Lebensdaten
1891 – 1973
Geburtsort
Hannoversch Münden
Sterbeort
Hannoversch Münden
Beruf/Funktion
Kinderarzt
Konfession
evangelisch
Namensvarianten
  • Wentzler, Ernst Albert Max
  • Wentzler, Ernst
  • Wentzler, Ernst Albert Max

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Zitierweise

Wentzler, Ernst, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/sfz140514.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Georg Anton Ferdinand, Lederfabr. u. Ratsherr in H. M., S d. Hermann Heinrich (1833–1927), u. d. Regine Henriette Dorothea Hagemann (1833–88), beide aus H. M.;
    M Marie Emma Ernestine Doernte;
    Anne Groschupf (1893–1977);
    1 S Erno (* 1921).

  • Biographie

    W. unterbrach während des 1. Weltkriegs sein Medizinstudium und diente als Feldunterarzt in einem Reservelazarett in Hannover. 1919 legte er an der Univ. Göttingen seine Prüfungen ab und wurde zum Dr. med. promoviert. Im Anschluß war er als Assistenzarzt bei Erich Peiper (1856–1938) an der Universitätskinderklinik Greifswald tätig. Als Kinderarzt richtete er 1923 in Berlin-Frohnau (heutige Zeltinger Str. 44) eine private „Kinderklinik Frohnau“ mit etwa 30 Betten ein. Hier behandelte er auch Kinder von NS-Prominenten, z. B. Hermann Görings (1893–1946), des Reichsernährungsministers Walther Darré (1895–1953) und des Organisators der NS-Krankenmorde in der Kanzlei des Führers, Viktor Brack (1904–48); der behinderte Sohn des stellv. Reichsgesundheitsführers Kurt Blome (1894–1969) starb 1942 in der Klinik.

    Am 1.4.1936 wurde W. trotz Aufnahmesperre in die NSDAP aufgenommen; außerdem gehörte er der SA, dem NS-Ärztebund, der Dt. Arbeitsfront, der NS-Volkswohlfahrt, dem Reichsluftschutzbund, Reichskriegerbund und NS-Altherrenbund der Dt. Studenten an. Im Frühjahr 1942 erfolgte auf W.s Initiative die Gründung des „Deutschen Kinderkrankenhaus e. V.“, dessen Vorsitz er übernahm. Zweck des Vereins war „die Errichtung von Kinderkrankenhäusern, die in medizinischwissenschaftlicher und menschlich-erziehlicher Hinsicht den Grundsätzen der Reichsgesundheitsführung zur Verwirklichung verhelfen, auf neuen Wegen die Säuglings- und Kindersterblichkeit zu bekämpfen und die Betreuung kranker Kinder neu zu gestalten“. Die Schirmherrschaft übernahm Reichsgesundheitsführer Leonardo Conti (1900–45).

    Unabhängig von der Frage eines individuellen Beitrags, gehörte W. 1939–45 zum engsten Kreis ärztlicher Berater der Tötungsaktion an behinderten Kindern. Neben Hans|Heinze (1895–1983) und Werner Catel (1894–1981) fungierte er als Hauptgutachter des „Reichsausschusses zur wissenschaftlichen Erforschung erb- und anlagebedingter schweren Leiden“. Anhand von Meldebögen entschieden sie gemeinsam im Umlaufverfahren über Leben oder Tod und waren für Tausende Morde im Rahmen der „Kinder-Euthanasie“ mitverantwortlich.

    Das Vorhandensein einer „Kinderfachabteilung“, einer speziellen Einrichtung zur Durchführung der „Kinder-Euthanasie“, in W.s Klinik gilt als unwahrscheinlich. Gleichwohl ergeben sich aus den erhaltenen Krankenunterlagen Anhaltspunkte für die Tötung behinderter Kinder vor Ort. Zudem wurden Patienten in die Landesanstalt Brandenburg-Görden und in die Berliner Nervenklinik für Kinder und Jugendliche „Wiesengrund“ verlegt, wo sie starben.

    Im Aug. 1945 zog W. nach Hannoversch Münden, wo er als Kinderarzt praktizierte; die Berliner Klinik blieb bis 1964 in seinem Besitz. Im Ergebnis eines vor dem Landgericht Hamburg durchgeführten Ermittlungsverfahrens zu den Verbrechen im Rahmen der „Kinder-Euthanasie“ wurde am 19.4.1949 auch W. außer Verfolgung gesetzt. Trotz Tötungen der „Reichsausschußkinder“ konnte den Beschuldigten – auch den Hauptgutachtern – die Rechtswidrigkeit ihrer Taten im Einzelfall nicht nachgewiesen werden.

  • Werke

    |Die Entwicklung d. Pneumothoraxtherapie in d. letzten Jahren, 1919 (Diss.);
    Besser Vorbeugen als Heilen! Über Krankheitsverhütung im Säuglings- u. Kindesalter f. Eltern u. Erzieher, 1933;
    Richtige Ernährung! Gesunde Kinder! Kochbuch f. Säuglinge u. Kinder nebst Anltg. f. d. Ernährung n. neuzeitl. Gesichtspunkten gemeinverständl. dargest., 1929;
    Zur Nachwuchsfrage d. Kinderärzte, in: Ärztebl. f. Berlin u. Kurmark 5, Dez. 1938, S. 1–4;
    Rachitis-Verhütung, gemeinverständl. Darst. d. Wesens, d. Verbreitung, Erkennung u. Verhütung d. „Engl. Krankheit“ z. Verständnis d. v. d. Reichsgesundheitsführung angeordneten Maßnahmen, 1942;
    Kind u. Krankenhaus, Zur Gründung d. Ver.Dt. Kinderkrankenhaus“, in: Gesundheitsführung, Ziel u. Weg, 1942, S. 198–201 u. S. 207;
    Das künftige „Dt. Kinderkrankenhaus“, in: Die Ärztin 19, 1943, S. 198–201.

  • Literatur

    |G. Joppich, Zum 80. Geb.tag v. Dr. W., in: Der Kinderarzt 20, 1972, S. 342;
    Th. Hellbrügge, ebd. 21, 1973, S. 701;
    G. Aly, Der saubere u. d. schmutzige Fortschritt, in: Reform u. Gewissen, „Euthanasie“ im Dienst d. Fortschritts, hg. v. dems., 1985, S. 9–78;
    ders. (Hg.), Aktion T4, 1939–194, d. „Euthanasie“-Zentrale in d. Tiergartenstr. 4, 1987, S. 121 f.;
    ders., Die Belasteten, „Euthanasie“ 1939–1945, e. Ges.gesch., 2013, S. 117–19;
    H. Friedlander, Der Weg z. NS-Genozid, v. d. Euthanasie z. Endlösung, 1997, S. 91 f.;
    E. Klee, Was sie taten, was sie wurden, Ärzte, Juristen u. andere Beteiligte am Kranken- oder Judenmord, 1986, S. 130 f., ders., „Euthanasie“ im Dritten Reich, d. „Vernichtung lebensunwerten Lebens“, 2010;
    Th. Beddies, Der Kinderarzt u. Euthanasie-Gutachter E. W., in: Mschr. Kinderheilkde. 151, 2003, S. 1023 f.;
    ders. u. H.-P. Schmiedebach, Der Pädiater Dr. E. W. u. d. Kinderklinik Frohnau, in: Berlin in Gesch. u. Gegenwart, Jb. d. LA Berlin, 2002, S. 137–57;
    K. Pegler, Wer war E. W.?, in: Es geschah in Frohnau, Bd. 2, 2006, S. 32–39.

  • Autor/in

    Thomas Beddies
  • Zitierweise

    Beddies, Thomas, "Wentzler, Ernst" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 793-794 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/sfz140514.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA