Lebensdaten
1367 – 1398
Beruf/Funktion
Bruder vom gemeinsamen Leben ; Theologe
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 118984276 | OGND | VIAF: 14885181
Namensvarianten
  • Zerbolt, Gerhard von
  • Zütphen, Gerhard von
  • Gerhard von Zerbolt
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Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Gerhard von Zütphen, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118984276.html [28.03.2024].

CC0

  • Biographie

    Gerhard von Zütphen, eines der ersten und vorzüglichsten Mitglieder der von Gerhard Grote zu Deventer errichteten Genossenschaft von Klerikern, war Professor der Theologie zu Köln und starb daselbst am 4. Decbr. 1398 im Alter von 31 Jahren. Er hinterließ zwei geistreiche ascetische Schriften: „De reformatione interiori seu vinum animae“ und „De triplicibus ascensionibus et descensibus spiritualibus“. Ed. Coloniae 1539 in 4°. Biblioth. patrum Paris. 1654 t. V. Colon. 1618 t. XIV. Lugdun. 1677 t. XXVI. Trithemius schreibt ihm ferner „Quaestiones sententiarum notabiles“ und „Quaestiones quodlibetariae“ zu, so wie Sermones lib. I.

  • Autor/in

    H. Kellner.
  • Zitierweise

    Kellner, Heinrich; Slee, Jacob Cornelis van, "Gerhard von Zütphen" in: Allgemeine Deutsche Biographie 8 (1878), S. 759 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118984276.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Zerbolt: Gerhard Z. oder Gerhard von Zütphen, wo er 1367 geboren war, einer der bedeutendsten unter den Brüdern vom Gemeinsamen Leben. Vielleicht war er ein Sohn oder Anverwandter eines Gerardus (Gerd, Gerrit) Sarbold, welcher in den Jahren 1343—1352 unter den Magistratpersonen zu Zütphen vorkommt. Den ersten Unterricht mag er in seiner Vaterstadt erhalten haben; bald aber führte seine große Wißbegierde ihn auf die Universität zu Paris oder Prag, wo er sich eifrig auf das Studium der „freien Künste“ verlegte und sich dabei, wie Thomas von Kempen in Zerbolt's Biographie schreibt, durch Frömmigkeit vortheilhaft von seinen faulen und ausschweifenden Mitschülern unterschied. Daher ward aus ihm nicht nur ein „Schüler der Scholastik“, sondern ein „Schüler der ewigen Weisheit“. Sein Aufenthalt an der Universität muß aber ziemlich kurz gewesen sein, da er schon vor Gerhard de Groote's Tod (20. August 1384) heimgekehrt und nach Deventer gekommen war. Doch scheint er seine Studien an der bekannten Capitelschule fortgesetzt zu haben und ward von großer Liebe und inniger Verehrung für die Väter der modernen Devotion ergriffen, für Gerhard de Groote, Florentius Radewynsz und andere. Bald schloß er sich diesen Männern an und trat in das von Florentius gestiftete Fraterhaus zu Deventer ein. Mehre Jahre lebte er dort, wenig von der Welt berührt, in stiller Andacht, ganz seinen Studien ergeben, körperliche Schwachheit|geduldig tragend, des Irdisch-Leiblichen wenig achtend, aber um so mehr eigenes und Anderer Seelenheil bedenkend. Gewissenhaft nahm er die ihm anvertraute Aufsicht über die Schriftlesung bei den gemeinschaftlichen Mahlzeiten als Corrector mensae, die Verwaltung der Büchersammlung, aber auch die niedrigsten Hausarbeiten wahr. Als man ihn einst dafür lobte, daß ihn auf dem Kirchgang die Vorübergehenden in seiner still in sich gekehrten Andacht so gar nicht störten, antwortete er: „Cogito quod grex porcorum illic transit“. Des öfteren predigte er vor den Brüdern mit großem Beifall und mußte oft dem Florentius Radewynsz in praktischen Geschäften mit seiner Rechtskunde zur Seite stehen. Am liebsten aber war ihm seine stille Zelle, wo er nicht nur eifrig Bücher abschrieb, sondern auch mehre eigene Erbauungsschriften verfaßte, welche seine bedeutende Kenntniß der heiligen Schrift und der kirchlichen wie profanen Schriftsteller darthun. 1398, als die Pest grausam in Deventer wüthete und eine zeitliche Entfernung von dort gerathen war, zog er mit Florentius und fast allen Brüdern nach Amersfort, wo sie bei einigen Geistlichen eine freundliche Aufnahme fanden. Fleißig nahm er auch dort die Interessen der Brüder wahr, wie eine uns noch aufbewahrte Correspondenz mit den zu Deventer zurückgebliebenen Brüdern zeigt. Es handelte sich dabei sowol um die Vertheidigung ihrer Sache wider die Bettelmönche, als um die Erwerbung des Rechtes der freien Predigt vom Bischofe zu Utrecht, aber ohne den gewünschten Erfolg. Im November 1398 mit den Brüdern nach Deventer heimgekehrt erhielt Z. von Florentius den Auftrag, sich mit dem Abte des Klosters Dickeninghe über die Ordnung einer wichtigen Angelegenheit zu verständigen. Auf der Rückreise aber, während er mit seinem Gefährten Aemilius v. Assche im Kloster Windsheim verweilte, erkrankte er plötzlich. Es schien ein Pestanfall zu sein, der bald keine Hoffnung mehr ließ, und ihn am 4. December, nur 31 Jahre alt, hinwegraffte. Als Florentius die schmerzliche Nachricht seines Todes erhielt, schickte er einen Bruder nach Windsheim zur Abholung der Leiche; sie hatte aber schon vor dem Eingang zur Kirche ihre Ruhestätte gefunden. Blieb somit dem Bruderhaus auch der Besitz seiner Asche versagt, so fehlten demselben doch die schriftlichen Documente seiner Geistesarbeit nicht; Arbeiten, die theils der Belehrung oder Polemik, theils der Erbauung gelten. Sie sind zum Theil noch vorhanden. Revius (Daventria illustr. p. 36 sq.) hat uns einen Tractat „super modo vivendi devotorum hominum simul commorantium“ in verkürzter Gestalt aufbewahrt, wider diejenigen gerichtet, welche die Brüder wegen ihres Zusammenlebens ohne feste Regel und Gelübde der Heterodoxie verdächtigten. Zwei andere, auch von Revius (p. 41—58) abgedruckte lateinische Excerpte zeigen ihn als Verfasser zweier Tractate „de utilitate lectionis sacrarum litterarum in lingua vulgari“ und „de precibus vernaculis“, ursprünglich holländisch geschrieben wider diejenigen vom höheren Clerus, welche das Lesen der heiligen Schrift in der Landessprache verurtheilten. Seine Schrift „de vestibus preciosis“ wird von Revius nur erwähnt, ist aber nicht mehr vorhanden; sein „Scriptum pro quodam inordinate gradus ecclesiasticos et predicationis officium affectante“, welches die Aemter- und Pfründenjagd geißelt, ist nur handschriftlich bekannt. Weit umfangreicher und nicht, wie die obengenannten Schriften, dem Gebiete des praktischen, sondern des mystischen Lebens angehörend, sind die beiden lateinischen Schriften „De reformatione virium animae“ und „De spiritualibus ascensionibus“. Die letztgenannte Schrift ist eine weitere Ausführung der ersten. Beide sind mehrmals gedruckt und schon frühe übersetzt (Kerkhist. Archiv IV, bl. 263). Sie enthalten eine systematische Darstellung seiner soteriologischen Lebenstheorie und folgen, wenn auch nicht sklavisch, dem Vorbild, das Florentius Radewynsz in seinem „Tractatulus devotus de exstirpatione vitiorum et passionum“ (ed. Nolle, Freiburg 1862), gegeben hatte. In der schon erwähnten Correspondenz, abgedruckt in Dumbar's Analecta I, p. 88 sqq., finden wir auch Briefe von Zerbolt's Hand; seine von Trithemius p. 158 erwähnten sermones kamen aber bis jetzt nicht ans Licht.

    Sämmtliche Schriften legen ohne Zweifel ein beredtes Zeugniß ab von der Gelehrsamkeit, Geistesreife und Frömmigkeit Zerbolt's. Es sind nicht hochfliegende metaphysische Speculationen, denen er sich zügellos ergibt. Seine Ansichten von religiöser Lebenspraxis stützen sich vielmehr auf vernünftiges Nachdenken und klares Empfinden. Die leeren kirchlichen Formen genügten ihm weder als solche noch als opus operatum; Beichte und Abendmahl schätzte er insoweit davon ein sittlicher Einfluß ausgeht! Ebenso wenig betrachtete Z. die Vulgata als einzig wahren und authentischen Bibeltext. Unbedingt anerkannte er vielmehr den hebräischen und griechischen Text als die Richtschnur, nach welcher der lateinische, wo er dunkel oder unklar sei, zu corrigiren und richtig zu stellen sei, und er weist nachdrücklich darauf hin, daß die Chaldäer, Syrier, Araber, Gothen und andere Völker ihre eigene Bibelübersetzung gehabt hätten, um dadurch die Schriftlesung in der Landessprache zu rechtfertigen. Wiewohl er sich niemals von der Mutterkirche trennte, ist er dennoch, vermöge solcher Ansichten, denjenigen beizuzählen, welche kräftig an der sittlich-religiösen Erleuchtung und Wiedergeburt ihres Zeitalters gearbeitet haben. Mit Recht schließt Thomas von Kempen Zerbolt's Biographie mit den Worten: „Gelobt sei Gott, der uns einen solchen Mann gegeben hat!“

    • Literatur

      Vgl. die Vita domini Gerardi Zutphaniensis von Thomas von Kempen (abgedruckt in den Opera Omnia ed. Sommalius) und die von Revius, Daventria illustr. p. 36—60 aufbewahrten Schriften Zerbolt's. Ferner van Heussen, Historia episc. Foeder. Belgii II, 88—96. — Ullmann, Reform. vor d. Reformation II, 115—124. —
      Delprat, Broedersch. v. G. Groote, bl. 42, 349 v. v.
      Moll, Kerkgesch. v. Nederl. II., 2. st. bl. 364 v. v., 3. st. bl. 34—41, 308 u. s. w.
      Koning, Specim. de Gerardi Zutphaniensis vita, scriptis et meritis, Traj. 1858. — C. M. Vos, Gerhard Zerbolt (Kerkhistor. Jaarboehge 1864, bl. 102—138) und G. H. J. W. Z. Geesink, Gerard Zerbolt van Zutfen, acad. proefschr., Amsterd. 1879.

  • Autor/in

    J. C. van Slee.
  • Zitierweise

    CC-BY-NC-SA