Lebensdaten
1605 – 1685
Geburtsort
Berg bei Liebenau (oder Liebenthann?) bei Augsburg
Sterbeort
Regensburg
Beruf/Funktion
Bischof von Eichstätt ; kaiserlicher Prinzipalkommissar beim Immerwährenden Reichstag in Regensburg
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 118977636 | OGND | VIAF: 27871360
Namensvarianten
  • Marquard Graf Schenk von Castell (seit 1681)
  • Castell, Marquard Graf Schenk von (seit 1681)
  • Marquard Schenk von Castell
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Zitierweise

Marquard II., Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118977636.html [16.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    Das Geschl. v. Castell gehörte zu d. Ministerialen d. Bischöfe v. Konstanz u. erhielt 1243 v. ihnen d. Schenkenamt. Ein Zweig wurde in Schwaben ansässig, ihm wurde 1648 d. Erbschenkenamt im Hochstift Eichstätt verliehen (s. HBLS). - V Johann Eberhard ( um 1644), auf Oberbeuren b. Kaufbeuren, Kemptener Rat u. Pfleger auf Hohenthann;
    M Katharina Hundbiß v. Waltrams ( 1648);
    Om Johann Ulrich Hundbiß v. Waltrams ( 1636), Domdekan in Eichstätt;
    B Johann Ulrich ( 1658), Dompropst in Eichstätt u. Augsburg;
    Vt Johann Euchar ( 1697), Bischof v. Eichstätt seit 1685. – Karl Ludwig Gf. Sch. v. C. (1736–1821), d. „Malefizschenk“, leitete in Oberdischingen 1770-1809 e. v. ihm gegr. Zuchthaus f. d. Schwäb. Stände, in d. auch Schweizer Kantone Sträflinge schickten (s. ADB 36, S. 766-71).

  • Biographie

    Nach Schulbesuchen in Dillingen und Eichstätt und nach Annahme als Domizellar in Eichstätt 1621 begann M. das Studium im Herbst 1624 in Ingolstadt, wechselte aber schon im nächsten Jahr an die Gregoriana und das Germanikum in Rom über. Wegen schwankender Gesundheit begab er sich im Juli 1627 nach Siena und kehrte 1628 nach Eichstätt zurück, wo er sein Studium beendete. 1630 wurde M. Domkapitular; nach der Priesterweihe am 2.6.1635 bestellte ihn das Domkapitel am 15.1.1636 zum Dekan. Nach langwierigen Verhandlungen mit Bischof Johann Christoph v. Westerstetten wählte das Kapitel M. zum Koadjutor mit dem Recht der Nachfolge. Nach dem Tod des Bischofs (28.7.1637) übernahm er, noch nicht 32 Jahre alt, die Leitung der Diözese und des Hochstifts. Nach päpstlicher Konfirmation erfolgte am 10.1.1638 die Konsekration. M. war zur Lösung der schweren Aufgaben, die ihn infolge der Verwüstungen im 30jährigen Krieg erwarteten, durchaus befähigt.

    Als Bischof bemühte er sich um die Wiederbelebung der Seelsorge und des religiösen Lebens. Er kümmerte sich um den Priesternachwuchs, erweiterte dafür die Dotation des Jesuitenkollegs in Eichstätt und vermehrte den Gefäll-Fonds für das Priesterseminar, lehnte aber eine Niederlassung der Bartholomäer in seiner Diözese (außer in der Universitätsstadt Ingolstadt) ab. Er ordnete regelmäßige Zusammenkünfte des Dekanatsklerus an und beauftragte die Dekane mit Visitationen der Pfarreien und des Klerus. Er unterstützte die Klöster und die zahlreich entstehenden Missionsstationen der Jesuiten und Kapuziner und förderte den Bau bzw. die Renovierung von Kirchengebäuden. – Als Fürst seines Hochstifts suchte M. durch zahlreiche Bauten die Schäden des 30jährigen Krieges zu überwinden. Mit dem Wiederaufbau Eichstätts nach dem verheerenden Schwedenbrand von 1634 (u. a. Schutzengelkirche, Jesuitenkolleg, Kloster St. Walburg) legte er den Grundstein zur Barockisierung der Stadt. Die Schlösser in Sandsee, Arnsberg, Obermässing und Hirschberg wurden unter seiner Regierung neu errichtet oder renoviert. Er erwarb Ort und Pflegamt Wellheim sowie den Ort Mörsach bei Herrieden. Mit der Freien Reichsstadt Weißenburg schloß er am 24.9.1680 einen Vertrag hinsichtlich der Reichspflege über die königl. Dörfer bei Weißenburg, wobei die kath. Orte Kaldorf, Petersbuch, Biburg und Heiligenkreuz zum Hochstift kamen, während Wengen und Rohrbach bei Weißenburg verblieben. Seine Familie belehnte er 1648 mit dem Eichstätter Erbmarschallamt. – In Mainz wurde M. durch päpstl. Provision 1628 Domizellar und 1655 Kapitular. Seine Bewerbungen um den erzbischöfl. Stuhl von Mainz 1675 und 1678 hatten keinen Erfolg; wohl zum Ausgleich dafür wurde er im November 1675 zum Dompropst in Mainz ernannt.

    Kaiser Leopold I. bestellte M. 1669 zu seinem Prinzipalkommissar beim Immerwährenden Reichstag in Regensburg. M. verstand es, in Loyalität zum Kaiser auf einen Ausgleich zwischen den Reichsständen und den kaiserl. Interessen hinzuwirken und so die Stellung des Kaisers zu festigen. Dem Wirken M.s waren mehrere Erfolge kaiserl. Reichstagspolitik mit zu verdanken, so 1671 die Zurückweisung einer „Extension“ des landständefeindlichen Paragraphen 180 des jüngsten Reichsabschieds und damit eine Eindämmung des landesfürstlichen Absolutismus der großen und armierten Reichsstände, gleichzeitig bis 1671 die vorläufige Einigung über den Entwurf einer Beständigen kaiserl. Wahlkapitulation, die dann allerdings liegenblieb, 1674 die Reichskriegserklärung gegen Frankreich und 1681 der Reichstagsbeschluß über eine Reichskriegsverfassung. Gegen Ende seines Lebens konnte M. wegen Krankheit sein Amt nur noch teilweise wahrnehmen. Er residierte aber fast dauernd in der Kartause Prüll vor den Toren von Regensburg. M.s Wirken auf dem Reichstag war wegweisend vor allem für die Orientierung der geistlichen Fürsten nach Wien. Er war ein wichtiger Helfer für die neue Reichspolitik Kaiser Leopolds I. seit den 1670er Jahren, die kleineren Stände des Reiches auf der Grundlage des Westfäl. Friedens unter Führung des Kaisers zu sammeln. M.s ausgleichendes Wesen und das Ansehen, das er sich bei den Evangelischen erworben hatte, kamen dieser Politik in der entscheidenden Aufbauphase zugute.

  • Literatur

    Ph. Hettinger. Spes publica Aichstettensium sive … Marquardus II episcopus …, 1639;
    Ch. Bechtlin. Lpr., 1685;
    C. Hailand, Lpr., 1685;
    Rupert Ignaz Mayr, Wehmüthiges Trauer-Gedicht, 1685 (Komposition);
    A. Straus, Viri … insignes. quos Eichstadium vel genuit vel aluit, 1799, S. 286-92;
    J. Sax, Gesch. d. Hochstiftes u. d. Stadt Eichstätt, ²bearb. v. J. Bleicher, 1927, S. 297-313;
    J. Sax, Die Bischöfe u. Reichsfürsten v. Eichstätt, 1884 f., S. 527-63;
    J. G. Suttner, B. Holzhauser u. s. Institut im Bistum Eichstätt, in: Pastoralbl. f. d. Bistum Eichstätt 14, 1867, Nr. 26-39;
    ders., Zum 12. Sept. 1683. ebd. 30, 1883. Nr. 37-43;
    A. Steinhuber, Gesch. d. Kollegium Germanikum et Hungarikum in Rom I, ²1906, S. 428 f.;
    W. Fürnrohr. Der Immerwährende Reichstag zu Regensburg, in: Verhh. d. Hist. Ver. f. d. Oberpfalz u. Regensburg 103, 1963, S. 165-255;
    ders., Der Immerwährende Reichstag - die Repräsentation d. alten Reiches, in: Gesch. in Wiss. u. Unterricht 15, 1964, S. 684-700;
    K. Müller. Wien u. Kurmainz 1673–80, in: Rhein. Vj.bll. 32, 1968, S. 332-401;
    G. Rauch. Das Mainzer Domkapitel in d. Neuzeit, in: ZSRGK 61, 1975, S. 161-227, 62, 1976, S. 194-278, 63, 1977, S. 132-79, hier 62, S. 241 f. u. 63, S. 175;
    A. Schindling, Die Anfänge d. Immerwährenden Reichstags zu Regensburg. Habil.schr. Würzburg 1982 (ungedr.);
    H. A. Braun. Das Domkapitel zu Eichstätt v. d. Ref.zeit b. z. Säkularisation (1535–1806). theol. Diss. Eichstätt 1983 (ungedr.), Nr. 227;
    St. Weinfurier, H. Flachenecker. M. Fink-Lang. E. Reiter u. K. Kreitmeir. Die Viten d. Eichstätter Bischöfe im Pontifikale Gundekarianum, in: Das „Pontifikale Gundekarianum“. Faks.-Ausg. d. Codex B 4 im Diözesanarchiv Eichstätt. Kommentarbd. hrsg. v. A. Bauch u. E. Reiter, 1987.

  • Porträts

    Diözesanmus. Eichstätt.

  • Autor/in

    Ernst Reiter
  • Zitierweise

    Reiter, Ernst, "Marquard II." in: Neue Deutsche Biographie 16 (1990), S. 239-240 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118977636.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA