Lebensdaten
1874 – 1948
Geburtsort
Jerrentowitz (Jarantowice, Arnoldsdorf, Westpreußen)
Sterbeort
Berlin
Beruf/Funktion
Schauspieler ; Regisseur
Konfession
-
Normdaten
GND: 118765981 | OGND | VIAF: 66762932
Namensvarianten
  • Wegener, Paul
  • Wegener, Paul Hermann

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Zitierweise

Wegener, Paul, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118765981.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Otto (1836–1923, 2] Clara Misch), Landwirt, erwarb 1874 d. Gut Bischofsdorf b. Rössel, Ostpreußen, führte ab 1894 d. v. Dr. Brehmer gegründete Lungenheilanstalt Görbersdorf weiter, S d. Friedrich Wilhelm (1798–1886), Tuchfabr. u. Stadtältester in Wittstock (Prignitz), u. d. Franzisca Antoinette Rabe (1800–56);
    M Anna (1834–79), aus Kaufmannsfam. in Hamburg, T d. Guido Wolff ( 2] Marianne Niemeyer, 1819–86, s. Wedel, Autobiogrr. Frauen, Wwe d. Karl Immermann, 1796–1840, Dichter, s. NDB X), Dr., Überseekaufm. in Hamburg, Dir. d. Eisenbahn Hamburg-Berlin (s. NDB X*), u. d. Wilhelmine Niemeyer;
    Urur-Gvv Balthasar Friedrich ( 1800), 1753 Prediger in Züllichau (Neumark);
    Ur-Gvv Georg Jacob Ludwig (1757–1840), Sup. in Wittstock, Ur-Gvm August Hermann Niemeyer (1754–1828), Prof. d. Theol., Kanzler u. beständiger Rektor d. Univ. Halle/ Saale, Leiter d. Franckeschen Stiftungen, Päd., Dichter (s. ADB 23; NDB 19*);
    Ur-Gr-Ov Wilhelm Gabriel (1767–1837, 1] Wilhelmine Naumann, 1799, T e. Geh. Kriegsrats in B., 2] Anna Elisabeth Naumann, Schw d.|Wilhelmine, s. o.), Jugendfreund Alexander v. Humboldts, Sup. u. Oberpfarrer in Züllichau (Neumark) (s. P. Hermann, Leben u. Werk d. brandenburg. Sup. Wilhelm Gabriel W. im Spiegel seiner Autobiogr., in: Europa in d. Frühen Neuzeit, hg. v. E. Donnert, Bd. 7, 2008, S. 399–534; NND 15, 1839);
    Ov Paul Georg, Tuchfabr. in Wittstock, Richard (1843–1917), Dr. phil., ev. Theol., klass. Philol. (s. Gen. 2), 1 B Friedrich (* um 1864, Journ., Redakteur d. Ostpreuß. Ztg. in Königsberg (Pr.), 3 Schw Else ( N. N. Panzer, Bes. d. Guts Köwe, Samland), Hedwig (Hete) ( Ernst Gutzeit, 1863–1927, Prof. d. Landwirtsch. in Königsberg u. Halle/ Saale, s. Wi. 1922), Martha ( Reinhold Naubereit, Pfarrer in Heilsberg u. Cranz);
    1) 1895 Ida Ahlers (* 1878, 1] N. N.), 2) 1904 / 05 Aenne (Aenny) Hindermann (1872–1955), aus Minden, Opernsängerin u. a. am Stadttheater in Magdeburg, am Opernhaus in Hamburg, an d. Hofopern in Berlin, Dresden u. Schwerin (s. Kutsch-Riemens; W), 3) um 1915 / 16 Lida Salmonova (1889–1968), aus Prag, Schausp., 4) um 1926 Greta (eigtl. Margarete) Schröder (1891–1967, 1] Ernst Matray, 1891–1978, Tänzer, Choreograph, Schausp., Regisseur), aus Düsseldorf, Schausp., 5) um 1931 / 32 Elisabeth Rohwer, Schausp.;
    1 T aus 1) Martha, wuchs b. W.s Schwester in Ostpreußen auf, 1 S aus 2) August (* 1908), 1 S aus 3) Peter P. (1917–2008), Physiker, beteiligt an d. Entwicklung v. Überschall-Windkanälen in Peenemünde f. d. V2, Prof. an d. Yale Univ., 1951 Meritorious Civilian Service Award d. US Navy, 1982 Otto-Laporte-Preis, Humboldt-Forsch.preis f. US Senior Scientists, Fellow d. American Physical Soc., Mitgl. d. Connecticut Ac. of Science and Engineering (s. W);
    Vt Alfred (s. 2);
    N Christiane Gerstel-Naubereit (1901–2001), Bildhauerin;
    E Angelika Ziegler, Schulleiterin in Stein/Traun.

  • Biographie

    W., aufgewachsen auf dem ostpreuß. Rittergut Bischdorf, besuchte das Kreisgymnasium in Rössel, später das Kneiphöfische Gymnasium in Königsberg. 1894 begann er auf Wunsch des Vaters ein Jurastudium in Freiburg (Br.); tatsächlich befaßte er sich mit Kunstgeschichte, Psychologie und Ethnologie und nahm ersten Schauspielunterricht. Prägend für ihn war das Erlebnis des Isenheimer Altars von Matthias Grünewald im nahen Colmar. Anfang 1895 brach W. das Studium ab, um zum Schauspielerberuf zu wechseln, verlor jedoch damit die finanzielle Unterstützung des Vaters.

    Nach verschiedenen Stationen an Provinztheatern kam W. 1903 an das Stadttheater Hamburg, 1906 an Max Reinhardts Deutsches Theater in Berlin. Zuvor hatte er bei einem Gastspiel im Nov. 1905 in Armin Gimmerthals „Die Achenbachs“ einen spektakulären Durchbruch als alter Achenbach (Berlin, Neue Freie Volksbühne im neuen Theater am Schiffbauerdamm) erlebt. Bei Reinhardt entwickelte sich W. zu einem der besten Shakespeare-Interpreten seiner Zeit (Othello, Kg. Claudius in: Hamlet); v. a. in Shakespeares „Königsdramen“ kam die Intensität seiner Darstellung zum Ausdruck (Plantagenet, in: Kg. Richard III.; Kg. Heinrich IV.). Aber er brillierte nicht nur in Shakespeare- und Schillerrollen, sondern auch als großer Strindberg- und Ibsendarsteller. Sein Kapitän Edgar im „Totentanz“ und sein Direktor Hummel in der „Gespenstersonate“ (beide v. August Strindberg) waren legendär. Der Umbruch, der sich damals im Theaterleben abspielte, stand am Beginn der Moderne. Ein anderer Höhepunkt war seine Rolle als König Oedipus von Sophokles (in d. Nachdichtung v. Hugo v. Hofmannsthal). W.s Darstellung konnte monumental oder skurril, gelegentlich sogar komisch sein, immer war sie überraschend und von entschiedener Ausdruckskraft. Dabei trug W. viel zu einer neuen Auffassung traditioneller Charaktere bei: Sein Mephisto war kein schlanker, verführerischer Junkertyp mit der Hahnenfeder, sondern brutal und vulgär (wie ihn später auch Emil Jannings gestaltete), sein Holofernes ein Asiat, sein Othello ein Afrikaner.

    W., der sich 1914 freiwilig zum Kriegseinsatz gemeldet hatte, kehrte als Pazifist von der Westfront zurück. Im April 1915 wegen schwerer Herzerweiterung nach Berlin verlegt, wurde er nach seiner Genesung im Sept. 1915 von Reinhardt reklamiert.

    Neben der kulturellen Tradition seiner Familie wurde die intensive Suche nach sich selbst, der magische Blick in den Spiegel, zur wesentlichen Wurzel von W.s Arbeit. Ausgehend von der Provokation seines Gesichts formte er eine Kunstfigur als erdhaften Typ mit exotischem und dämonischem Einschlag.

    Der gespenstische Andere, das Abbild als Spiegelbild, Schatten oder Puppe, beschäftigten W. in der Folge immer wieder – und insbesondere in seinem filmischen Schaffen. So entstand 1915 „Der Student von Prag“, die Geschichte des Aufsteigers, dem sein früheres Selbst aus dem Spiegel entgegentritt und ihn am Ende in den Tod hetzt. Auf diese stilprägende Geschichte folgte die Reihe der Märchenfilme „Rübezahls Hochzeit“ (1916), „Hans Trutz im Schlaraffenland“ (1917) und „Der Rattenfänger“ (1918); damit wurde W. zum Wegbereiter einer frühen, neuromantischen Richtung in der dt. Filmgeschichte.

    Obwohl von der Idee her Schöpfer des „Student von Prag“, war W. weder Autor noch Regisseur und spielte nicht wie üblich eine vorgegebene Rolle; vielmehr nahm er den Jahrzehnte später so genannten „Autorenfilm“ vorweg. So wurde der Neuling zum Filmpionier und entdeckte in der Kamera „den eigentlichen Dichter des Films“. Sein vielzitiertes Wort von der „reinen Kinetik, der optischen Lyrik“ (Kai Möller) benennt, was von der Filmavantgarde erst nach 1920 praktiziert wurde. So nahm W. den Film auch theoretisch als eigene Kunstform wahr und engagierte sich dafür auch in Vorträgen.

    1920 wurde W. mit dem dritten seiner drei Golemfilme, „Der Golem, wie er in die Welt kam“, international berühmt; der befreundete Architekt Hans Poelzig (1869–1936) hatte dazu mit einem expressionistischen Phantasie-Prag die kongeniale Filmarchitektur geschaffen. Mit der Gestaltung jüd., dt. und ebenso asiatischer Mythen (Golem, Rübezahl und Yoghi, einer Buddhaverkörperung) trug W. viel zur Entwicklung kultureller Toleranz bei.

    Mitte der 1920er Jahre kam mit der Neuen Sachlichkeit das Ende der neuromantischen frühen Moderne. W.s letzter Film „Lebende Buddhas“ (1925), als eine Art von Vermächtnis angelegt, mit Asta Nielsen und anderen namhaften Darstellern, wurde nur kurz aufgeführt und ist wenig später verschollen (als Bruchstück überliefert im Filmmus. Prag).

    1920 bis etwa 1930 unternahm W. zahlreiche Gastspielreisen und Tourneen, die ihn nach dem Welterfolg des Golemfilms auch als Schauspieler international bekannt machten. Mit eigenem Ensemble bereiste er Deutschland, Skandinavien, den Balkan, schließlich Südamerika (mit seiner vierten Frau, der Schauspielerin Greta Schröder).

    1931 ging W. für ein Vierteljahr in die Sowjetunion, um in dem Film „Aufstand der Fischer“ (Regie: Erwin Piscator, nach d. Erzählung v. Anna Seghers) mitzuwirken. Dieses große Projekt der Internationalen Arbeiterhilfe wurde wie mehrere andere Filme mit namhaften Künstlern sabotiert; die revolutionäre Phase des Sowjetfilms war vorbei. W. kehrte nach Deutschland zurück. Da er dem Nationalsozialismus kritisch gegenüberstand, konnte er nach 1933 zunächst nur in kleinen Privattheatern auftreten; auf Dauer aber vermochte er seine Stellung unter den führenden dt. Theater- und Filmschauspielern zu halten. 1938 bot ihm Heinrich George (1893–1946) als Intendant des wiedereröffneten Berliner Schillertheaters einen Vertrag an. 1943 kam es aus persönlichen Gründen zum Bruch, und W. wurde von Gustaf Gründgens (1899–1963) ans Staatliche Schauspielhaus verpflichtet.

    Gesundheitlich bereits geschwächt, übernahm W. 1945 auf Antrag des Stadtkommandanten Generaloberst Nikolai Bersarin das Amt des Präsidenten der „Kammer der Kunstschaffenden“, die v. a. die Voraussetzungen künstlerischer Arbeit im allgemeinen Chaos schaffen sollte. Die Titelfigur in Lessings „Nathan der Weise“ am Deutschen Theater Berlin bildete die zentrale Rolle dieser Jahre; W.s letzte Filmarbeit war 1948 die Hauptrolle in der Zeitsatire „Der große Mandarin“ (1949, Drehbuch u. Regie: Karl Heinz Stroux).

  • Auszeichnungen

    |E. K. I.;
    Dr. iur. h. c. (Rostock 1945);
    Ehrenmitgl. d. „Dt. Theater Max Reinhardt“ (1945).

  • Werke

    Weitere W u. a. Theaterrollen: Kottwitz, in: „Prinz von Homburg“ v. H. v. Kleist;
    Franz Moor, in: „Die Räuber“ v. F. Schiller;
    Kg. Philipp, in: „Don Carlos“ v. dems.;
    John Gabriel Borkman, in: „John Gabriel Borkman“ v. H. Ibsen;
    Ridgeon, in: „Der Arzt am Scheidewege“ v. G. B. Shaw;
    Holofernes, in: „Judith“ v. F. Hebbel (mit Tilla Durieux als Judith);
    Filmrollen: Yoghi, in: Der Yoghi, 1916 (Regie u. Drehbuch: P. W.);
    Vater, in: Vanina/ Die Galgenhochzeit, 1922, mit Asta Nielsen (Regie: A. v. Gerlach);
    Herzog, in: Hzg. Ferrantes Ende, 1922 (Regie u. Drehbuch: P. W.);
    Leonhard v. Krakow, in: Hochzeit auf Bärenhof, 1942 (Regie: G. Froelich);
    Vorträge: Die künstler. Möglichkeiten d. Films, gehalten am 24. 4. 1916 in Berlin (u. a.), abgedr. in: P. W. (…), hg. v. K. Möller, 1954 (s. L), S. 102–13;
    Von d. künstler. Möglichkeiten d. Wandelbildes, in: Der Kunstwart, H. 1, Jan. 1917;
    Über den Schauspieler, 8. 11. 1945, in: Revue v. 6. 3. 1947;
    Schr.: Mein Werdegang, in: P. W. (…), hg. v. K. Möller, 1954 (s. L), S. 13–37;
    Qu Filmdrehbücher, Slg. v. Originalphotogrr. aus „Lebende Buddhas“ (1925) u. a. in d. Stiftung Dt. Kinemathek Berlin;
    Nachlaß: Slg. Kai Möller im Dt. Filminst. (DIF) Frankfurt/M.;
    zu Aenny Hindermann- W.: Lied e. Lebens, 1950;
    zu Peter P. Wegener: The Peenemünde Wind Tunnels, A Memoir, 1996.

  • Literatur

    |M. Jacobs, P. W., Berlin o. J. (Der Schausp., Bd. 6);
    P. W., Sein Leben u. seine Rollen, eingerichtet v. K. Möller, 1954 (zahlr. P u. Rollenporträts);
    Der Regisseur u. Schausp. P. W., bearb. v. R. S. Joseph, Ausst.kat. Filmmus. im Münchner Stadtmus., o. J. [ca. 1965];
    I. Brennicke u. J. Hembus, Klassiker d. dt. Stummfilms 1910–1930, 1984;
    E. Bilsky u. a. (Hg.), Golem! Danger, Deliverance and Art, Ausst.kat. The Jewish Mus. New York 1988;
    K. Kreimeier, Die Ufa-Story, 1995;
    H. Schönemann, P. W., Frühe Moderne im Film, 2003;
    D. Schmiedel, „Ich bin nass, müde, verfroren u. hungrig.“, Mit d. Schausp. u. Regisseur P. W. 1914 in Flandern, 2014 (P);
    Rhdb. (P);
    Altpreuß. Biogr. II;
    Enz. NS;
    Kosch, Theater-Lex.;
    CineGraph;
    zur Fam.: W. Polthier, Ein Privatfriedhof in d. Mark Brandenburg, Die Begräbnisstätten d. Familien Gabcke, Rudeloff u. W. in Wittstock, in: Herold-Jb. NF 2000, S. 95–120;
    eigene Archivstudien: Stiftung Dt. Kinemathek Berlin;
    Archiv d. Ak. d. Künste Berlin.

  • Porträts

    |Bronzebüste v. E. Barlach, 1930 (Güstrow, Ernst-Barlach-Gedenkstätte);
    Bronzemaske v. dems., 1930 (Rostock, Kulturhist. Mus.);
    Totenmaske, Gips, v. R. Scheibe, 1948;
    Tuschzeichnung v. O. Gulbransson, 1944;
    P. W. als „alter Hummel“ in Strindbergs|„Gespenstersonate“, Lith. v. E. Orlik, alle abgeb. in: P. W. (…), hg. v. K. Möller, 1954 (s. L).

  • Autor/in

    Heide Schönemann
  • Zitierweise

    , "Wegener, Paul" in: Neue Deutsche Biographie (), S. [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118765981.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA