Klafki, Wolfgang
Klafki, Wolfgang Adolf Fritz
1927 – 2016
Erziehungswissenschaftler
- Lebensdaten
- 1927 – 2016
- Geburtsort
- Angerburg (Ostpreußen, heute Węgorzewo, Polen)
- Sterbeort
- Marburg an der Lahn
- Beruf/Funktion
- Erziehungswissenschaftler ; Pädagoge
- Konfession
- evangelisch-lutherisch
- Normdaten
- GND: 118777254 | OGND | VIAF: 268177236
- Namensvarianten
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- Klafki, Wolfgang Adolf Fritz
- Klafki, Wolfgang
- Klafki, Wolfgang Adolf Fritz
Biografische Lexika/Biogramme
Literatur(nachweise)
- Katalog des Bibliotheksverbundes Bayern (BVB)
- Deutsche Digitale Bibliothek
- Normdateneintrag des Südwestdeutschen Bibliotheksverbundes (SWB)
- * Deutsches Literaturarchiv Marbach - Kallías
- Österreichischer Bibliothekenverbund (OBV)
- Gemeinsamer Verbundkatalog (GBV)
- * Bibliothek des Instituts für Zeitgeschichte München - Berlin
- * musiconn - Für vernetzte Musikwissenschaft
- Index Theologicus (IxTheo)
- * Jahresberichte für deutsche Geschichte - Online
Objekt/Werk(nachweise)
Verknüpfungen
Von der Person ausgehende Verknüpfungen
Personen in der NDB Genealogie
Personen im NDB Artikel
- Astrid Kaiser (geb. 1948)
- Barbara Koch-Priewe (geb. 1950)
- Elisabeth Blochmann (1892–1972)
- Erich Weniger (1894–1961)
- Ernst Lichtenstein (1900–1971)
- Frank-Olaf Radtke (geb. 1945)
- Frauke Stübig (geb. 1945)
- Gustav Heckmann (1898–1996)
- Hanno Schmitt (geb. 1942)
- Hans-Dietrich Raapke (1929–2016)
- Hans-Joachim Heydorn (1916–1974)
- Hans-Jochen Gamm, 1925–2011
- Hans-Martin Stimpel (geb. 1926)
- Heinz Stübig (geb. 1939)
- Herman Nohl (1879–1960)
- Hermann Giesecke (1932–2021)
- Herwig Blankertz (1927–1983)
- Ilse Dahmer (geb. 1929)
- Johanna-Luise Brockmann (geb. 1925)
- Jürgen Habermas (geb. 1929)
- Karl-Heinz Arnold (geb. 1952)
- Klaus Mollenhauer (1928–1998)
- Ludwig von Friedeburg (1924–2010)
- Max Horkheimer (1895–1973)
- Meinert A. Meyer (1941–2018)
- Susanne Lin-Klitzing (geb. 1963)
- Theodor Litt (1880–1962)
- Theodor Schulze (geb. 1926)
- Theodor W. Adorno (1903–1969)
- Wilfried Hendricks (geb. 1943)
- Wolfgang Kramp (1927–1983)
- Wolfgang Schulenberg (1920–1985)
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Als einer der bedeutendsten Erziehungswissenschaftler der Bundesrepublik beeinflusste Wolfgang Klafki seit dem Ende der 1950er Jahre sowohl Unterricht, Schule und Lehrerbildung als auch die akademische Pädagogik. Klafki arbeitete an der Entwicklung von Bildungsplänen mehrerer Bundesländer mit und prägte über lange Zeit die Ausrichtung der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft. Für seine Werke, in denen er u. a. sein Konzept der „Kategorialen Bildung“ entwickelte, und für sein bildungspolitisches Engagement erhielt er auch international hohe Anerkennung.
Lebensdaten
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Lebenslauf
1. September 1927 - Angerburg (Ostpreußen, heute Węgorzewo, Polen) -
Genealogie
Vater Adolf Ernst Rudolph Klafki 22.8.1893–19.3.1948 aus Marienwerder (Westpreußen, heute Kwidzyn, Polen; Oberstudienrat in Angerburg (Ostpreußen, heute Węgorzewo, Polen); zuletzt in Neumünster (Schleswig-Holstein) Großvater väterlicherseits Benno Klafki gest. 1898 Großmutter väterlicherseits Elise Klafki, geb. Eichmann Mutter Lotte Klafki, geb. Braemer 1901–25.2.1989 aus Flatow (Westpreußen, heute Złotów, Polen); zuletzt in Offenburg (Baden-Württemberg) Großvater mütterlicherseits Wilhelm Adolf Braemer 15.2.1858–24.4.1925 aus Spirginnen (Ostpreußen, später Hasenflur, heute Teil von Griwino, Kaliningrad, Russland); zuletzt in Cranz (heute Hamburg-Cranz) Großmutter mütterlicherseits Auguste Wilhelmine Braemer, geb. Schwarzenecker 21.12.1859–31.7.1940 aus Ederkemen (Ostpreußen, heute Edraičiai, Kaliningrad, Russland); zuletzt in Königsberg (Ostpreußen, heute Kaliningrad, Russland) Bruder Günter Kurt Hans Klafki 14.12.1923–20.11.2009 kaufmännischer Angestellter; zuletzt in Böblingen (Baden-Württemberg) Bruder Eberhard Konrad Rudolf Hermann Klafki 15.1.1935–26.6.2022 Oberstudienrat; zuletzt in Rastatt (Baden-Württemberg) Heirat 17.4.1957 in Hannover Ehefrau Hildegard Klafki, geb. Ufer 15.08.1925–31.10.2021 aus Magdeburg-Sudenburg; Lehrerin; zuletzt in Marburg an der Lahn Schwiegervater Johannes Georg Josef Ufer 4.4.1893–9.6.1974 aus Sangerhausen (Regierungsbezirk Merseburg); zuletzt in Duderstadt (Niedersachsen) Schwiegermutter Auguste Ufer, geb. Otto 28.11.1898–13.4.1989 aus Duderstadt; zuletzt ebenda Tochter Angelika Christine Klafki-Baumgarten, geb. Klafki 28.1.1958–29.11.2019 Förderschullehrerin an der Mosaikschule in Marburg an der Lahn Tochter Monika Klafki geb. 30.4.1959 Dr. med. in Ühlingen-Birkendorf (Südschwarzwald) Sohn Hans-Wolfgang Andreas Klafki geb. 24.10.1961 Dr. rer. nat.; Principal Investigator an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsmedizin Göttingen Diese Grafik wurde automatisch erzeugt und bietet nur einen Ausschnitt der Angaben zur Genealogie.Klafki, Wolfgang (1927 – 2016)
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Vater
Adolf Klafki
22.8.1893–19.3.1948
aus Marienwerder (Westpreußen, heute Kwidzyn, Polen; Oberstudienrat in Angerburg (Ostpreußen, heute Węgorzewo, Polen); zuletzt in Neumünster (Schleswig-Holstein)
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Großvater väterlicherseits
Benno Klafki
gest. 1898
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Großmutter väterlicherseits
Elise Klafki
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Mutter
Lotte Klafki
1901–25.2.1989
aus Flatow (Westpreußen, heute Złotów, Polen); zuletzt in Offenburg (Baden-Württemberg)
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Großvater mütterlicherseits
Wilhelm Adolf Braemer
15.2.1858–24.4.1925
aus Spirginnen (Ostpreußen, später Hasenflur, heute Teil von Griwino, Kaliningrad, Russland); zuletzt in Cranz (heute Hamburg-Cranz)
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Großmutter mütterlicherseits
Auguste Wilhelmine Braemer
21.12.1859–31.7.1940
aus Ederkemen (Ostpreußen, heute Edraičiai, Kaliningrad, Russland); zuletzt in Königsberg (Ostpreußen, heute Kaliningrad, Russland)
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Bruder
Günter Kurt Hans
14.12.1923–20.11.2009
kaufmännischer Angestellter; zuletzt in Böblingen (Baden-Württemberg)
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Bruder
Eberhard Konrad Rudolf Hermann Klafki
15.1.1935–26.6.2022
Oberstudienrat; zuletzt in Rastatt (Baden-Württemberg)
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Heirat
in
Hannover
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Ehefrau
Hildegard Klafki
15.08.1925–31.10.2021
aus Magdeburg-Sudenburg; Lehrerin; zuletzt in Marburg an der Lahn
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Biografie
Klafki besuchte seit 1937 die Hindenburg-Oberschule in Angerburg (Ostpreußen, heute Węgorzewo, Polen) und entwickelte schon in dieser Zeit – vermittelt durch seinen Vater, der als Oberstudienrat tätig war – ein Interesse für didaktische Themen. Seit 1943 als Flakhelfer eingesetzt, musste er seine Schullaufbahn 1944 kriegsbedingt mit Reifevermerk vorzeitig beenden und leistete bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs Reichsarbeitsdienst und Kriegsdienst. Nach der Ausheilung einer Verwundung absolvierte er seit 1946 ein Studium zum Volksschullehrer an der Pädagogischen Hochschule Hannover, das er mit dem Ersten Staatsexamen abschloss. Die zweite Ausbildungsphase erfolgte seit 1948 parallel zur Tätigkeit als Lehrer an Volksschulen in Lindhorst und Lüdersfeld bei Hannover. Für seinen Abschluss verfasste er 1952 eine 2013 publizierte zweite Staatsexamensarbeit, in der er bereits sein Konzept der „Kategorialen Bildung“ entwarf und die Kernthesen seiner „Studien zu Bildungstheorie und Didaktik“ (1963) formulierte.
Von 1952 und 1957 studierte Klafki als Adolf-Grimme-Stipendiat Pädagogik bei Herman Nohl (1879–1960), Theodor Litt (1880–1962) und Erich Weniger (1894–1961) an den Universitäten Göttingen und Bonn. Zu seinen Göttinger Kommilitoninnen und Kommilitonen gehörten u. a. Herwig Blankertz (1927–1983), Ilse Dahmer (geb. 1929), Wolfgang Kramp (1927–1983), Klaus Mollenhauer (1928–1998), Hans-Dietrich Raapke (1929–2016), Wolfgang Schulenberg (1920–1985), Theodor Schulze (geb. 1926) und Hans-Martin Stimpel (geb. 1926). 1957 wurde er bei Weniger in Göttingen zum Dr. phil. promoviert. In seiner Dissertation „Das pädagogische Problem des Elementaren und die Theorie der kategorialen Bildung“, die ihn weithin bekannt machte, systematisierte er sein Konzept der „Kategorialen Bildung“. Nach Tätigkeiten als Assistent bzw. Oberassistent an der PH Hannover und der Universität Münster wurde Klafki 1963 ohne Habilitation als Nachfolger von Elisabeth Blochmann (1892–1972) zum ordentlichen Professor für Erziehungswissenschaft an die Universität Marburg an der Lahn berufen, wo er bis zur Emeritierung 1992 lehrte (Dekan 1980/81, 1989/90). Rufe an die Universitäten Tübingen und Göttingen lehnte er 1963 bzw. 1969 ab.
Im Berufungsjahr legte Klafki sein erstes Hauptwerk („Studien zu Bildungstheorie und Didaktik“, 1963) vor, in dem er in mehreren Aufsätzen seine Theorie der „Kategorialen Bildung“ entfaltete. Seinen überragenden Ruf erwarb er sich durch die Auflösung des langen akademischen Streits, ob man sich bei der Auswahl von Bildungsinhalten eher an formalen oder an materialen Bildungstheorien orientieren solle. In formalen Bildungstheorien werden Inhalte nur danach ausgewählt, ob sie eine Funktion für das Erwerben von „Kräften“ bzw. Motiven der Persönlichkeit oder eine Funktion für das Erwerben von Methoden des Denkens, Erkennens etc. haben. In materialen Bildungstheorien entsprechen die ausgewählten Inhalte einem vorab definierten, kulturell akzeptierten Inhaltskanon, die entweder als „objektive Kulturgüter“ verstanden werden oder einer Auffassung des „Klassischen“ entsprechen, wie z. B. griechische Tragödien. Nach der von Klafki vorgeschlagenen dialektischen Auflösung der Kontroverse sollten im Sinn einer kategorialen Bildung nur solche Inhalte ausgewählt werden, die einerseits etwas Grundlegendes, ein Urphänomen, ein Grundproblem (materiale Seite) repräsentieren und andererseits dieser Inhalt den Lernenden zugleich subjektiv bedeutungsvoll erscheint, also mit dem Erwerben von Erkenntnismotiven verbunden ist (formale Seite). Kategoriale Bildung heißt, dass Lernende neue kategoriale Wahrnehmungsdimensionen und zugleich – modern gesprochen – neue Motive und Fähigkeiten des Lernen Lernens erwerben: Sie betrachten die Wirklichkeit mit anderen Kategorien als früher; und in dieser neuen Betrachtungsweise sind sowohl ihre subjektive Sicht, ihre persönlichen Motive und auch Merkmale der allgemeinen, objektiven und wissenschaftlichen Erkenntnisse untrennbar miteinander verwoben.
Als gekürztes Zitat aus Klafkis Werk erlangte der Begriff des "doppelten Erschließungsverhältnisses" anhaltende Wirkung: Lernende erschließen sich durch kategoriale Bildung die Wirklichkeit und sind zugleich von dieser Wirklichkeit erschlossen worden. In einem ebenfalls im genannten Werk veröffentlichten Aufsatz „Didaktische Analyse als Kern der Unterrichtsvorbereitung“ zeigte Klafki, wie Lehrkräfte bei Kategorialer Bildung praktisch vorgehen sollten. Diese „Studien zu Bildungstheorie und Didaktik“ wurden mehrfach übersetzt und neu aufgelegt; sie machten ihn auch über die akademische Fachwelt und nationale Grenzen hinaus berühmt.
Ein breites Publikum erreichte Klafki auch mit dem unter seiner Leitung erarbeiteten „Funkkolleg Erziehungswissenschaft“, das 1969/70 vom Hessischen Rundfunk ausgestrahlt wurde. Seine hierzu verfassten „Studienbegleitbriefe“ (3 Bde., Nachdrucke bis 1986) erreichten Auflagen von bis zu einer halben Million und unterstützten die Entwicklung der Erziehungswissenschaft zu einem universitär verankerten Fachstudium, für das 1969 der Diplom-Abschluss aufgrund eines Beschlusses der Westdeutschen Rektorenkonferenz und des Beschlusses der Kultusministerkonferenz an den westdeutschen Universitäten und Pädagogischen Hochschulen eingeführt wurde.
Im Kontext der Studentenbewegung unterzog Klafki seine durch die Geisteswissenschaftliche Pädagogik geprägten Vorstellungen von Bildung einer Revision und entwarf eine „kritisch-konstruktive Erziehungswissenschaft“, in der er sich auf die Kritische Theorie und die Frankfurter Schule der Sozialphilosophie, v. a. auf Theodor W. Adorno (1903–1969), Max Horkheimer (1895–1973), Jürgen Habermas (geb. 1929) und Hans-Joachim Heydorn (1916–1974), bezog. Besonders in „Aspekte kritisch-konstruktiver Erziehungswissenschaft“ (1976) legte er Vorschläge vor, wie im bestehenden gesellschaftlichen System demokratische Veränderungen auch durch ein entsprechendes Bildungssystem zu fördern seien und formulierte in empirischen Forschungsprojekten auf dieser Grundlage Prinzipien der Handlungsforschung mit einer gleichberechtigten Kooperation von Wissenschaft und Praxis und dem Ziel, die Mündigkeit der Schülerinnen und Schüler zu fördern.
1985 publizierte Klafki sein zweites Hauptwerk „Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik“. Es verweist auf epochaltypische Schlüsselprobleme (wie die Friedensfrage, die Umweltfrage, gesellschaftliche Ungleichheit, neue Medien, Ich-Du-Beziehungen) und benennt unter Berufung auf neuhumanistische Bildungstheorien Selbstbestimmungs-, Mitbestimmungs- und Solidaritätsfähigkeit als zentrale Bildungsziele. Auch diese Aufsatzsammlung fand breite Zustimmung; das darin enthaltene Allgemeinbildungskonzept ging in Schulgesetze, Rahmenrichtlinien und Curricula ein. Klafkis Auseinandersetzung mit der Verstrickung der Geisteswissenschaftlichen Pädagogik in die NS-Ideologie schloss eine kritische Reflexion seiner Mitgliedschaft in der Hitler-Jugend ein, so in dem von ihm herausgegebenen Band „Verführung, Distanzierung, Ernüchterung. Kindheit und Jugend im Nationalsozialismus“ (1988). Das mit Johanna-Luise Brockmann (geb. 1925) verfasste Werk „Geisteswissenschaftliche Pädagogik und Nationalsozialismus. Hermann Nohl und seine ‚Göttinger Schule’ 1932–1937. Eine individual- und gruppenbiografische, mentalitäts- und theoriegeschichtliche Untersuchung“ (2002) analysiert bis dahin unbekannte Schriften Nohls, in denen dessen systemstützende Haltung zum Ausdruck kommt.
Klafki legte als Verfasser und Herausgeber mehr als 400 Werke vor, die in 14 Sprachen übersetzt wurden und mit denen er die Diskussion um geeignete Bildungsvorstellungen, Lehrerbildung und Schulreformen förderte. Mit seinen Thesen stieß er mehrfach öffentlich ausgetragene Kontroversen an, an denen er sich führend beteiligte, so etwa 1975 in seiner Auseinandersetzung mit Frank-Olaf Radtke (geb. 1945) über die Handlungsforschung sowie 1997/98 mit Meinert A. Meyer (1941–2018) und Hermann Giesecke (1932–2021) über epochaltypische Schlüsselprobleme. Bezüglich der Handlungsforschung ging es darum, ob der postulierte Abbau der Hierarchie zwischen Forschenden und Lehrkräften in Klafkis Handlungsforschungsprojekt faktisch nicht realisiert worden sei, und bei der Nennung von Schlüsselproblemen wurde Klafki vorgeworfen, aus einer rein subjektiven Perspektive heraus normative Inhalte schulischen Unterrichts abgeleitet zu haben. Von seinen über 70 Doktorandinnen und Doktoranden erhielten viele Lehrstühle und andere einflussreiche Positionen in der Erziehungswissenschaft, etwa Karl-Heinz Arnold (geb. 1952), Wilfried Hendricks (geb. 1943), Barbara Koch-Priewe (geb. 1950), Astrid Kaiser (geb. 1948), Susanne Lin-Klitzing (geb. 1963), Hanno Schmitt (geb. 1942), Frauke Stübig (geb. 1945) und Heinz Stübig (geb. 1939).
Großen Einfluss auf die Erziehungswissenschaft und die Entwicklung der Bildung in der Bundesrepublik nahm Klafki auch als gefragter Berater und Wissenschaftsorganisator. In der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft, der er 1963 beitrat, gehörte er viele Jahre dem Vorstand an und amtierte von 1986 bis 1988 als Vorsitzender. 1968 trug er zur Gründung des Bundes demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei, dessen Vorstandsmitglied er wurde. Zumeist als Vorsitzender engagierte er sich in zahlreichen Gremien zur Reform von Schulen, etwa von 1991 bis 2006 als Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Laborschule Bielefeld. Klafki beeinflusste wichtige bildungspolitische Entscheidungen in mehreren Bundesländern, z. B. zur Einrichtung von Gesamtschulen, zur Verlängerung der Pflichtschulzeit, zur Einführung der Förderstufe und einer sechsjährigen Grundschulzeit sowie zur Einführung des Fachs Arbeitslehre an Hauptschulen. So war er von 1967 bis 1971 Vorsitzender der Lehrplankommission für Hauptschulen in Nordrhein-Westfalen, von 1968 bis zu deren Auflösung 1971 durch den hessischen Kultusminister Ludwig von Friedeburg (1924–2010) Vorsitzender der Kommission zur Revision der Hessischen Bildungspläne und 1992 Vorsitzender der Schulreform-Kommission beim Senator für Bildung und Wissenschaft des Landes Bremen.
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Auszeichnungen
1963–2016 Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (Vorstandsmitglied 1966–1980 und 1982–1988; Vorsitzender 1986–1988; Ehrenvorsitzender 1996–2016) 1967–1971 Vorsitzender der Lehrplankommission für Hauptschulen in Nordrhein-Westfalen 1968–1970 Leiter der Vorbereitung und der Sendung des Funkkollegs Erziehungswissenschaft 1968–1971 Vorsitzender der Kommission zur Revision der Hessischen Bildungspläne 1968–2016 Gründungsmitglied im Bund Demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler 1970–1975 Mitglied des Wissenschaftlichen Rats des Bildungstechnologischen Zentrums Wiesbaden (wissenschaftliche Betreuung der Ständigen Arbeitsgruppe für Curriculumentwicklung) 1971–1979 Leiter des Forschungs- und Curriculumentwicklungsvorhabens „Marburger Grundschulprojekt“ 1971–1983 Leiter dreier Forschungsprojekte zur Struktur- und curricularen Reform der Fachschulen für Sozialpädagogik 1973–2016 Mitglied der Gemeinnützigen Gesellschaft Gesamtschule 1991–2006 Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Laborschule Bielefeld 1992 Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland 1992 Vorsitzender der Schulreform-Kommission beim Senator für Bildung und Wissenschaft des Landes Bremen 1992–1995 Mitglied der NRW-Bildungs-Kommission „Zukunft der Bildung – Schule der Zukunft“ 1997 Dr. h. c., The Royal Danish School of Educational Studies, Kopenhagen 2002 Ernst-Christian-Trapp-Preis der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft 2002–2016 Ehrenmitglied des Studienkreises Deutscher Widerstand 1933–1945 2004 Dr. phil. h. c., Universität Osnabrück 2004 Dr. phil. h. c., Universität Kassel 2010 Comenius-Preis der J. A. Comenius-Stiftung zur Unterstützung Not leidender Kinder (mit Hans-Jochen Gamm, 1925–2011) -
Quellen
Nachlass:
Archiv der Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung, Berlin.
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Werke
Monografien und Aufsatzsammlungen:
Das pädagogische Problem des Elementaren und die Theorie der kategorialen Bildung, 1957, erw. 1963, erg. 3. u. 4. Aufl. 1964. (Diss. phil.)
Studien zur Bildungstheorie und Didaktik, 1963, 37.-40. Tsd. 1975.
Wolfgang Klafki/Georg M. Rückriem/Willi Wolf/Reinhold Freudenstein/Hans-Karl Beckmann/Karl-Christoph Lingelbach/Gerd Iben/Jürgen Diederich, Funkkolleg Erziehungswissenschaft, 3 Bde., 1969/70, Nachdr. bis 1986.
Aspekte kritisch-konstruktiver Erziehungswissenschaft, 1976.
Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik. Beiträge zur kritisch-konstruktiven Didaktik, 1985, erw. 1991, 62007.
Wolfgang Klafki/Johanna-Luise Brockmann, Geisteswissenschaftliche Pädagogik und Nationalsozialismus. Herman Nohl und seine „Göttinger Schule“ 1932–1937. Eine individual- und gruppenbiografische, mentalitäts- und theoriegeschichtliche Untersuchung, 2002.
Kategoriale Bildung. Konzeption und Praxis reformpädagogischer Schularbeit zwischen 1948 und 1952, hg. u. mit einer Einl. versehen v. Christian Ritzi/Heinz Stübig, 2013. (zweite Staatsexamensarbeit, Pädagogische Hochschule Hannover, 1952) (weiterführende Informationen)
Allgemeine Erziehungswissenschaft. Systematische und historische Abhandlungen, postum hg. u. eingel. v. Karl-Heinz Braun/Frauke Stübig/Heinz Stübig, 2019.
Schultheorie, Schulforschung und Schulentwicklung im politisch-gesellschaftlichen Kontext. Ausgewählte Studien, hg. v. Barbara Koch-Priewe/Heinz Stübig/Wilfried Hendricks, 2002.
Herausgeberschaften:
Zeitschrift für Pädagogik, 1965-2001. (Mitherausgeber)
Verführung, Distanzierung, Ernüchterung. Kindheit und Jugend im Nationalsozialismus. Autobiographisches aus erziehungswissenschaftlicher Sicht, 1988.
Aufsätze und Beiträge:
Replik auf Frank-Olaf Radtkes Verständnis der Aktionsforschung im Marburger Grundschulprojekt, in: Beiträge zur Bildungstechnologie 4 (1975), S. 26–38.
Allgemeine Didaktik. Fach- und Bereichsdidaktiken. Schlüsselprobleme. Zu Meinert Meyers Kritik an meinem Aufsatz „Zum Verhältnis von Allgemeiner Didaktik und Fachdidaktik – fünf Thesen“ (1994). Kritik einer Kritik, in: Josef Keuffer/Meinert A. Meyer (Hg.), Didaktik und kultureller Wandel. Aktuelle Problemlagen und Veränderungsperspektiven, 1997, S. 85–107.
Schlüsselprobleme in der Diskussion – Kritik einer Kritik. Zu Hermann Gieseckes Aufsatz „Was ist ein Schlüsselproblem?“. Anmerkungen zu Wolfgang Klafkis neuem Allgemeinbildungskonzept, in: Neue Sammlung 38 (1998), S. 103–124.
Autobiografisches:
Wolfgang Klafki/Karl-Heinz Braun, Wege pädagogischen Denkens. Ein autobiografischer und erziehungswissenschaftlicher Dialog, 2007. (P)
Daten und Bilder zum Leben von Wolfgang Klafki, in: Karl Heinz Braun/Frauke Stübig/Heinz Stübig (Hg.), Erziehungswissenschaftliche Reflexion und pädagogisch-politisches Engagement, 2018, S. 15–26.
Bibliografie:
Heinz Stübig/Madeleine Kinsella, Bibliographie Wolfgang Klafki. Verzeichnis der Veröffentlichungen und betreuten Hochschulschriften 1952–2007 sowie Nachträge, 2008, S. 17–127. (Onlineressource)
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Literatur
Monografien und Sammelbände:
Eva Matthes, Von der geisteswissenschaftlichen zur kritisch-konstruktiven Pädagogik und Didaktik. Der Beitrag Wolfgang Klafkis zur Entwicklung der Pädagogik als Wissenschaft, 1992.
Karl-Heinz Braun, Pädagogische Zukunftsentwürfe. Festschrift für Wolfgang Klafki zum 70. Geburtstag, 1997.
Barbara Koch-Priewe/Frauke Stübig/Karl-Heinz Arnold (Hg.), Das Potenzial der Allgemeine Didaktik. Stellungnahmen aus der Perspektive der Bildungstheorie von Wolfgang Klafki, 2007.
Meinert A. Meyer/Hilbert Meyer, Wolfgang Klafki. Eine Didaktik für das 21. Jahrhundert?, 2007.
Anne Köker/Jan Christoph Störtländer (Hg.), Kritische und konstruktive Anschlüsse an das Werk Wolfgang Klafkis, 2017.
Susanne Lin-Klitzing/Karl-Heinz Arnold, Wolfgang Klafki. Allgemeine Didaktik. Fachdidaktik. Politikberatung. Beiträge zum Marburger Gedenksymposium, 2019.
Aufsätze und Beiträge:
Astrid Kaiser, Ein Pädagoge im besten Wortsinne. Wolfgang Klafki als Lehrer, in: Grundschule 29 (1997), H. 9, S. 64 f.
Barbara Koch-Priewe, Für Wolfgang Klafki. Laudatio anlässlich der Ehrung durch den Ernst-Christian-Trapp-Preis, in: Pädagogik 54 (2002), H. 9, S. 35–39.
Barbara Koch-Priewe, Sachunterrichtsprojekte des Marburger Grundschulprojekts (1972–1979), in: Astrid Kaiser/Detlef Pech, Geschichte und historische Konzeptionen des Sachunterrichts, 2004, S. 179–185.
Astrid Kaiser, Wolfgang Klafki zum 80. Geburtstag, in: PÄD-Forum 35 (2007), H. 5, S. 305 f.
Barbara Koch-Priewe, Wolfgang Klafki, in: Klaus Zierer/Wolf-Thorsten Saalfrank (Hg.), Zeitgemäße Klassiker der Pädagogik. Leben – Werk – Wirken, 2010, S. 246–257.
Barbara Koch-Priewe/Anne Köker/Jan Christoph Störtländer, Die bildungstheoretische und die kritisch-konstruktive Didaktik, in: Raphaela Porsch (Hg.), Einführung in die Didaktik. Ein Arbeitsbuch für Lehramtsstudierende, 2016, S. 101–132.
Nachrufe:
Karl-Heinz Arnold/Barbara Koch-Priewe/Susanne Lin-Klitzing, Nachruf auf Wolfgang Klafki, in: Erziehungswissenschaft 27 (2016), H. 53, S. 141–143.
Barbara Koch-Priewe, Trauer um Prof. em. Dr. Dr. h.c. mult. Wolfgang Klafki, in: Die Deutsche Schule 108 (2016), S. 315–319.
Barbara Koch-Priewe, Die GEW trauert um Wolfgang Klafki, in: Erziehung & Wissenschaft 68 (2016), H. 10, S. 40.
Videodokumentation:
Norbert Neuß/Ewald Kiel, Reihe Pädagoginnen und Pädagogen der Gegenwart. Prof. Dr. Wolfgang Klafki, 2006. (DVD)
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Onlineressourcen
Eva Matthes, Art. „Klafki, Wolfgang“, in: Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen, 2007. (P)
N. N., Art. „Klafki, Wolfgang“, in: Hessische Biografie.
N. N., Art. „Klafki, Wolfgang“, in: Professorenkatalog der Philipps-Universität Marburg.
Gedenksymposium für Wolfgang Klafki, Universität Marburg, 1.9.2017.
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Autor/in
→Barbara Koch-Priewe (Bielefeld)
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Zitierweise
Koch-Priewe, Barbara, „Klafki, Wolfgang“ in: NDB-online, URL: https://www.deutsche-biographie.de/118777254.html#dbocontent