Lebensdaten
1911 – 1990
Geburtsort
Wien
Sterbeort
Wien
Beruf/Funktion
Schriftstellerin ; Literaturkritikerin
Konfession
keine Angabe
Normdaten
GND: 118751980 | OGND | VIAF: 49241203
Namensvarianten
  • Spiel, Hilde Maria Eva (geborene)
  • Mendelssohn, Hilde de (verheiratete)
  • Mendelssohn, Hilde von (verheiratete)
  • mehr

Objekt/Werk(nachweise)

Verknüpfungen

Verknüpfungen zu anderen Personen wurden aus den Registerangaben von NDB und ADB übernommen und durch computerlinguistische Analyse und Identifikation gewonnen. Soweit möglich wird auf Artikel verwiesen, andernfalls auf das Digitalisat.

Orte

Symbole auf der Karte
Marker Geburtsort Geburtsort
Marker Wirkungsort Wirkungsort
Marker Sterbeort Sterbeort
Marker Begräbnisort Begräbnisort

Auf der Karte werden im Anfangszustand bereits alle zu der Person lokalisierten Orte eingetragen und bei Überlagerung je nach Zoomstufe zusammengefaßt. Der Schatten des Symbols ist etwas stärker und es kann durch Klick aufgefaltet werden. Jeder Ort bietet bei Klick oder Mouseover einen Infokasten. Über den Ortsnamen kann eine Suche im Datenbestand ausgelöst werden.

Zitierweise

Spiel, Hilde, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118751980.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus assimilierter jüd. Fam. in W.;
    V Hugo (1886–1945, seit 1912 kath.), Dr. sc. tech., Naturwiss., Techn. Ing. in W., S d. Jakob (* 1860), aus Lemberg, u. d. Laura Birnbaum (* 1865), aus Zurawno;
    M Marie (1890–1950), aus W., T d. Adolf Gutfeld u. d. Melanie N. N.;
    Gr-Om Gustav Singer (1867–1944), Dr. med., Prof. f. Interne Med., Primarius u. Vorstand d. Ersten Med. Abt. d. Wiener Rudolfstiftung, emigrierte n. London, HR (s. Fischer; Biogr. Lex. Böhmen; ÖBL; Hdb. österr. Autoren jüd. Herkunft);
    1) London 1936 1970 Peter de Mendelssohn (1908–82), Schriftst. (s. NDB 17), 2) St. Wolfgang 1971 Hans Flesch-Brunningen (bis 1919 Johannes Flesch Edler v. Brunningen, Ps. Vincent Brun) (1895–1981, kath., 1] 1919 Eva Klepsch, 1898–1958?, aus Linz, 2] 1939 Sophie Lomnitz, geb. Glücksmann, 1947), Dr. iur., Schriftst., Übers., BBC-Kommentator, emigrierte 1933 in d. Niederlande u. 1934 n. Großbritannien, 1958 Übersiedlung. n. Wien, Prof. h. c. (s. Kosch, Lit.-Lex.³; Killy; BHdE II; Kürschner, Lit.-Kal., Nekr. 1971–1998), S d. Josef Flesch v. Brunningen (1859–1920), aus Brünn, Industr., u. d. Augusta Flesch v. Brunningen (* 1866);
    1 S aus 1) Felix de Mendelssohn (* 1944), Psycho- u. Gruppenanalytiker in W., 1 T aus 1) Christine Shuttleworth (* 1939), Übers. u. Indexerin in London.

  • Biographie

    S. wuchs in dem Anfang des 20. Jh. noch ländlichen Wiener Bezirk Döbling auf (Verliebt in Döbling, Die Dörfer unter d. Himmel, 1966, mit F. Vogler). Nach der Matura an der von Eugenie Schwarzwald (1872–1940) geleiteten Frauen-Oberschule in der Wiener Innenstadt begann sie 1929 ein Studium der Philosophie (bei Moritz Schlick) und Psychologie (bei Karl u. Charlotte Bühler) an der Univ. Wien, das sie 1936 mit der Promotion zum Dr. phil. bei Karl Bühler abschloß. Seit 1929 veröffentlichte sie Erzählungen und Gedichte in der „Neuen Freien Presse“ und verkehrte im Café Herrenhof, einem Treffpunkt der Literaten, zu dessen Stammgästen u. a. Franz Werfel, Hermann Broch und Robert Musil zählten. Hier begann S.s konfliktreiche Beziehung zu Friedrich Torberg (1908–79).

    1933–35 war S. Mitarbeiterin an der Wirtschaftspsychologischen Forschungsstelle der Univ. Wien, wo sie zum Beitritt in die seit 1934 verbotene Sozialdemokratische Arbeiterpartei bewogen wurde, an deren illegalen Aktionen sie sich beteiligte. Voll Erbitterung erlebte sie das Entstehen des christlich-sozialen Ständestaats und wanderte 1936 nach London aus (brit. Staatsbürgerin 1941). Hier perfektionierte sie ihren Stil, indem sie Elemente der engl. Essayistik in ihr Schreiben integrierte: 1939 erschien ihr Roman „Flute and Drums“ (dt. Flöte u. Trommeln, 1947), noch weitgehend in der Übersetzung ihres Mannes Peter de Mendelssohn, 1944 ihr erster Essay in der linksintellektuellen Zeitschrift „New Statesman“, für die in den folgenden Jahren einige Meisterwerke ihrer Prosakunst entstanden.

    1946 kehrte S. als Korrespondentin des „New Statesman“ nach Wien zurück (Rückkehr nach Wien, Tagebuch 1946, 1968). Im Herbst desselben Jahres folgte sie ihrem Mann nach Berlin, wo sie sich als Theaterkritikerin betätigte. Seit 1948 wieder in London, schrieb sie Beiträge für Rundfunkanstalten und Zeitungen (u. a. Neue Ztg., Monat, SZ, Tagesspiegel, Weltwoche, Haag’sche Post, Neues Österr.), durch die sie zu einer der wichtigsten Literaturkritikerinnen Deutschlands in der Nachkriegszeit wurde. Eine Auswahl ihrer literarischen Porträts, u. a. über Virginia Woolf, Katherine Mansfield, Aldous Huxley oder V. S. Pritchett, sowie Beiträge aus dem „New Statesman“ erschienen auch in Buchform (Der Park u. d. Wildnis, 1953; Welt im Widerschein, 1960) und zeigen sie auf der Höhe ihrer essayistischen Meisterschaft.

    1955 erwarb S. einen Sommerwohnsitz in St. Wolfgang im Salzkammergut, wo u. a. Heimito v. Doderer, Alexander Lernet-Holenia, Elias Canetti, Friedrich Torberg, Leo Perutz, Berthold Viertel und in späteren Jahren Thomas Bernhard zu ihren Gästen zählten. Ihre Bekanntheit als Journalistin – eine Karriere, die S. zunehmend als Brotberuf empfand –|verhalf ihrem nächsten Roman „The Darkened Room“ (1961; dt. Lisas Zimmer, 1965) über eine Wiener Lebedame, die im amerik. Exil verfällt, zu breiter Anerkennung. Als ihr Hauptwerk empfand S. ihre Biographie über die Berliner Jüdin „Fanny von Arnstein“ (1962), die in Wien zur Zeit des Wiener Kongresses einen berühmten Salon führte. Weit über den biographischen Rahmen hinaus rollte sie hierin mit Fanny als beispielhafter Vertreterin jüd. Emanzipation die Geschichte des europ. Judentums auf.

    1963 kehrte S. nach Wien zurück, nachdem sie einen Vertrag der FAZ als Kulturberichterstatterin für Österreich erhalten hatte (bis 1983). Danach ging sie als brit. Kulturkorrespondentin nach London, bis sie 1984 endgültig nach Österreich heimkehrte. Nebenher verfaßte sie Beiträge für die „Weltwoche“ (1963–72), den „Guardian“ (1963–70) und das Magazin „Theater heute“ (1964–75). Bald nach ihrer Rückkehr engagierte sie sich im P.E.N.-Club, dem sie 1937 in London beigetreten war – 1965–71 als Generalsekretärin des Österr. Zentrums, danach als Vizepräsidentin. Als ihre Wahl zur Präsidentin 1972 scheiterte, wechselte sie zum P.E.N.-Club der Bundesrepublik Deutschland (Vorstandsmitgl. 1974–76) und engagierte sich im Kommittee „Writers in Prison“ des Internationalen P.E.N. 1970 gründete sie mit Milo Dor (1923–2005) die „Interessensgemeinschaft Österr. Autoren“.

    Neben ihrer journalistischen Arbeit gab S. die Wien-Bücher „Wien, Spektrum einer Stadt“ (1971) und „Vienna's Golden Autumn, 1866–1938“ (1987; dt. Glanz u. Untergang, Wien 1866–1938, 1987) heraus und veröffentlichte weitere Essay-Bände (u. a. Städte u. Menschen, 1972; kleine schritte, Berichte u. Geschichten, 1976). Mit ihrem Filmskript „Anna und Anna“ (als Theaterfassung 1988 am Burgtheater uraufgeführt) unternahm sie nochmals einen Versuch, die Zerrissenheit des Exilschicksals aufzuzeigen. Den Abschluß ihres Œuvres bildet ihre Autobiographie (2 Bde., 1989/90). Mehr als vierzig Jahre war S. auch als Übersetzerin tätig und erwies sich als feinsinnige Sprachvermittlerin der Texte u. a. von W. H. Auden, Graham Greene, Rumer Godden und Edna O'Brien. Den Dramatikern Tom Stoppard und James Saunders, deren Stücke sie z. T. selbst an Theater vermittelt hatte, verhalf sie zu Bühnenerfolgen im dt.sprachigen Raum.

  • Auszeichnungen

    Julius-Reich-Preis (1933);
    Tit.-Prof. (1962);
    Kritikerpreis d. Salzburger Festspiele (1970);
    Österr. Ehrenkreuz f. Wiss. u. Kunst 1. Kl. (1971);
    Goldenes Ehrenzeichen f. Verdienste um d. Land Wien (1972);
    Preis d. Stadt Wien f. Publizistik (1976);
    Goldenes Verdienstzeichen d. Landes Salzburg (1978);
    Johann-Heinrich-Merck-Preis f. lit. Kritik u. Essay (1981);
    Lit.preis d. Stadt Bad Gandersheim (1981);
    Donauland Sachbuchpreis (1981);
    Gr. BVK (1985);
    Peter-Rosegger-Lit.preis (1985);
    Ernst-Robert-Curtius-Preis f. Essayistik (1986);
    Lit.preis d. Bundesverbandes d. Dt. Ind. (1986);
    Gr. Lit.preis d. Bayer. Ak. d. Schönen Künste (1988);
    Lit.preis d. Stadt Bad Wurzach (Roswitha-Preis) (1989);
    Goethe-Medaille (1990);
    Mitgl. d. Dt. Ak. f. Sprache u. Dichtung, Darmstadt (seit 1972) u. a. Bayer. Ak. d. Schönen Künste (seit 1983).

  • Werke

    Weitere W Versuch e. Darst.theorie d. Films, 1936 (Diss.);
    London, Stadt, Menschen, Augenblicke, 1956 (Bildbd. v. E. Niggemeyer mit Texten v. H. S.);
    Sir Laurence Olivier, 1958;
    Mirko u. Franca, 1980;
    Früchte d. Wohlstands, 1881;
    In meinem Garten schlendernd, 1981;
    Engl. Ansichten, Berr. aus Kultur u. Pol., 1984;
    Der Mann mit d. Pelerine u. andere Geschichten, 1985;
    Der Baumfrevel, Neues Kap. aus e. ungeschriebenen Buch, 1987;
    Venedig, Theater d. Träume, 1988 (Bildbd. v. G. Crivelli u. Th. Klinger mit e. Essay v. H. S.);
    Die Dämonie d. Gemütlichkeit, Glossen z. Zeit u. andere Prosa, zus.gestellt u. hg. v. H. A. Neunzig, 1991;
    Das Haus d. Dichters, Literar. Essays, Interpretationen, Rezz., zus.gestellt u. hg. v. H. A. Neunzig 1992;
    H. S., Die Grande Dame, Gespräch mit Anne Linsel in d. Reihe „Zeugen d. Jh.“, hg. v. I. Hermann, 1992;
    Briefwechsel, hg. v. H. A. Neunzig, 1995;
    Verz.:
    I. Schramm, Verz. d. Überss. H. S., Archiv d. NDB;
    Nachlaß:
    Österr. Lit.archiv d. Österr. Nat.bibl., Wien (mit Verz. d. Porträt-Fotos).

  • Literatur

    P. Pabisch, H. S., Femme de Lettres, in: Modern Austrian literature 12, 1979, H. 3/4, S. 393–421 (W);
    D. C. Lorenz, H. S., „Lisas Zimmer“, Frau, Jüdin, Verfolgte, ebd. 25, 1992, H. 2, S. 79–95;
    K. Klinger, Bekenntnis zu H. S., in: ders., Theater u. Tabus, 1984, S. 205–14;
    M. Reich-Ranicki, Reden auf H. S., 1991;
    ders., Über H. S., 1998;
    W. Strickhausen, Die Erzählerin H. S. oder „Der weite Wurf in d. Finsternis“, 1996 (W, L);
    S. Wiesinger-Stock, H. S., Ein Leben ohne Heimat?, 1996 (W, L, P);
    Ch. Howells, Heimat u. Exil, Ihre Dynamik im Werk v. H. S., 1998;
    H. A. Neunzig u. I. Schramm (Hg.), H. S., Weltbürgerin d. Lit., 1999;
    I. Schramm, Krankheit Exil, H. S. lit. Verarbeitung d. Exilthemas in „Rückkehr nach Wien – Tagebuch 1946“, in: J. Thunecke (Hg.), Echo d. Exils, Das Werk emigrierter österr. Schriftst. nach 1945, 2006, S. 325–43;
    Munzinger;
    BHdE II;
    Hist. Lex. Wien;
    Lex. Schriftstellerinnen 1933–45 (P);
    Wissenschafterinnen Österr. (P);
    Personenlex. Österr. (P);
    Hdb. österr. Autoren jüd. Herkunft;
    Jüd. Frauen im 19. u. 20. Jh. (P);
    Killy;
    Kosch, Lit.-Lex.³ (W, L);
    Metzler Lex. d. dt.-jüd. Lit. (P);
    Metzler Autorinnen Lex. (P).

  • Autor/in

    Ingrid Schramm
  • Zitierweise

    Schramm, Ingrid, "Spiel, Hilde" in: Neue Deutsche Biographie 24 (2010), S. 685-686 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118751980.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA