Lebensdaten
1902 – 1942
Geburtsort
Berlin
Sterbeort
Berlin
Beruf/Funktion
Filmregisseur ; Cutter ; Drehbuchautor
Konfession
konfessionslos
Normdaten
GND: 139052593 | OGND | VIAF: 85120494
Namensvarianten
  • Selpin, Herbert

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Zitierweise

Selpin, Herbert, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd139052593.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Robert oder Johannes (?) ( vor 1942);
    M Erna Sabin (* 1877);
    1) 1933 1937 Anna Markard|(Künstlername Markart) (* 1907), aus Frankfurt/M., Schausp., 2) 1938 (?) Anna Drechsler (1907–91), aus B., Schausp. (s. L).

  • Biographie

    Nach Hilfsdienst, Abitur und abgebrochenem Medizin- und Sportstudium in Berlin war S. nach dem 1. Weltkrieg als Kunstantiquar, Buchhändler und Börsenvertreter tätig. Tourneen führten ihn nach einer Tanzausbildung bis nach Ägypten. Er trat in Varietés auf, wurde als Paartänzer und außerdem als Boxer im Federgewicht ausgezeichnet (dreimal dt. Tanzmeister in Baden-Baden, dt. Boxmeister in Brandenburg). Durch den Schauspieler Max Wogritsch (1880–1951) kam er als Komparse nach Neu Babelsberg, wo er bereits Mitte der 20er Jahre als Volontär bei bekannten Regisseuren der Ufa und bei dem Kameramann Karl Freund (1890–1969) lernte. Er arbeitete u. a. in Filmen von G. W. Papst, F. W. Murnau (Der Letzte Mann, 1924; Faust, 1926), Berthold Viertel (Die Abenteuer e. Zehnmarkscheines, 1926) und Walther Ruttmann (Berlin, Die Symphonie e. Großstadt, 1927) mit. Danach sammelte S. Erfahrungen als Regieassistent und Cutter in der Produktionsfiliale der Fox-Europa, bevor er 1931 zur „Tobis-Tonbild-Syndikat AG“ (Tobis) stieß und den jungen Tonfilm kennenlernte. Bis 1933 arbeitete er mit späteren Emigranten wie Conrad Wiene, Max Neufeld, Alexander Korda, Paul Czinner und dessen späterer Frau Elisabeth Bergner zusammen, so an „The woman he scorned“, „Fräulein Else“ und „Ariane“. 1931 führte S. erstmals Regie bei der erfolgreichen Komödie „Chauffeur Antoinette“, deren engl. und franz. Remakes er im folgenden Jahr in London und Paris drehte. Nach Regie- und Drehbuchassistenz sowie Schnitt bei „Kleiner Mann was nun?“ und „Der Läufer von Marathon“ übernahm er seit 1933 zunehmend Regiearbeiten wie in „Mädels von heute“ nach Hans Richter. S. trat – laut Selbstauskunft – im März 1933 der NSDAP (14.3.1933) bei und gehörte seit dem 6.10.1933 der Reichsfilmkammer an.

    Mit der dt. Bearbeitung des faschistischen Semidokumentarfilms von G. Forzano „Camicia Nera“ (Schwarzhemden) ließ er sich 1933 zunehmend auf das NS-Regime ein. Seinem Kolonialfilm „Die Reiter von Deutsch-Ostafrika“ und dem Sportfilm „Der Springer von Pontresina“ (beide 1934) folgten unverfänglichere Liebes-, Kriminal- und Abenteuerfilme, die ihn als vielseitigen Regisseur des dt. Unterhaltungskinos auswiesen. S. verfaßte seine Drehbücher selbst oder mit seinem Freund Walter Zerlett-Olfenius (1897–1967). Nach Wegfall der amerik. Filmimporte beherrschte S. als einziger in Deutschland das Genre des Actionfilms: Zu seinen bekanntesten Arbeiten zählen „Sergeant Berry“ (1938), „Wasser für Canitoga“ (1938/39), „Ein Mann auf Abwegen“ (1939/40), in dem er selbst mitspielte, oder „Trenck, der Pandur“ (1940), die Hans Albers zum Star machten. Nach Kriegsbeginn drehte S. auf Drängen des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda antibrit. Propagandafilme über den Kolonialpionier „Carl Peters“ (1941) und den Spionagefilm „Geheimakte WB 1“ (1942) über den U-Boot-Erfinder Wilhelm Bauer. Zum Verhängnis wurde S. 1942 ein Zerwürfnis mit seinem Drehbuchautor bei der Produktion des Katastrophenfilms „Titanic“, einem Lieblingsprojekt Josef Goebbels. Von Zerlett-Olfenius wegen „Wehrmachtsbeleidigung“ denunziert, weigerte sich S., seine Äußerungen vor Goebbels und Fachvertretern zu widerrufen, und wurde daraufhin aus der Reichskulturkammer ausgeschlossen. Einen Tag nach seiner Verhaftung am 30.7.1942 fand man ihn erhängt in seiner Zelle.

    S.s Tod wurde offiziell als Selbstmord deklariert, sein Name aus dem Vorspann des Films getilgt, den Werner Klingler fertigstellte (Premiere 1943 in Paris). Unklar bleibt, ob S. nur auf Druck für die NS-Propagandamaschinerie arbeitete. In der Filmgeschichte gilt er als künstlerisch innovativer Perfektionist. Seine Filme sind gerade im Kontext der Technikgeschichte des Films und seiner industriellen Herstellung interessant.

  • Quellen

    Qu Dt. Kinemathek – Mus. f. Film u. Fernsehen, Berlin: Landesarchiv Berlin, Ermittlungsakten (P); Ztg.ausschnittarchiv, Hochschule f. Film u. Fernsehen, Potsdam; BA Berlin (BDC-Akten, Reichskulturkammerakten).

  • Literatur

    Wie wird man Filmregisseur, in: Neue Berliner 12-Uhr-Ztg. v. 24. 8. 1931;
    Auf Umwegen zur Filmregie, in: B. B. Z., Berlin v. 13. 2. 1932;
    Wie starb H. S.?, in: Das Freie Wort, Düsseldorf v. 2. 8. 1952;
    J. Wulf, Der Mord an H. S., in: Theater u. Film im Dritten Reich, 1964;
    U. Gregor, Der Mord an H. S., in: Frankfurter Rdsch. v. 16. 1. 1964;
    E. Leiser, Dtld., Erwache! Propaganda im Film d. Dritten Reiches, 1968;
    F. Maurischat, S. u. „Titanic“, in: DIF – Filmkundl. Mitt., hg. v. Dt. Inst. f. Filmkunde, 2 (Juni 1970), S. 4–28 u. Dokumentation H. S. (mit biogr. Art., ausführl. Filmogr., Filmrezensionen), S. 1–20, Forts. u. Schluß, in: 3 (Sept. 1970), S. 4–22;
    Von d. Nazis umgebracht, in: Filmspiegel (DDR), 15, v. 19. 7. 1972;
    C. Riess, Das gab's nur einmal, 3. Bd., 1977;
    K. Wetzel, P. A. Hagemann, Zensur, Verbotene dt. Filme 1933–1945, 1978, S. 131–36 (mit Dok.);
    Anna Selpin, So kam mein Mann wirklich um, in: B. Z., Berlin v. 26. 2. 1980;
    H. Barkhausen, Filmpropaganda f. Dtld. im Ersten u. Zweiten Weltkrieg, 1982;
    H. Holba, G. Knorr u. P. Spiegel (Hgg.), Reclams Dt. Filmlex., Filmkünstler aus Dtld.,|Österr. u. d. Schweiz, 1984 (Filmogr.);
    U. J. Klaus, Dt. Tonfilme, Lex. d. abendfüllenden dt. u. dt.sprachigen Spielfilme 1929–1945, Bd. 1 ff., 1987 ff.;
    J. Toeplitz, Gesch. d. Films 1934–1945, 1987;
    J. Höller, Lex. d. Filmregisseure, 1991 (Filmogr.);
    K. Kreimeier, Die Ufa-Story, 1992;
    J. Schöning (Red.), London Calling, Deutsche im brit. Film d. dreißiger Jahre, 1993;
    K. H. Wendtland, Geliebter Kintopp, Sämtl. dt. Spielfilme v. 1929–1945, Künstlerbiogrr., 6 Bde., 1995 ff. (Filmogr.);
    K. Weniger (Hg.), Das Gr. Personenlex. d. Films, 2001 (Filmogr.);
    CineGraph (Filmogr.).

  • Porträts

    P Werk- u. Szenenfotos in d. Fotoslg. u. Nachlaßslg. d. Dt. Kinemathek – Mus. f. Film u. Fernsehen, Berlin: – TV-Film „Der Fall Selpin, Ein Essay“ v. U. Kasten u. F. Gehler, Dt. Fernseh Funk, Länderkette, 1991.

  • Autor/in

    Brigitte Bruns
  • Zitierweise

    Bruns, Brigitte, "Selpin, Herbert" in: Neue Deutsche Biographie 24 (2010), S. 228-230 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd139052593.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA