Lebensdaten
1881 – 1969
Geburtsort
Crossen/Oder
Sterbeort
Astano (Kanton Tessin)
Beruf/Funktion
Schriftsteller ; Dichter ; Philosoph
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 118739166 | OGND | VIAF: 66588528
Namensvarianten
  • Pannwitz, Rudolf
  • Pannwitz, Rudolph

Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Pannwitz, Rudolf, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118739166.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Eduard (1844–1940), Lehrer an d. dt. Schule in Triest, Molkereidir., Leiter e. Haushaltungsschule, Ratsherr u. Amtsanwalt in C.;
    M Therese (1847–1921), Lehrerin an d. dt. Schule in THest, T d. Robert Seler. aus Schwiebus, Lehrer u. Kantor in C.;
    Om Georg Eduard Seler (1849–1922), Prof. d. Amerikanistik in Berlin (s. DBJ V);
    1) 1906 ( 1927) Helene (1887–1966), T d. Berthold Otto (1859–1933), Reformpäd. (s. NDB 19), 2) 1927 Charlotte Dammann (1901–78), Änrtin;
    4 K (davon 3 unehel.).

  • Biographie

    Nach der Schulzeit in Crossen und Steglitz studierte P. seit 1901 Geisteswissenschaften in Marburg und Berlin. 1905/06 war er Lehrer im Haus des Philosophen Georg Simmel (1858–1918) und des Malers Reinhold Lepsius (1857–1922). Nach einer Zeit als Lehrer in Wickersdorf (seit 1908) und Aufenthalten in Mitteldeutschland lebte er seit 1911 als freier Schriftsteller in Oberau (Oberbayern), 1915 in Südtirol, seit 1916 im Salzkammergut, 1921-48 mit wenigen Unterbrechungen auf der Insel Koločep (Dalmatien), zuletzt im Tessin.

    Wegweisend für P.s Werk wurden Friedrich Nietzsche und Stefan George. Bereits 1902 kam P. über Gertrud Kantorowicz (1876–1945) in intensiven Kontakt zu Karl Wolfskehl (1869-1948) und später zu dem niederländ. Dichter Albert Verwey (1865–1937), dem er sich geistig eng verbunden fühlte. Eine nähere Verbindung zum George-Kreis ergab sich jedoch nicht, zumal P. zusammen mit Otto zur Linde (1873–1938) zu den Gründern der Zeitschrift „Charon“ gehörte, die sich kritisch mit dem Ästhetizismus Georges auseinandersetzte. Doch blieb P. in seiner religiösen Überhöhung eines zukünftigen Menschentypus, mehr noch in seinem Sprachstil George verbunden. Eine weitere Gemeinsamkeit, die auf Nietzsche zurückzuführen ist, lag in der Orientierung an der griech. Dichtung und Kosmologie. P.s Werk läßt sich als „enzyklopädische Anthropologie“ (F. Usinger) bezeichnen, weil es aus anthropozentrischer Perspektive die Gesamtheit der Wissenschaften und Künste in einer Kosmologie vereint. Diesem Ziel sind die beiden Bände des geplanten Projekts „Freiheit des Menschen“ verpflichtet: In der stark rezipierten „Die Krisis der europ. Kultur“(1917) entwickelte P. seine Anthropologie, die von einer Untrennbarkeit von Natur und Kultur ausgeht, auf die Herausbildung eines „Übermenschen“ abhebt und darin das von Deutschland aus zu verwirklichende Ziel Europas erkennt. Eine Überwindung des kulturellen Verfalls der Gegenwart strebte P. auch mit „Kosmos atheos“ (1926) an, der in Analogie zur griech. Musiktheorie und Geometrie eine harmonische Gestaltung des menschlichen Kosmos vorstellt, in weiten Teilen aber durch seine ästhetizistische Überhöhung hermetisch bleibt. Nach dem Kontakt zu Edmund Husserl (1859–1938) entwickelte P. diese Theorien phänomenologisch in philosophiegeschichtlicher Auseinandersetzung mit diesem, den Vorsokratikern und Piaton weiter (Logos, Eidos, Bios, 1930). – Neben frühen schulreformerischen Arbeiten (1907–09) hat sich P. vor allem einen Namen als Dichter gemacht. Sein alle Gattungen umfassendes literarisches Œuvre, das 1902 mit den „Landschaftsmärchen aus Crossen an der Oder“ und mit dem Epos „Prometheus“ begann und bis zu seinem Tod fortgesetzt wurde, lehnte sich in Form und Stoff deutlich an die Antike an.

    Politisch läßt sich P. nur schwer einer bestimmten Richtung zuordnen. Er forderte eine politische Führergestalt und hing bis zum Beginn der 30er Jahre dem Modell eines Ständestaates an. Bis zum 2. Weltkrieg vertrat er antikommunistische Positionen (Das Weltalter u. d. Pol., 1948, ²1961 u. d. T: Kommunismus, Faschismus, Demokratie). Trotz seiner konservativen Ansätze stand P. der völkischen Bewegung und dem Antisemitismus kritisch gegenüber und trat – u. a. im geistigen Austausch mit Theodor Däubler (1876–1934) und Alfred Mombert (1872–1942) – für eine friedliche Gestaltung Europas ein (Der Geist der Tschechen, 1919; Die dt. Idee Europa, 1931). 1933 verweigerte er der Regierung Hitler die verlangte Loyalitätserklärung und trat aus der Akademie der Künste aus, in die er im Vorjahr gewählt worden war. – Nach 1945 erreichte P. mit seinem Werk die Öffentlichkeit nicht mehr. Doch sind seine Schriften im Kontext ihrer Entstehungszeit ein Dokument der Reformbewegungen, da in ihnen eine kulturphilosophische Position vertreten wird, die zwar an Nietzsche anknüpft, jedoch nicht in der völkischen Bewegung aufgeht.|

  • Auszeichnungen

    Gr. BVK (1956);
    Schiller-Gedächtnispreis (1957);
    Andreas-Gryphius-Preis (1968).

  • Werke

    Weitere W Der Volksschullehrer u. d. dt. Sprache, 1907, ²1908;
    Das Werk d. dt. Erzieher, 1909;
    Zur Formenkde. d. Kirche, 1912;
    Dionys. Tragödien, 1913;
    Dtld. u. Europa, Grundriß e. dt.-europ. Pol., 1918;
    An d. jüd. Volk, 1919;
    Die dt. Lehre, 1919;
    Mythen, 9 Bde., 1919-21;
    Grundriß e. Gesch. meiner Kultur, 1921;
    Urblick, Gedichte, 1926;
    Staatslehre I., Lehre v. d. Mächten, 1926;
    Kulturpäd. Einf. in mein Werk, in: E. Hahn (Hg.), Die Päd. d. Gegenwart in Selbstdarst., II, 1927;
    R. P., Lebenshilfe, hg. v. E. Jaeckle u. H. Trüb, 1938;
    Weg des Menschen, 1942;
    Nietzsche u. d. Verwandlung des Menschen, 1943;
    Der Friede,1950;
    Der Nihilismus u. d. werdende Welt, 1951;
    Btrr. zu e. europ. Kultur, 1954;
    Der Aufbau d. Natur, 1961;
    Wasser wird sich ballen. Ges. Gedichte, 1963;
    Gilgamesch, Sokrates, Titanentum u. Humanismus, 1966;
    Das Werk des Menschen, 1968;
    Der Gott der Lebenden, Das Christusbuch, 1973;
    Was ich Nietzsche u. George danke, hg. v. M. Meli, 1973;
    R. P., Eine Ausw. aus seinem Werk, hg. v. E. Jaeckle, 1983;
    H. v. Hofmannsthal – R. P., Briefwechsel 1907-1926. hg. v. G. Schuster, 1993 (P);
    Undine, Ein nachgelassenes Versepos, Mit e. Essay zu Leben u. Werk d. Dichters, hg. v. G. Rovagnati, 1999 (s. hierzu H.-A. Koch, Der Urvaterschmerz, in: FAZ v. 29.2.2000, P). |

  • Nachlass

    Nachlaß: Marbach, Dt. Lit.archiv.

  • Literatur

    E. Jaeckle, R. P., Eine Darst. seines Weltbildes, 1937;
    ders., R. P. u. Albert Verwey im Briefwechsel, 1976;
    ders., Niemandsland d. Dreißigerjahre, Meine Erinnerungen 1933-1942, 1979;
    H. Wolffheim, R. P., Einl. in sein dichter. Werk, 1961;
    W. Helwig, in: Jahresringe 69/70, 1969, S. 305-11;
    U. Rukser, Über d. Denker R. P., 1970 (mit P.s Autobiogr. v. 1968);
    A. Guth, R. P., Un Européen, penseur et poète allemand en quête de totalité 1881-1969, 1973 (W-Verz., L, P);
    W. Volke, in: Hofmannsthal-Bll. 19/20, 1978, S. 1-20;
    H. F. Geyer, P als Rel.philosoph, in: Schweizer Mhh. 65, 1985;
    M.-O. Thirouin-Déverchère, L'idée d'Europe de R. P., 1997 (W, L, P);
    H.-J. Koch, Die Nietzsche-Rezeption durch R. P., Eine krit. Kosmol., in: Nietzsche-Stud. 26, 1997, S. 441-67;
    Kussmaul;
    Kunisch-Wiesner;
    Lex. dt.sprachiger Schriftst.³;
    Kosch, Lit.-Lex.³;
    Killy.

  • Porträts

    Ölgem. v. L. Durm, 1914 (Privatbes.), Abb. b. G. Schuster (Hg.), Briefwechsel Hofmannsthal – P (s. W), u. M. O. Thirouin-Déverchère (s. L, auch Abb. e. in Bern befindl. Pastells);
    Zeichnungen 1917 bis in d. 30er J. v. F. Mauracher (1888–1937): Totenmasken (Lit.archive Bern u. Marbach sowie in Privatbes., s. Archiv d. Gesichter, Toten- u. Lebendmasken aus d. Schiller-Nat.mus., Ausst.kat. Marbach 1999).

  • Autor/in

    Stefan Jordan
  • Zitierweise

    Jordan, Stefan, "Pannwitz, Rudolf" in: Neue Deutsche Biographie 20 (2001), S. 35-36 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118739166.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA