Lebensdaten
1452 – 1531
Geburtsort
Justingen bei Blaubeuren
Sterbeort
Blaubeuren
Beruf/Funktion
Mathematiker ; Astronom ; Astrologe ; katholischer Pfarrer
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 118798979 | OGND | VIAF: 66670662
Namensvarianten
  • Stöffler, Johannes
  • Stoeffler, Johannes
  • Stöffler, Johannes
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Zitierweise

Stoeffler, Johannes, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118798979.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    Vermutl. außerehel. V N. N. v. Stöffeln, aus reichsunmittelbarer schwäb. Adelsfam.;
    M N. N.

  • Biographie

    Ersten Unterricht erhielt S. wohl in der Schule des Klosters Blaubeuren. 1472 schrieb er sich an der Univ. Ingolstadt ein, wo er 1476 die Magisterwürde erhielt. Die Familie v. Stöffeln setzte ihn im folgenden Jahr als Pfarrer in Justingen ein. 1497 war S. Dekan des Landkapitels von Ehingen. Neben seinen geistlichen Verpflichtungen betätigte er sich auf den Gebieten der Astronomie und Astrologie sowie als Verfertiger astronomischer Instrumente. 1493 entstand der Himmelsglobus für Weihbischof Daniel Zehender († 1500) von Konstanz, das einzige erhaltene Produkt seiner Werkstatt (Stuttgart, Württ. Landesmus.). Für den Wormser Bischof Johann v. Dalberg (1445–1503) baute S. ebenfalls einen Himmelsglobus. 1496 konstruierte S. eine Uhr für das Münster in Konstanz. Ob hingegen die 1511 gebaute Uhr auf dem Tübinger Rathaus auf ihn zurückgeht, ist wohl möglich, aber quellenmäßig nicht zu belegen. 1499 publizierte S. in Zusammenarbeit mit dem Ulmer Astronomen Jakob Pflaum Planeten- und astrologische Hilfstafeln, die zwischen 1499 und 1551 in 13 Auflagen herauskamen. Für den Febr. 1524 waren darin mehrere Konjunktionen im Zeichen der Fische vorausberechnet, die große Veränderungen auf der Erde verursachen sollten. Die Prophezeiung S.s löste|vielfach Ängste aus, und es entspann sich eine breite literarische Debatte. Obwohl die allgemein erwartete katastrophale Flut ausblieb, litt S.s Reputation nicht, zumal der Ausbruch des Bauernkrieges im folgenden Jahr eine Bestätigung seiner Vorhersage zu bringen schien. S. unterhielt Beziehungen zu Johannes Reuchlin (1455–1522) und baute für diesen ein Äquatorium zur Bestimmung des Laufes von Sonne und Mond. 1491 mußte die Familie v. Stöffeln ihren Besitz zunächst an die Herren v. Stotzingen und sechs Jahre später an Hans Caspar v. Bubenhofen, den Hofmeister des württ. Hzg. Ulrich I. (1487–1550), abtreten. Dieser wurde auf den zurückgezogen lebenden Gelehrten aufmerksam und drängte ihn, eine Professur an der 1477 gegründeten Tübinger Universität zu übernehmen. S. immatrikulierte sich 1507 in Tübingen, wo er Mathematik und Astronomie lehrte und zudem eine rege Publikationstätigkeit entfaltete. 1513 erschien seine Schrift „Elucidatio fabricae ususque astrolabii“ ( 161620) über Konstruktion und Gebrauch des Astrolabiums, die weite Verbreitung fand, und im Jahr darauf ein astronom. Tafelwerk (Tabulae astronomicae, 1514). 1512–14 las S. über die Geographie des Ptolemäus und publizierte 1518 einen Vorschlag zur Kalenderreform. Zu seinen berühmtesten Schülern zählen Philipp Melanchthon (1497–1560) und Sebastian Münster (1488–1552). Melanchthons unbedingter Glaube an die Astrologie ist eine Folge seiner Studien bei S., und die in Tübingen gewonnene Hochschätzung der Mathematik und Astronomie hatte auf seine spätere Lehrtätigkeit in Wittenberg bedeutenden Einfluß. Als Hzg. Ulrich 1519 vor den anrückenden Truppen des Schwäbischen Bundes außer Landes fliehen mußte, geriet S. in finanzielle Schwierigkeiten, da die Gehaltszahlungen ausblieben. 1522 wurde er Rektor und blieb trotz seiner materiell bedrückenden Verhältnisse weiterhin rastlos wissenschaftlich tätig. Eine Pestepidemie erzwang 1530 die Umsiedlung der Universität in verschiedene Städte des Umlandes. S. verstarb 1531 in Blaubeuren an der Seuche und wurde in der Tübinger Stiftskirche beigesetzt. Sein Name steht nicht für bahnbrechende Entdeckungen oder die Erneuerung der astronom. Wissenschaft. S.s Ansehen gründete sich vielmehr auf seine gelehrte Beschäftigung mit der Astrologie und die in seiner Werkstatt gefertigten Instrumente.

  • Werke

    u. a. Alm. nova plurimis annis venturis inservientia, Ulm 1499;
    Vorlesung über d. I. u. II. Buch d. Geographie d. Ptolemäus, 1512/14 (Ms., Univ.bibl. Tübingen, Mc 28);
    Calendarium Romanum Magnum, 1518;
    Der Newe groß Römisch Calender mit seinen Ausßlegůngen Erclärungen vnnd Regelñ, 1522;
    Expurgatio adversus divinationum XXIIII anni suspitiones, o. J. [1523];
    Ephemeridum opus, 1531;
    In Procli Diadochi (…) sphaeram mundi (…) commentarius (…), 1534;
    Cosmographicae aliquot descriptiones, hg. v. J. Dryander, 1537;
    Verz. weiterer Drucke:
    VD 16.

  • Literatur

    ADB 36;
    F. Kaltenbrunner, Die Vorgesch. d. Gregorian. Kal.reform, in: SB d. Österr. Ak. d. Wiss., Phil.-Hist. Kl., 82, 1876, S. 390–95;
    J. C. A. Moll, J. S. v. Justingen, Ein Characterbild aus d. ersten Halbjh. d. Univ. Tübingen, 1877;
    G. Hellmann, Aus d. Blütezeit d. Astrometeorologie, J. S.s Prognose f. d. J. 1524, in: Veröff. d. kgl. Preuß. Meteorol. Inst. 273, 1914, S. 5–102;
    J. Haller, Die Anfänge d. Univ. Tübingen 1477–1537, Bd. I, 1927, S. 263–76 u. 303 f., Bd. II, 1929, S. 100–07 u. 117 f.;
    H. Talkenberger, Sintflut, Prophetie u. Zeitgeschehen in Texten u. Holzschnitten astrolog. Flugschrr. 1488–1528, 1990, S. 161–67, 250 f. u. 336–46;
    G. Oestmann, Schicksalsdeutung u. Astronomie, Der Himmelsglobus d. J. S. v. 1493, Ausst.kat. Stuttgart 1993;
    ders., J. S., Melanchthons Lehrer in Tübingen, in: Philipp Melanchthon in Südwestdtld., Bildungsstationen e. Reformators, hg. v. St. Rhein, A. Schlechter u. U. Wennemuth, 1997, S. 75–85;
    G. Betsch, M. J. S. u. d. Anfänge d. math. Wiss. an d. Univ. Tübingen, in: Wanderschaft in d. Math., hg. v. M. Hyksová u. U. Reich, 2006, S. 28–40;
    ders., Die Anfänge d. math. Wiss. an d. Univ. Tübingen, J. S. u. Philipp Imsser, in: Tübingen in Lehre u. Forsch. um 1500, hg. v. S. Lorenz, D. R. Bauer u. O. Auge, 2008, S. 127–58;
    K. Reich, J. S., Melanchthons Tübinger Lehrer in Math. u. Astronomie, in: Vom Schüler d. Burse z. „Lehrer Dtlds.“ Philipp Melanchthon in Tübingen, hg. v. S. Lorenz, Ausst.kat. 2010, S. 138–51.

  • Porträts

    Ölgem. e. unbek. Malers, 1614 (Tübingen, Bildnisslg. d. Univ.);
    Holzschnitt v. Ch. Murer (?), um 1585, in: N. Reusner, Icones sive Imagines virorum literis illustrium, 1587, fol. D IIIv;
    Portraitmedaille v. M. Gebel, 1530/31 (Wien, Kunsthist. Mus.).

  • Autor/in

    Günther Oestmann
  • Zitierweise

    Oestmann, Günther, "Stoeffler, Johannes" in: Neue Deutsche Biographie 25 (2013), S. 387-388 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118798979.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Stöffler: Johannes St., von Justingen, geboren am 10. December 1452, am 16. Februar 1531 zu Blaubeuren, berühmter Mathematiker, Astronom und Astrologe. — Aus demselben Dorfe Justingen (tgl. württembergisches Oberamt Münsingen) stammend, wie der Humanist Heinrich Bebel und die beiden Vergenhanse (Naucleros), ist er möglicherweise mit den letzteren verwandt. Am 21. April 1472 wurde er an der Universität Ingolstadt immatriculirt. Er hat später dieselbe als eine „herrliche Hochschule“ bezeichnet, die ihm in den freien Künsten eine süße Mutter gewesen sei. Es ist ungewiß, wann er die Pfarrei Justingen bekam, doch scheint ihn der Besitz der Pfründe nicht dauernd an Justingen gebunden zu haben. 1496 stellte er in Konstanz eine Uhr im dortigen Münster auf; 1499 ist er in Ulm u. s. w. Seine Gelehrsamkeit verschaffte ihm viele Freunde, darunter Gelehrte vom höchsten Rufe, wie z. B. Johannes Reuchlin; auch wurde er von wißbegierigen Männern in seinem entlegenen Pfarrdorfe aufgesucht, so z. B. von Paul Scriptoris und Konrad Pellican im J. 1499. Auch mit Johann v. Dalberg, dem kurpfälzischen Kanzler und Bischof von Worms, dem berühmten Gönner der Humanisten, stand er in freundschaftlicher Verbindung. Er fertigte für diesen einen Himmelsglobus und hat den gefeierten Mäcenas in seinem Schlosse zu Ladenburg aufgesucht. Auf Wunsch des Herzogs Ulrich von Württemberg übernahm er 1511, schon 59 Jahre alt, die Professur der Mathematik an der Hochschule Tübingen. Die Vertreibung des Herzogs, der sich für seinen Gehalt verbürgt hatte, brachte dem betagten Gelehrten schlimme Zeiten, weil er die ihm von der Pfarrei Justingen zugesicherten 90 Gulden nicht mehr ausbezahlt bekam. Der Rechtshandel darüber beschäftigte sogar den Erzherzog Ferdinand, der in Abwesenheit des Herzogs Ulrich Württemberg verwaltete. Die Pest vertrieb St. im J. 1530 mit einem Theil der Hochschule aus Tübingen nach Blaubeuren, wo er auch gestorben ist. Begraben wurde er in der St. Georgenkirche zu Tübingen.

    Die Blüthezeit seiner akademischen Thätigkeit fällt vor 1519, während|welcher Zeit (von 1512—1518) auch Philipp Melanchthon sein Schüler war. Dieser hat tiefe Eindrücke von dem großen Gelehrten empfangen, und der astrologische Wahnglaube, dem Melanchthon sein ganzes Leben huldigte, dürfte auf St. zurückzuführen sein. Zwischen beiden Männern hat sich trotz der großen Altersverschiedenheit rasch ein pietätvolles Verhältniß entwickelt. Schon 1513 begleitete Melanchthon eine Schrift Stöffler's mit empfehlenden Versen, und die erste erhaltene Rede Melanchthon's: De artibus liberalibus ist St. gewidmet. Noch in späteren Jahren pflegte Melanchthon in seinen Vorlesungen Aussprüche und Anekdoten des verehrten Tübinger Gelehrten zu erzählen.

    Von seinen jetzt selten gewordenen Schriften mögen folgende genannt werden: „Almanach nova plurimis annis venturis inservientia: per Joannem Stöfflerinum Justingensem et Jacobum Pflaumen Ulmensem accuratissime supputata etc.“ (Ulm 1499); „Tabulae astronomicae. Verarum mediarumque coniunctionum et oppositionum Solis et Lunae etc.“ (Tübingen 1514); „Elucidatio fabricae ususque astrolabii etc.“ (Oppenheim 1513); „Calendarium magnum Romanum“ (Oppenheim 1518); „Expurgatio adversus divinationum XXIII anni suspitiones etc.“ (Tübingen (1523); „Ephemeridum opus etc.“ (Tübingen 1531). Erst nach dem Tode des Verfassers erschienen, bildet die Fortsetzung der Almanach nova. „In Procli Diadochi autoris gravissimi sphaeram mundi etc. Commentarius“ (Tübingen 1534). Diese Schrift wurde von L. Schrader herausgegeben. Nicht gedruckt wurden seine „Commentaria in Ptolemaei libros geographicos“, die zum Theil verbrannt sind. Die zwei erhaltenen Bücher der Handschrift befinden sich auf der Tübinger Universitätsbibliothek. Es werden noch weitere Schriften Stöffler's genannt, z. B. auch von Vossius, von denen jedoch zweifelhaft ist, ob sie wirklich erschienen sind.

    Ziemliches Unheil stiftete St. durch seine astrologischen Träumereien an, indem er auf das J. 1524 eine neue Sintflut prophezeite, wodurch sich manche Menschen zu thörichten Handlungen verleiten ließen. Obgleich statt der Sintflut eine große Trockenheit eintrat, scheint er doch nichts an Ansehen eingebüßt zu haben. Zur Kalenderverbesserung machte er elf Vorschläge. Aber auch als Kosmograph und Mechaniker war er ausgezeichnet; heute noch besitzt die Gymnasialbibliothek zu Konstanz einen merkwürdigen Globus coelestis, welchen St. für den Weihbischof Daniel von Konstanz verfertigt hat. Andere ähnliche Werke seiner Geschicklichkeit, von denen die Zeitgenossen berichten, sind zu Grunde gegangen. — Von den zwei erhaltenen Bildern Stöffler's finden sich gutgelungene Reproductionen in den unten erwähnten Arbeiten Moll's und Steiff's.

    • Literatur

      J. C. A. Moll, Johannes Stöffler von Justingen. Ein Charakterbild aus dem ersten Halbjahrhundert der Universität Tübingen. Mit sechs Holzschnitten. Lindau 1877 (Separatabdruck aus dem Heft 8 der Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung). — K. Steiff, Der erste Buchdruck in Tübingen (1498—1534). Ein Beitrag zur Geschichte der Universität Tübingen. 1881.

  • Autor/in

    Karl Hartfelder.
  • Zitierweise

    Hartfelder, Karl, "Stoeffler, Johannes" in: Allgemeine Deutsche Biographie 36 (1893), S. 317-318 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118798979.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA