Lebensdaten
1781 – 1826
Geburtsort
Höchstadt/Aisch
Sterbeort
München
Beruf/Funktion
Forschungsreisender ; Zoologe
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 118752146 | OGND | VIAF: 27210696
Namensvarianten
  • Spix, Johann (bis 1821)
  • Spix, Johann Baptist Ritter von
  • Spix, Johann (bis 1821)
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Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Spix, Johann Baptist Ritter von, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118752146.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Johann Lorenz S. (1749–92), Bader u. Stadtchirurg in H.;
    M Franziska Margareta (1749–1838), T d. Antonio Tadino, ital. Handelsmann;
    10 Geschw; – ledig.

  • Biographie

    Nach dem Tod des Vaters wurde der begabte Knabe zum Priesterberuf bestimmt, besuchte seit 1792 die Domschule zu Bamberg und wechselte 1793 auf ein fünfklassiges Gymnasium. Das anschließende Grundstudium der Philosophie in Bamberg beendete S. 1800 oder 1801 mit der Promotion. Sein Theologiestudium setzte er am Klerikalseminar „Zum Guten Hirten“ in Würzburg fort, wurde jedoch wegen seiner Neigung zu den modernen phil. Richtungen von Kant, Fichte und v. a. Schelling vom Priesterseminar ausgeschlossen. 1804 nahm S. das Studium der Medizin und Naturgeschichte in Bamberg (bei Andreas Röschlaub, 1768–1835) und Würzburg (Ignaz Döllinger, 1770–1841) auf, die sich beide der Romantischen Naturphilosophie und der Erregungstheorie von John Brown zugewandt hatten. Nach der Promotion zum Dr. med. im März 1807 zunächst praktischer Arzt in Bamberg, erhielt S. 1808 eine Anstellung bei der Kgl. Akademie der Wissenschaften in München. Die bayer. Regierung sandte ihn zur Vervollständigung seiner Ausbildung in der Naturgeschichte an das 1792 neu geordnete, vorbildliche Muséum National d'Histoire naturelle nach Paris, wo Georges Cuvier (1769–1832), Jean|Baptiste de Lamarck (1744–1829) und Etienne Geoffroy Saint-Hilaire (1772–1844) wirkten. Eine Studienfahrt nach Le Havre und Dieppe im Sept. 1808 ermöglichte ihm, Küsten- und Meerestiere (bes. Invertebraten) zu sammeln und zu untersuchen. In der hiernach entstandenen ersten wissenschaftlichen Publikation (1809) bestätigte und ergänzte er den noch zweifelhaften anatomischen Befund Cuviers eines ectoneuralen Nervennetzes beim Roten Seestern (Asterias rubens, Asteriidae, Echinodermata). Danach bereiste S. Südfrankreich und die ital. Küste bis zum Golf von Neapel und kehrte über die Schweiz nach München zurück, wo er 1810 zum Adjunkten der Akademie der Wissenschaften ernannt wurde. S. veröffentlichte weitere Ergebnisse und reihte die mitgebrachten Naturalien in das Kgl. Naturalienkabinett ein, dessen mineralogischer Teil vom zoologischen abgetrennt wurde. 1811 wurde S. zum Konservator dieser Abteilung ernannt. 1813 erfolgte S.s Ernennung zum o. Mitglied der Akademie.

    Zusammen mit dem Botaniker Carl Friedrich Philipp Martius (1794–1868) unternahm S. 1817–20 im Auftrag Kg. Maximilians I. Joseph von Bayern eine große Forschungsreise nach Brasilien, deren Ergebnisse beide Forscher international bekannt machten. Gesundheitlich durch die Tropenreise geschwächt, konnte S. nur mehr einen Teil seiner Sammlungen auswerten. Er behandelte die Affen und Fledermäuse (1823) sowie Schildkröten und Frösche (1824), Vögel (1824) und Eidechsen (1825). Die Beschreibung der Schlangen (1824) konnte er, unterstützt von Johann Wagler (1800–32) nur beginnen. Weitere Sammlungsteile wurden unter Einbeziehung der Aufzeichnungen von S. durch Johann Andreas Wagner (1797–1861), Louis Agassiz (1807–73) und Maximilian Perty (1804–84) bearbeitet. Die infolge des sich verschlechternden Gesundheitszustands von S. unter Zeitdruck erstellten Veröffentlichungen über die brasilian. Tiere bemühten sich im Stil vordarwinistischer zoologischer Bestandsaufnahmen um die Klassifikation der einzelnen Objekte, ohne deren Biologie, Biogeographie und Ökologie ausreichend zu beachten. Die von S. gesammelten Objekte befinden sich heute größtenteils in der Zoologischen Staatssammlung in München. 1817–23 veröffentlichte S. zusammen mit Martius mehrere Reiseberichte mit Beobachtungen zur Landeskunde, Kartographie, Mineralogie und Ethnographie Brasiliens. In seinem sonstigen naturhistorischen Werk bearbeitete S. überwiegend zoologische Themen. Bei seinen vergleichend-anatomischen Studien fand er an einzelnen wirbellosen Tieren (Seeanemone, Roter Seestern) bis dahin unbekannte Strukturen; beim Blutegel (Hirudo medicinalis, Hirudinea) wies er ein Strickleiter-Nervensystem mit 24 Ganglienpaaren nach (1814). In seiner einzigen paläontologischen Arbeit ordnete S. zwei fossile Röhrenknochen den Fledermäusen statt den noch kaum bekannten Flugsauriern zu (1816 vorgetragen, 1820 veröffentlicht).

    Bedingt durch seine lebenslange Freundschaft mit Schelling, ist S.s gesamtes Werk – die Spätschriften allerdings weniger deutlich – durch die Romantische Naturphilosophie beeinflußt. In einer Übersicht über die Geschichte der Tiersysteme (1811) erörterte S. die Möglichkeit einer zeitlichen Evolution der Tierwelt. In seiner Argumentation verband er Variabilitätsfaktoren wie Geschlechtervermischung, geographische und klimatische Einflüsse oder die Entstehungsdauer von Fossilien mit einer an Lorenz Oken (1779–1851) angelehnten transzendentalen Vorstellung eines einheitlichen, in einer stufenweisen Metamorphose sich entwickelnden „Weltorganismus“. Bei seinen Bemühungen um ein einheitliches Klassifikationssystem der Lebewesen stützte sich S. auf eingehende Studien der Kopfbildung im Allgemeinen und der Schädelstrukturen der Wirbeltiere im Besonderen (1815). Der Schädel der Wirbeltiere enthielt das Gehirn und wesentliche Sinnesorgane, die auch die geistig-seelischen Fähigkeiten des Menschen ermöglichten. Wie die Teile des Schädels jeden Tieres als sämtlichen Körperteilen analog gedeutet wurden, so sollte im Kopf des Menschen, der als der einheitliche transzendentale Organismus oder „Welttypus“ betrachtet wurde, das gesamte Tierreich als ein einheitliches System repräsentiert sein. Diese vergleichend-anatomischen Betrachtungen erfaßten zwar einige Homologien, blieben aber der idealistischen Betrachtungsweise verhaftet, ohne realhistorische Zusammenhänge im Sinne der späteren Evolutionstheorie anzunehmen.

  • Auszeichnungen

    bayer. Zivilverdienstorden (1820);
    HR;
    Mitgl. d. Leopoldina (1820);
    Rr. v. S.-Medaille d. Zool. Staatsslg. München (seit 1981);
    Mus. im Geb.haus in Höchstadt/Aisch (seit 2004);
    Denkmal, ebd.

  • Werke

    Mémoire pour servir à l'histoire de l'astérie rouge, in: Annales du Muséum d'Histoire naturelle 13, 1809, S. 438–59;
    Gesch. u. Beurtheilung aller Systeme in d. Zool, 1811;
    Darst. d. gesammten inneren Körperbaues d. gemeinen Blutigels, in: Denkschrr. d. Kgl. Ak. d. Wiss. zu München 4, 1814, S. 183–224;
    Abh. über d. Affen d. alten u.|neuen Welt im Allgemeinen, insbes. über d. schwarzen Heulaffen u. über d. Moloch, ebd., S. 321–42;
    Cephalogenesis sive Capitis Ossei Structura, Formatio et Significatio per omnes Animalium Classes, Familias, Genera ac Aetates digesta, 1815;
    Simiarum et Vespertilionum Brasiliensium species novae, 1823;
    Animalia nova sive species novae Testudinum et Ranarum, 1824;
    Avium species novae, quas in itinere per Brasiliam (85) collegit, 1824;
    Serpentum Brasiliensium species novae, 1824 (mit J. Wagler);
    Animalia nova sive Species novae Lacertarum, quas in itinere per Brasiliam (85) collegit, 1825;
    Mineralog. Bemerkungen d. Herren S. u. Martius auf ihrer Brasilian. Reise, in: Neue Jbb. d. Berg- u. Hüttenkde. 6, 1825, S. 1–128;
    Carte générale de l'Amérique méridionale en deux grands feuilles, d'après les observations et les cartes spéciales rapportées du voyage dans l'intérieur du Brésil pendant des années 1817–20, 1825 (mit C. F. P. Martius);
    Reise in Brasilien in d. J. 1817–20 gemacht u. beschrieben, Bd. 1, 1823 (mit dems.), Nachdrr. hg. v. K. Mägdefrau, 1966 u. 1980;
    Testacea fluviatilia quae in itinere per Brasiliam [85] collegit, hg. v. F. a Paula de Schrank u. C. F. P. v. Martius, 1827 (mit J. A. Wagner).

  • Literatur

    ADB 35;
    C. F. Ph. v. Martius, Memoriae Joa. Bapt. de S., in: Selecta genera et species piscium quos in itinere per Brasiliam annis 1817–1820 jussu et auspiciis Maximiliani Josephi I Bavariae Regis Augustissimi peracto collegit et pingendos curavit Dr. J. B. v. S., 1829;
    W. Lux, in: Ll. Franken VI, 1960, S. 532–35;
    O. Zerries, Unter Indianern Brasiliens, Slg. S. u. Martius 1817–1820, 1980;
    E.-J. Fittkau, Münchens erster Zoologe, J. B. v. S., in: Jb. d. Bayer. Ak. d. Wiss. 1981, S. 57–60;
    ders., in: Jber. d. Gen.direktion d. Staatl. Naturwiss. Slgg. Bayerns 1981, 1982, S. 35–42;
    ders. (Hg.), FS f. J. B. v. S., in: Spixiana, Suppl. 9, 1983 (Btrr. zahlr. weiterer Autoren);
    ders., J. B. v. S., Zoologe u. Brasilienforscher, in: Brasilian. Reise 1817–20, hg. v. J. Helbig, 1994, S. 53–72;
    I. Jahn u. a., Gesch. d. Biol., 1982, S. 734;
    B. Huber u. W. Huber, in: Spixiana 16, 1993, S. 97–104 (P);
    T. Heinzeller, ebd. 29, 2006, S. 193–97;
    B. Bartkowski, Das Tierreich als Organismus b. J. B. v. S. (1781–1826), 1998;
    W. Huber, Münchner Naturforscher in Südamerika, 1998, S. 17–37 (P);
    K. Lisboa, S. u. Martius auf d. Entdeckung d. Nord(ost)ens Brasiliens, in: J. Born (Hg.), Curt Unckel Nimuendajú, ein Jenenser als Pionier im brasilian. Nord(ost)en, 2007, S. 237–51;
    DSB;
    Henze, Entdecker;
    Lex. Naturwiss.;
    Lex. bed. Naturwiss.

  • Porträts

    Öl/Lwd., anon., o. J. (München, Bayer. Ak. d. Wiss.), Abb. in: Geist u. Gestalt III, Abb. 73.

  • Autor/in

    Brigitte Hoppe
  • Zitierweise

    Hoppe, Brigitte, "Spix, Johann Baptist Ritter von" in: Neue Deutsche Biographie 24 (2010), S. 727-729 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118752146.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Spix: Johann Baptist v. S., geboren am 9. Februar 1781 in Höchstadt a. d. Aisch, am 15. Mai 1826 in München (die Angabe des 13. Mai im Neuen Nekrolog der Deutschen ist unrichtig). S., Sohn eines Stadtchirurgen und Bürgerrathes, war anfangs zum Studium der Theologie bestimmt, welchem er in den Seminarien von Bamberg und Würzburg oblag, wandte sich aber 1804 der Medicin zu, die er im ausgesprochensten naturphilosophischen Geiste zu erfassen suchte, doctorirte in Würzburg, wo er sich Marcus und Schelling näher anschloß, prakticirte kurze Zeit in Bamberg, wurde 1811 durch den Einfluß des ihm nahe befreundeten Schelling als Adjunct der Akademie nach München gerufen, von wo aus er im Interesse der naturgeschichtlichen Sammlungen des Staates Reisen ans Mittelmeer unternahm. Zum Mitgliede der Akademie und Conservator der Zoologischen Sammlung ernannt, ward er 1815 gemeinsam mit Martius ausersehen, eine von der baierischen Regierung auszurüstende naturwissenschaftliche Expedition nach Südamerika zu führen. Martius, der 1812 von S., als dieser Erlangen zum Behufe der Erwerbung der Schreber’schen Sammlungen besuchte, veranlaßt worden war, als akademischer Eleve nach München überzusiedeln, betrieb die Vorbereitungen zur Reise in freundschaftlicher Uebereinstimmung mit S., und beide Forscher, S. als der in der akademischen Rangordnung höhere der Führende, schlossen sich dem wissenschaftlichen Gefolge der österreichischen Erzherzogin Leopoldina an, welche 1817 nach Brasilien fuhr, um neben Dom Pedro I. ihre Stelle auf dem jungen Kaiserthron Brasiliens einzunehmen. Beide Forscher, welche ihre letzten Vorbereitungen in Eile hatten treffen müssen, verließen am 6. Februar 1817 München, vervollständigten in Wien ihre Ausrüstung und schifften sich am 7. April in Triest in Gemeinschaft mit den österreichischen Gelehrten Natterer, Pohl, Schott u. a. auf der österreichischen Fregatte „Austria“ ein, verließen drei Tage darauf den Hafen und langten, nachdem noch in der Adria ein heftiger Borasturm sie mit dem Untergang bedroht hatte, am 15. Juli in Rio de Janeiro an. Ueber den äußeren Verlauf der Reise, die am 8. December 1817 von Rio aus angetreten wurde und nach der Reihe durch die Provinzen San Paulo, Minas Geraes, Goyaz, Bahia, Pernambuco, Piauhy und Maranhão führte, um am 16. April 1820 in Pará zu endigen, ist wenig dem zuzufügen, was in dem Artikel über Martius (A. D. B. XX) gesagt ist. Die beiden Reisenden trennten sich schon in Rio von den österreichischen Gefährten, da ihre Aufgabe die Erforschung eines möglichst großen Theiles von Brasilien auf möglichst langem Wege und die Beobachtung nicht bloß der Pflanzen- und Thierwelt, sondern auch des Völkerlebens umfaßte. Sie stellten viele Beobachtungen gemeinsam an. Längere Aufenthalte machten sie in Bahia Ende 1818, dann in San Luiz de Maranhão, wo sie die willkommene Nachricht von der Genehmigung der Fortsetzung ihrer Reise durch Gran Pará erhielten. Längs der Küste fuhren sie von hier nach Pará, wo sie die Vorbereitungen zum Eindringen in das Innere des Amazonas-Gebietes trafen. Am 21. August verließen sie Pará, wo nach Martius' Bericht sie die glücklichsten Zeiten ihrer Reise, besonders auch in der Gesellschaft des Italieners Zany verlebt hatten, der ihnen als Führer ihres Schiffes auf dem Amazonas die wesentlichsten Dienste später leisten sollte. Am 18. September waren sie in Santarem und erhoben sich am 22. October aus den Niederungen des Amazonas auf das höhere Ufergelände des Rio Negro, um in Barra del Rio Negro (jetzt Manão) herrliche Tage der Erholung zu verleben, die mehr noch dem phantasievollen S. als Martius den Eindruck hinterlassen mochten, daß „diese Gegend für süße, herzzerschmelzende Wehmuth geschaffen, das Land philosophischer Beschaulichkeit, heiliger Ruhe, tiefen Ernstes“ sei. Von diesem fast in der Mitte des Aequatorialdurchmessers Südamerikas gelegenen Punkte aus begaben sie sich den Solimoes aufwärts, um die inmitten|der Einförmigkeit des mittleren Amazonas-Gebietes immer verlockender an sie herantretende Frage zu lösen, wo die Grenze zwischen dieser Natur und der von den Einflüssen der Anden bestimmten zu ziehen sei. In Villa Ega trennten sie sich, um zum Schlusse noch ein größeres Gebiet zu umfassen. S. fuhr am 7. Decbr. den Solimoes weiter aufwärts und überschritt am 9. Januar die brasilianische Grenze bei Tabatinga, während Martius und Zany den Yupurá befuhren. S. traf am 3. Februar in Barra del Rio Negro wieder ein, während Martius von seiner gefahren- und aberteuerreichen Reise erst am 11. März zurückkehrte. Briefe aus Pará, welche die baldige Abreise eines brasilianischen Geschwaders nach Lissabon meldeten, bewogen die Reisenden, mit einem Abstecher zu den Mundrucu's direct nach Pará zu fahren, wo sie am 16. April eintrafen. Die Verpackung der Thiersammlungen, welche das Münchener Museum mit 85 Arten von Säugethieren, 350 Vögeln, 130 Amphibien, 116 Fischen, 2700 Insecten, 80 Arachniden und ebensoviel Crustaceen bereicherten, während Martius 6500 Pflanzenarten mitbrachte — 57 Thiere, besonders Affen und Papageien, kamen lebendig in München an — bereitete S. große Schwierigkeiten; am 13. Juni war sie vollendet, am 18. Juni stach die „Nova Amazona“ in See. Nach einer durch die Leiden der schlechten Behandlung durch den geizigen Capitän und die Furcht vor nordamerikanischen Capern unerfreulichen Ueberfahrt, auf der ihnen zwei indianische Begleiter starben, betraten sie am 24. August portugiesischen Boden, sandten ihre Sammlungen über Triest und eilten über Madrid und Lyon der Heimath zu, wo sie am 10. December wieder eintrafen. Beide Reisende wurden vom König und der Akademie hoch geehrt. Aber S., der schon auf der Reise viel von Fiebern zu leiden gehabt hatte und mit geschwächter Gesundheit zurückgekehrt war, war kein langes an Ehren reiches Leben beschieden wie seinem treuen Gefährten; er starb schon 6 Jahre nach der Rückkehr im 45. Jahre seines Lebens als k. b. Hofrath, Ritter des Civilverdienstordens der b. Krone etc. In S. tritt keine abgeschlossene wissenschaftliche Persönlichkeit vor uns hin. Eine Phantasievolle, bis auf die Wurzel von den Principien der Naturphilosophie durchdrungene Natur, wie ihn Martius genannt hat, schlug er zur Bewältigung des riesigen Thatsachenmaterials seiner Wissenschaft nicht mit Vorliebe den Weg zur Einzelerforschung eines engen Gebietes ein, sondern entwarf große Pläne, die in einem so kurzen Leben auch sein Fleiß und seine Begeisterung nicht zu vollenden vermochten. Seine 1815 erschienene Cephalogenesis, welche den Bau des Schädels durch alle Classen des Thierreiches verfolgte, um aus den oft sehr gewagten Vergleichen leges simul psychologiae, cranioscopiae et physiognomiae abzuleiten, hat die Wissenschaft nicht wesentlich gefördert, weil die Vertiefung in das Material für einen so großen Entwurf zu gering, zumeist überhaupt damals noch nicht möglich war. Von seiner ebenso groß gedachten unterirdischen Zoographie und Phytographie von Bayern, für die er große Sammlungen angelegt hatte, wurde er durch die brasilianische Reise abgelenkt. Als er heimgekehrt die Ordnung und Bekanntmachung seiner Sammlungen in Eile betrieb, um noch einmal nach Brasilien behufs Ausarbeitung einer allgemeinen Encephalogenesis zurückzukehren, stürzte ihm der Tod diesen Plan um. Seine erste größere Schrift „Geschichte und Beurtheilung aller Systeme in der Zoologie“ rühmt Martius als Werk eines gelehrten und geistvollen Forschers. Außer einer kleinen gehaltvollen Schrift über die Entwicklung Brasiliens (1822) hat er zur Kunde der Geographie und Ethnographie Brasiliens leider nichts beigetragen, wogegen ihm die Fauna Südamerikas die Feststellung einer großen Anzahl von Thierformen verdankt.

    • Literatur

      Die gemeinsam mit Martius herausgegebene Reisebeschreibung. — Neuer Nekrolog der Deutschen, 1826 (wenig genauer Nekrolog nach Zeitungsangaben). —
      Martius, Erinnerung an Mitglieder der m.-ph. Klasse der K. b. Akadamie, 1859. — Schramm, Martius' Lebens- und Charakterbild, 1869.

  • Autor/in

    Friedrich Ratzel.
  • Zitierweise

    Ratzel, Friedrich, "Spix, Johann Baptist Ritter von" in: Allgemeine Deutsche Biographie 35 (1893), S. 231-232 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118752146.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA