Anliegen sind auch das Liederbuch „Guter, seltzamer und kunstreicher teutscher Gesang“ (1544), zugleich eine wichtige Quelle für die Geschichte des Quodlibets, und der in Knittelversen gehaltene „Lobspruch der Hochlöblichen Stat Wienn“ (1547, neu hg. v. M. Kuppitsch, 1849; neu hg. mit Einl., Anm. u. hochdt. Übers, v. A. Silberstein, 1892) geprägt. Im „Lobspruch“ entwarf S. ein farbiges, kulturgeschichtlich bedeutsames Bild der Residenzstadt und trat für eine Reichsidee ein, die durch Kaiser und Papstkirche repräsentiert wurde. Während sich die Musiksammlung S.s noch Ende des 16. Jh. als Quelle für Liedzitate großer Beliebtheit erfreute, z. B. in Bearbeitungen durch Ludwig Iselin und Orlando di Lasso, blieben seine religiösen Schuldramen so gut wie ohne Nachfolge, da das kurze Zeit später einsetzende jesuitische Schultheater in Wien völlig andere literarische Traditionen aufnahm.

  • Werke

    Weitere W Ain new Lied, gemacht zu Ehren dem … Fürsten … Ferdinand, 1556;
    Pasquillus Germanico-latinus, 1557;
    W-Ausgg.:
    E. Triebnigg (Hg.), W. S., Der Wiener Hans Sachs, 1915;
    R. Flotzinger (Hg.), Guter seltzamer u. kunstreicher teutscher Gesang, 1990.

  • Literatur

    ADB 31;
    F. Spengler, W. S., Zur Gesch. d. dt. Lit. im XVI. Jh., 1883;
    E. Bienenfeld, W. S., sein Liederbuch (1544) u. d. Quodlibet d. XVI. Jh., in: Sammelbde. d. Internat. Musikges. 6, 1903, S. 80-135;
    W. Salmen, Die literar- u. musikhist. Bedeutung v. W. S., in: H. Zeman (Hg.), Die österr. Lit., Ihr Profil v. d. Anfängen im MA bis ins 18. Jh., 1986, S. 845-50;
    R. Flotzinger, W. S. u. sein „Teutscher Gesang“ v. 1544, in: Stud. z. Musikwiss. 39, 1988, S. 7-36;
    U. Maley, Gristobel de Castillejos Respuesta u. W. S.s Lobspruch d. Stadt Wien, Ein Vergleich, in: W. Kröner (Hg.), Spanien u. Österr. in d. Renaissance, 1989, S. 97-108;
    R. Flotzinger, in: Danubio 2, 1992, S. 139-48;
    M. Knedlik, W. S., Schuldramatiker, Chronist u. Musiker im Ref.za., in: Österr. in Gesch. u. Lit. 37, 1993, S. 92-104;
    C. Dietl, W. S. u. d. Anfänge d. kath. Schultheaters am Wiener Schottenstift, ebd. 46, 2002, S. 287-94;
    C. Weiland, W. S. u. seine Sauldramen im Spiegel seiner Zeit, 1995;
    W. Neuber, Die Mauern, d. Wendeltreppe, d. Dom u. d. Überblick, Raumwahrnehmung u. stadtbürgerl. Identitätskonstruktion b. Isidor v. Sevilla, Leon Battista Alberti u. W. S., in: Zeitsprünge 2, 1998, S. 89-103;
    Kosch, Theater-Lex.;
    Kosch, Lit.-Lex.³ (L);
    Hist. Lex. Wien;
    MGG²;
    Riemann;
    Österr. Musiklex.;
    Killy;
    New Grove;
    New Grove²;
    BBKL (W, L).

  • Autor/in

    Manfred Knedlik
  • Zitierweise

    Knedlik, Manfred, "Schmeltzl, Wolfgang" in: Neue Deutsche Biographie 23 (2007), S. 128 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11879518X.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Schmeltzl: Wolfgang S. Die biographischen Nachrichten über S. fließen spärlich. Um 1500, als Sohn eines armen Handwerkers, zu Kemnat in der Oberpfalz geboren, finden wir ihn, wie eine handschriftliche Notiz mittheilt, später als Cantor zu Amberg, wo er „ein erlich ehelich Weib vnd Kindle gehobt“, die er um 1540 verließ, um in Wien eine neue Existenz zu gründen. Dort lebt er (1540—53) als Schulmeister bei den Schotten. Die letzten authentischen Nachrichten stammen aus dem Jahre 1557, zu welcher Zeit er als katholischer Pfarrer zu St. Lorenz am Steinfelde in alten Kirchenbucheintragungen nochmals erscheint. Nach 1560 mag er gestorben sein. In seiner Eigenschaft als Schottenschulmeister brachte er jährlich eine Komödie zur Aufführung, von denen wir 7 besitzen; eine (Judicium Salomonis?) scheint verloren. Seine Bedeutung ist nicht zu unterschätzen, da er fast der einzige Vertreter des deutschen Schuldramas ist, den wir in Wien vorfinden. Als Dramatiker folgt er theils der skizzenhaften Manier Hans Sachsens, theils, namentlich wo er bloß Bearbeiter ist, dem strengeren Muster der sächsischen Dramatiker. Seine „Comoedia des verlorenen Sons“ (1540 aufgeführt, 1545 gedruckt) ist eine kürzende Bearbeitung des G. Binderschen Akolast, der seinerseits auf das vielbearbeitete Drama des Gnaphaeus zurückgeht. In der Judith (1542, der Druck ist verloren) fußt er allein auf der Bibel; weder Greff, noch S. Birck hat er gekannt. Charakteristisch sind nur die Anspielungen auf die Türkengefahr und das Treiben der Landsknechte. Skizzenhaft kurz ist die „Aussendung der zwelffpoten“ (1542), die Charakteristik der Apostel naiv und treuherzig. In der „Comoedia der Hochzeit Cana Galilee“ (1543) folgt er dem Muster P. Rebhun's. Eigenthümlich ist ihm die Manier der Bibelerzählung, die höchst undramatisch in die Tischreden eingeflochten wird. Wieder skizzenhaft kurz und bloße Versification der Bibel ist die „Comedj von dem plintgeborn Sonn“. Einen großen Fortschritt der dramatischen Technik dagegen bekunden die beiden letzten Stücke. Im „David und Goliath“ (1545) folgt er möglicherweise dem Muster von S. Birck's Judith. Im „Samuel und Saul“ (1551) (vgl. Wiener Neudrucke 5) ist er wieder ganz selbständig. In beiden Stücken erscheint er von der Bibel weniger abhängig, als früher, neue Personen werden eingeführt, manches episodische und genrehafte selbständig erfunden. Auch hier interessiren die fortwährenden Beziehungen auf die Zeitverhältnisse. Zu der lateinischen Tragödie des frühverstorbenen J. Prasinus „Philaemus“ (1543) schrieb S. eine lateinische Vorrede.

    Von großem localen Interesse ist Schmeltzl's „Lobspruch der Stadt Wien“ (1548, ed. Kuppitsch 1849), der die lebensfrohe und ewig jugendfrische Donaustadt in einer Reihe farbenfrischer Bilder prächtig und mit Behagen vor Augen führt. Unverkennbar ist hier der Einfluß ähnlicher Arbeiten des Hans Sachs; wie dieser versteht er es trefflich, Beschreibung in fortschreitende, lebendige Handlung umzusetzen. — Sein „Zug in's Hungerland“ (1556) schildert in epischen Reimpaaren die Campagne des Erzherzogs Ferdinand im Spätherbste 1556, an der S. möglicherweise als Feldprediger selbst theilnahm. Von musikgeschichtlichem Interesse ist, wie Böhmer's und Eitner's Arbeiten beweisen, seine vierstimmige Liedersammlung (Nürnberg 1544), die wahrscheinlich noch als Frucht seiner Amberger Thätigkeit aufzufassen ist. So erscheinen in S., als einem der letzten|Vertreter, die Beziehungen zwischen österreichischer und deutscher Litteratur, vor der langen Unterbrechung noch einmal lebendig.

    • Literatur

      B. Raupach, Presbyterologia Austriaca 1741, p. 160 f. — Denis, Buchdruckergeschichte Wiens. Kobolt 2, 264 f. — W. Crecelius, Monatshefte für Musikgeschichte XIII (1881), S. 116. —
      Weller, Annalen II, 247. — A. Birlinger, Ein Dichter aus der Oberpfalz (Wolfgang Schmeltzl 1540—1556). Bayer. Zeitung 1865, Nr. 323, Morgenblatt. —
      J. M. Wagner. Oesterreichische Dichter des XVI. Jahrhunderts. Serapeum 1865, S. 121 ff. — W. Saliger, Einiges I. über Wolfgang Schmelzl, II. über Hyeron. Arconetus. Progr. Olmütz 1880, S. 18—30. — F. Spengler, Wolfgang Schmeltzl. Zur Geschichte der deutschen Litteratur im XVI. Jahrh. Wien 1883.

  • Autor/in

    F. Spengler.
  • Zitierweise

    Spengler, F., "Schmeltzl, Wolfgang" in: Allgemeine Deutsche Biographie 31 (1890), S. 637-638 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11879518X.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA