Dates of Life
1551 – 1600
Place of birth
Hennstedt (Dithmarschen)
Place of death
Prag, Bethlehemskapelle
Occupation
Mathematiker ; Astronom
Religious Denomination
lutherisch?
Authority Data
GND: 118837087 | OGND | VIAF: 98144692
Alternate Names
  • Raimarus Ursus
  • Reimers, Nicolaus
  • Raimarus, Ursus Nicolaus
  • more

Objekt/Werk(nachweise)

Relations

Outbound Links from this Person

Inbound Links to this Person

The links to other persons were taken from the printed Index of NDB and ADB and additionally extracted by computational analysis and identification. The articles are linked in full-text version where possible. Otherwise the digital image is linked instead.

Places

Map Icons
Marker Geburtsort Place of birth
Marker Wirkungsort Place of activity
Marker Sterbeort Place of death
Marker Begräbnisort Place of interment

Localized places could be overlay each other depending on the zoo m level. In this case the shadow of the symbol is darker and the individual place symbols will fold up by clicking upon. A click on an individual place symbol opens a popup providing a link to search for other references to this place in the database.

Citation

Ursus, Nicolaus Reimarus, Index entry in: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118837087.html [29.03.2024].

CC0

  • Biographical Presentation

    Als Autodidakt erwarb U. in seiner Jugend großes Wissen. Er lernte um 1569 ohne Schulbesuch Lesen und Schreiben, Latein, Griechisch sowie Mathematik und Astronomie. Mit 18 Jahren hütete er Schweine in Hennstedt und wird von dem Chronisten Neocorus als Großknecht bezeichnet. Eine Lateinschule besuchte U. nie. Ostern 1577 findet er sich in den Matrikeln der Univ. Rostock. 1574–84 war er als Landmesser auf Hof Hattstedt (Dithmarschen) in Diensten des dän. Statthalters Heinrich Rantzau (1526–99), der auch seinen weiteren Lebensweg mitbestimmte. So besuchte U. später Personen aus dem Bekanntenkreis Rantzaus. In Hattstedt verfaßte U. 1580 eine lat. Grammatik, in der die Deklinationen nicht nach der Funktion, sondern nach der Silbenzahl geordnet wurden. 1583 beschrieb er in seiner „Geodaesia“ ein Stellenwertsystem auf der Basis 16. Er besuchte im Sept. 1584 den Astronomen Tycho Brahe (1546–1601) auf der Insel Ven im Öresund. Ein wissenschaftlicher Austausch kam jedoch nicht zustande, da Brahe in dem ehemaligen Schweinehirten keinen angemessenen Gesprächspartner erkennen wollte. 1585/86 war U. Hauslehrer in Hinterpommern bei den adligen Familien Swave auf Gut Damnitz (Hebron–Damnitz) bei Stolp und Wolde auf Gut Wusterbarth im Kreis Belgard. Hier entwarf er sein geo-heliozentrisches Weltmodell, das er 1586 dem Landgrafen von Hessen-Kassel, Wilhelm IV., vorstellte. Von dem hier tätigen Hofuhrmacher Jost Bürgi (1552–1632) erlernte U. Kenntnisse in der Trigonometrie und erfuhr das von Bürgi ausgearbeitete Rechenverfahren, den „Kunstweg“ zur schnellen Berechnung von Sinustafeln. Zum Dank übersetzte U. ihm Kopernikus’ Schrift „De Revolutionibus“ ins Deutsche (als Ms. 560 in der UB Graz; bearb. v. A. Kühne u. J. Hamel, 2007). U. war 1587–91 Student an der Akademie in Straßburg und unterrichtete dort als „Privatdozent“ Arithmetik, Geometrie und Astronomie. 1588 veröffentlichte er sein Hauptwerk, das „Fundamentum Astronomicum“. Es enthält eine Anleitung zum einfachen Aufstellen einer Sinustafel, die Andeutung zu Bürgis „Kunstweg“ zur schnellen Berechnung derselben (Launert 2015), eine Anleitung zur Berechnung aller sphärischen Dreiecke allein mit Hilfe des Sinus sowie die astronomischen Grundlagen und die Darstellung seines neuen Weltsystems. Nach seiner Immatrikulation an der Univ. Wittenberg im Mai 1591, erhielt er im Aug. wegen seiner Bekanntheit durch das „Fundamentum Astronomicum“ die Berufung als ksl. Mathematiker an den Prager Hof Ks. Rudolfs II., verbunden mit einer Professur|an der Universität der Stadt sowie mit der Verpflichtung zu Arbeiten über Astrologie.

    Seit 1588 bezichtigte ihn Brahe zu Unrecht, U. habe ihm 1584 die Idee zu seinem Weltsystem gestohlen und dieses als sein eigenes ausgegeben. U. wies die Plagiatsvorwürfe 1597 in seinen „Astronomischen Hypothesen“ zurück, aber Brahe, 1599 nach Prag gekommen, konnte als Mitglied des dän. Hochadels den Streit für sich entscheiden. U., bereits todkrank, weigerte sich zu widerrufen und starb, bevor der Fall zur Anklage kam. Trotz des Plagiatsstreits mit Brahe blieb U. bis ins 19. Jh. ein anerkannter Mathematiker.

  • Works

    Weitere W Grammatica Ranzoviana, 1580;
    Geodaesia Ranzoviana, 1583;
    Übers. d. „De Revolutionibus“, 1587;
    Metamorphosis Logicae, 1589;
    Gratulationsgedicht „Croius puer“, 1589;
    Allmanach, 1591;
    Schreibkal. 1593 u. 1594;
    Prognostikon 1593;
    Parentatio in pios manes Jacobi Curtii, 1594;
    Allegorie auf Ks. Rudolph II., 1594;
    Chronotheatron seu Theatrum Temporis annorum videlicet 4000, 1597;
    De Astronomicis Hypothesibus, 1597;
    Tractatiuncula v. d. allerkhunstleichesten u. sinnreichesten Regel Cossa oder Algebra, 1597 (Ms. in Österr. Nat. bibl. Cod. Ser. n. 10943);
    Hipotheses motuum coelestium Appollonianas, um 1599;
    Arithmetica Analytica Vulgo Cosa oder Algebra, 1601 (postum);
    Chronol. Beweisung, daß d. Welt vergehen u. d. Jüngste tag kommen werd innerhalb 77 Jaren, 1606, ²1666;
    Ed.: N. Reymers u. seine Arithmetica Analytica, hg. v. W. Müller u. D. Launert, 1993;
    N. Reymers u. seine Metamorphosis Logicae, hg. v. G. Weng u. D. Launert, 1994;
    Astronom. Grund, Fundamentum astronomicum (1588) d. N. R. U., Übers. aus d. Lat. ins Frühnheuhochdt. (1594) durch Caspar Thierfelder, Dt. Fassung hg., erl. u. komm. v. D. Launert, 2012.

  • Literature

    L ADB 27 u. 39;
    J. L. E. Dreyer, Tycho Brahe, 1894, Nachdr. 1992;
    M. List u. V. Bialas, Die Coss v. Jost Bürgi in d. Red. v. Johannes Kepler, 1973;
    M. Steinhäuser, in: Biogr. Lex. Schleswig-Holstein, V, 1979, S. 233–35;
    N. Jardine, The Birth of Hist. and Philosophy of Science, 1984;
    E. Rosen, Three Imperial Mathematicians, 1986;
    M. A. Granada, El debate cosmologico en 1588, 1996;
    J. Hamel, Die astronom. Forsch. in Kassel unter Wilhelm IV., 1998;
    D. Launert, N. R. – Raimarus U., 1999;
    ders., in: Rechenbücher u. math. Texte d. frühen Neuzeit hg. v. R. Gebhardt, 1999, S. 221–27;
    ders., N. R. U., Stellenwertsystem u. Algebra in d. Geodaesia u. Arithmetica, 2007;
    ders., Die Allegorie d. N. R. U. auf Ks. Rudolph II., in: Nordelbingen 76, 2007, S. 41–52;
    ders., Le système du monde de Nicolas Raimar U. comparé à ceux de Brahe et Roeslin, in: Nouveau Ciel, Nouvelle Terre, La révolution copernicienne dans l’Allemagne de la Réforme (1530–1630), hg. v. M. A. Granada u. É. Mehl, 2009, S. 155–78;
    ders., N. R. U., Leben u. Werk, ²2010 ;
    ders., Caspar Thierfelder u. N. R. U.’ Fundamentum Astronomicum, in: Kaufmanns-Rechenbücher u. math. Schrr. d. frühen Neuzeit, hg. v. H. Gebhardt, 2011, S. 295–306;
    ders., Kepler, U. u. die Coss, in: Kepler, La Physique Céleste autour de l’Astronomia Nova (1609), hg. v. É. Mehl, 2011, S. 97–111;
    ders., Wer erfand d. Transversalteilung? Brahe, U., Hommel, Pühler, Pühlers Practica Geometriae, 2014; ders., Bürgis Kunstweg im Fundamentum Astronomiae, 2015.

  • Author

    Dieter Launert
  • Citation

    Launert, Dieter, "Ursus, Nicolaus Reimarus" in: Neue Deutsche Biographie 26 (2016), S. 673-674 [online version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118837087.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographical Presentation

    Raimarus Ursus: Nicolaus R., Mathematiker und Astronom, lebte am Ende des 16. Jahrhunderts. In der ältesten Druckschrift, die wir von ihm kennen, Geodaesia Ranzoviana, Landrechnen und Feldmessen u. s. w. 1583 (Kästner, Gesch. der Mathematik I, 669—670) nennt er sich Nicolaus Reimers. Landmesser zu Hattstede in Dithmarschen. Der Beiname Ursus soll ihn wol als ungeleckten nordischen Bären kennzeichnen, der dem Raube seiner Jungen sich widersetzt. Wir begegnen ihm in der Ueberschrift dreier Bücher: „Nicolai Raymari Ursi Dithmari Fundamentum astronomicum“ 1588 (Kästner I. c. I, 631—634), „Nicolai Raimari Ursi Dithmarsi de astronomicis hypothesibus“ 1597 (Kästner I. c. III, 469—484) und „Nicolai Raimari Ursi Dithmarsi Arithmetica analytica vulgo Cosa oder Algebra“ 1601 (Kästner I. c. II, 716—720). R. war in seiner Jugend bis zum 18. Jahre Schweinehirt und erlernte von sich selbst mancherlei Sprachen und die Mathematik. Er fand einen Gönner an Heinrich Ranzow, dem Freunde des dänischen Astronomen Tycho Brahe. Wol durch ihn empfohlen besuchte R. den Brahe auf seiner Insel Hven 1584. Zwei Jahre später 1586 war er am Hofe Landgraf Wilhelm IV. in Kassel; wieder zwei Jahre später 1588 scheint er in Straßburg gelehrt zu haben, von wo er einem Rufe als kaiserlicher Mathematiker nach Prag folgte. Von da sei er, heißt es, 1598 entflohen, um einer Verleumdungsklage Brahe's zu entgehen. Er sei dann 1599 unbekannt wo gestorben. Poggendorff, Biogr.-litterar. Handwörterbuch II, 595 gibt (ohne jede Quellenangabe) Prag, 15. August 1600 als Todesort und Zeit. Die mathematischen Schriften zeugen für Raimarus' Begabung, ohne wesentlich Neues zu enthalten; die Junge'sche Methode der Gleichungsauflösung (s. A. D. B. XIV, 705) hat er in seiner nachgelassenen Algebra gelehrt und verbessert. Am bekanntesten wurde R. durch seine Streitigkeiten mit Brahe. R. will nämlich am 1. October 1585 in|Pommern ein Weltsystem erdacht haben, nach welchem Erde, Mond und Sonne sich um die feste Erdaxe, Mercur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn sich um die Sonne bewegen; dieses System will er am 1. Mai 1586 in Kassel mitgetheilt haben, und durch Rothmann habe es dann Brahe kennen gelernt, der es als von ihm selbst erdacht veröffentlicht habe. Brahe natürlich stellte den Gang der Entdeckung in umgekehrter Reihenfolge dar, und daraus ergaben sich Gehässigkeiten, bei denen zu verweilen um so weniger geboten ist, als das ob Brahe'sche ob Raimarus'sche System gar bald allgemein verworfen wurde.

    • Literature

      Kästner und Poggendorff an den im Texte angegebenen Orten. — Rud. Wolf, Geschichte der Astronomie S. 244—245. — C. I. Gerhardt, Geschichte der Mathematik in Deutschland S. 83—86.

  • Author

    Cantor.
  • Citation

    Cantor, Moritz; Liebmann, O., "Ursus, Nicolaus Reimarus" in: Allgemeine Deutsche Biographie 27 (1888), S. 179-180 [online version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118837087.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographical Presentation

    Ursus: Nicolaus Reimarus U., ein vielseitiger Gelehrter des 16. Jahrhunderts, stammte aus Henstedt in Ditmarschen, erlernte, nachdem er in seiner Jugend die Schweine gehütet hatte, die lateinische, griechische und französische Sprache und erwarb sich als Autodidakt gründliche Kenntnisse im Gebiet der Mathematik, der Astronomie und der Philosophie. Ein von ihm ersonnenes neues System der Astronomie („Fundamentum Astronomicum“, Straßburg 1588) traf mit der Theorie des Tycho de Brahe dermaßen zusammen, daß dieser ihn des Plagiats beschuldigte. Nachdem U. seit 1588 in Straßburg Mathematik gelehrt hatte, erhielt er einen Ruf nach Prag und ließ daselbst 1597 seine Schrift „De Astronomicis hypothesibus“ abdrucken, worin er den Tycho de Brahe aufs heftigste angriff und mit Schmähungen überhäufte. Deshalb von einer Beleidigungsklage bedroht, entfloh er aus Prag und starb 1599. Neben einer Reihe mathematischer und astronomischer Schriften verfaßte U. auch eine „Metamorphosis Logicae“, die 1589 in Straßburg erschienen ist.

    • Literature

      J. H. Zedler's Universal-Lexikon LI, 633. — C. G. Jöcher's Allgem. Gelehrten-Lexikon IV, 1743.

  • Author

    O. Liebmann.
  • Citation

    CC-BY-NC-SA