Lebensdaten
1878 – 1966
Geburtsort
Berlin
Sterbeort
Berlin
Beruf/Funktion
liberale Politikerin
Konfession
lutherisch
Normdaten
GND: 118729551 | OGND | VIAF: 30331896
Namensvarianten
  • Lüders, Marie-Elisabeth
  • Lüders, Marie-Elisabeth
  • Lüders, M. Elisabeth
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Zitierweise

Lüders, Marie-Elisabeth, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118729551.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus schleswig-hostein. Fam.;
    V Carl Christian (1834–1923), Wirkl. Geh. Oberregierungsrat im preuß. Kultusmin., förderte kunsthandwerkl. Fachschulen (u. a. f. Seidenerzeugung in Krefeld, Korbflechterei in Heinsberg u. Goldschmiedekunst in Hanau) u. d. Modernisierung d. kgl. Porzellanmanufaktur in B., S d. Peter (1785–1878), Rat d. schleswig-holstein. Verwaltung in Gottorf, Abgeordneter d. Ständekammer v. Schleswig-Holstein, u. d. Joh. Elisabeth de Boor;
    M Friederike Laura Sophie (1847–1918), T d. Peter Hinrich Jessen (1817–92), Dir. d. Gymnasiums in Hadersleben, u. d. Luise Owene Margarethe Sommer;
    Urur-Gvv Wilhelm Amsinck ( 1831), Bgm. v. Hamburg (s. NDB I);
    Groß-Tante-v Franziska de Boor ( Tycho Mommsen, 1819–1900, Gymnasialdir.).

  • Biographie

    Nach dem Besuch einer privaten Höheren Töchterschule und der Ausbildung in photographischen Lehranstalten und in einer landwirtschaftlichen Frauenschule wurde L. Kindergärtnerin in Niederofleiden (Oberhessen). 1901 lernte sie Selma v. Lengefeld kennen, die sie mit Mitgliedern des von Helene Lange und Gertrud Bäumer geleiteten Bundes Deutscher Frauenvereine (Anna Pappritz, Alice Salomon) und mit dessen Zeitschrift „Die Frau“ bekannt machte. Sie leitete die „Mädchen- und Frauengruppen für soziale Hilfsarbeit“ in Berlin und machte sich seit 1902 in der späteren „Zentrale für private Fürsorge“ mit der praktischen Sozialarbeit vertraut. Außerdem bereitete sie sich 1906-10 auf das Abitur vor und studierte zugleich Nationalökonomie an der Univ. Berlin, wo seit 1909 Frauen zum Studium zugelassen waren. 1912 wurde L. mit der Arbeit über „Die Fortbildung und Ausbildung der im Gewerbe tätigen weiblichen Personen und deren rechtliche Grundlagen“ als erste Frau in Deutschland zum Dr. rer. pol. promoviert. Im selben Jahr schrieb sie im Auftrag des „Ständigen Ausschusses zur Förderung der Arbeiterinnen-Interessen“ eine Studie über „Die Entwicklung der Frauenarbeit in der Konfektionsindustrie“.

    1909 gründete L. gemeinsam mit Josephine Levy-Rathenau den „Verband für handwerksmäßige und fachgewerbliche Ausbildung der Frau“ (beide wurden Vorsitzende). Ebenso wie Lange und Bäumer kam L. über die 1910 gegründete Fortschrittliche Volkspartei in die Parteipolitik. Als erste Wohnungspflegerin der Stadt Charlottenburg (1912–15) und Leiterin der Abteilung Kriegsfürsorge (1914/15) konnte sie Erfahrungen in lebensnaher Sozialpolitik sammeln, ebenso als zeitweilige Leiterin der Sozialabteilung der deutschen Zivilverwaltung von Brabant in Brüssel. 1916 wurde sie Leiterin der Frauenarbeitszentrale im Preuß. Kriegsministerium. Von Kaiserin Augusta wurde sie wiederholt zum Bericht über die soziale Lage der Arbeiterinnen empfangen (Die Entwicklung der industriellen Frauenarbeit, in: Schmollers Jbb. 44, 2, 1916). Im Mai 1918 wurde sie in Düsseldorf Leiterin der kurz zuvor von Arthur Schloßmann gegründeten Niederrhein. Frauenakademie zur Ausbildung von Fürsorgerinnen.

    Seit Nov. 1918 Mitglied der Deutschen Demokratischen Partei (DDP), rückte L. für den verstorbenen Frdr. Naumann im Aug. 1919 in die Deutsche Nationalversammlung nach. Im Gegensatz zur Mehrheit der DDP-Fraktion befürwortete sie die Annahme des Friedensvertrages von Versailles. 1920/21 und 1924-30 war sie Mitglied des Reichstags. L. stand politisch den von Naumann herkommenden Fraktionskollegen Erkelenz, Bäumer, Haas und Marie Baum nahe, aber auch Graf Bernstorff und dem Reichsminister Rathenau. Als Abgeordnete war sie ungewöhnlich vielseitig. Ihr erster parlamentarischer Kampf galt der Zulassung der Frauen an Kaufmanns- und Gewerbegerichten und zur zweiten juristischen Staatsprüfung, die die Laufbahn der höheren Verwaltung eröffnete. Sie wirkte mit an den Vorarbeiten zum Reichs-Jugendwohlfahrtsgesetz vom 14.6.1922, an den Beratungen des Schankstättengesetzes zur Eindämmung des Alkoholverbrauchs (1925) und an den Beratungen des Lichtspielgesetzes zum Schutz der Jugend. Ihrer Zeit weit voraus, kämpfte L. für gleiche Rechte der weiblichen und männlichen Arbeitslosen. In Kenntnis der Zusammenhänge von Wohnungsbau und sozialen Schäden gründete sie mit dem Direktor der Deutschen Bau- und Bodenbank, Eberhard Wildermuth (DDP), die „Reichsforschungsgesellschaft für Wirtschaftlichkeit im Bau- und Wohnungswesen“, die vor allem Vorschläge für familien- und kinderfreundliche Häuser ausarbeitete. Auf Grund eines Preisausschreibens der Gesellschaft konnte Walter Gropius als Gewinner des ersten Preises viele seiner Ideen beim Bau der Spandauer Siedlung Haselhorst verwirklichen. Als Mitglied des Rechtsausschusses des Reichstags kämpfte L. für eine Reform des Scheidungsrechts mit dem Ziel einer ausreichenden finanziellen Sicherung vor allem des wirtschaftlich schwächeren Ehepartners – meistens der Frau – und einer möglichst angemessenen Ausbildung der Kinder. Auf dem 36. Deutschen Juristentag in Lübeck 1931 verfocht L. die absolute Gleichberechtigung der Frau im Sinne der Forderungen des Bundes Deutscher Frauenvereine. – 1933 erhielt sie Berufs- und Publikationsverbot und war 1937 vier Monate lang inhaftiert. Nach ihrer Entlassung arbeitete sie zunächst bei den Quäkern, dann im Institut für Meereskunde der Univ. Berlin. Seit 1944 lebte sie in Süddeutschland; 1946 leitete sie einige Monate die amerikan. Militärschule in Oberammergau.

    Sofort nach ihrer Rückkehr nach Berlin im Juli 1947 wurde L. in die Sozialverwaltung berufen. Als Mitglied der Berliner LDP/FDP war sie 1948/49 Stadtverordnete von Berlin-West, seit Jan. 1949 zwei Jahre Stadträtin für Sozialwesen; hierbei erwarb sie sich große Verdienste um den Wiederaufbau der Fürsorge und der ärztlichen Versorgung. 1953-61 gehörte sie, allseits geachtet, als Alterspräsidentin und Mitglied wichtiger Ausschüsse dem Deutschen Bundestag an. Am Gesetz betr. Gleichberechtigung der Frau vom 18.6.1957 wirkte sie entscheidend mit, ohne ihre weitergehenden Forderungen verwirklicht zu sehen. L. kämpfte für ein besseres Lebens- und Arzneimittelgesetz sowie für eine wirksamere Gewerbeaufsicht und Lärmbekämpfung. Als Mitglied des Sozialpolitischen Ausschusses arbeitete sie mit an den Gesetzen zur Anpassung der Renten von 1958/59/60, am Sozialhilfegesetz und an der Novelle zum Reichs-Jugendwohlfahrtsgesetz. Als Vorsitzende des Bundesfrauenausschusses der FDP (1955–62) trug L. einen wichtigen Teil der Parteiarbeit. Zeitlebens streitbar und von ursprünglicher Berliner Schlagfertigkeit und|Lebenstüchtigkeit, überaus fleißig und hilfsbereit, warmherzig und charmant, gehörte L. zu den bedeutendsten Sozialpolitikern der deutschen Parlamentsgeschichte.|

  • Auszeichnungen

    Dr. med. h. c. (FU Berlin 1953), Dr. iur. h. c. (Bonn 1958);
    Ehrenvorsitzende d. FDP (1957);
    Ehrenbürgerin v. Berlin (1958).

  • Werke

    Weitere W u. a. Lebenskde. f. ungelernte Arbeiterinnen, 1910;
    Frauengedanken z. Weltgeschehen, Bekenntnisse e. demokrat. Frau, 1920;
    Die Entwicklung d. gewerbl. Frauenarbeit im Kriege, 1920;
    Das unbekannte Heer, Frauen kämpfen f. Dtld., 1914–1918, 1936;
    Volksdienst d. Frau, 1937;
    Die Frau im modernen demokrat. Staat, 1961;
    Als Abgeordnete in Bonn, in: Polit. Stud. 14, 1963, S. 692-701;
    Fürchte Dich nicht, Persönliches u. Politisches aus mehr als 80 J., 1878–1962, 1963 (P).

  • Literatur

    Parlamentar. Frauenarb., Aus d. Reichstagen v. 1924–28, 1928;
    D. v. Velsen, M.-E. L. z. 25. Juni 1958, 1958 (P);
    O. Stumpfe, Lb. dt. Politikerinnen, in: Polit. Stud. 10, 1959, S. 670-84;
    E. Boedecker (Hrsg.), Die Frau, Ges.verz. d. Aufsätze, 1968;
    L. Luckemeyer, Die Dt. Demokrat. Partei v. d. Rev. b. z. Nat.versammlung 1918-1919, 1975;
    B. Greven-Aschoff, Die bürgerl. Frauenbewegung in Dtld. 1894-1933, 1981;
    Rhdb. (P).

  • Autor/in

    Ludwig Luckemeyer
  • Zitierweise

    Luckemeyer, Ludwig, "Lüders, Marie-Elisabeth" in: Neue Deutsche Biographie 15 (1987), S. 454-456 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118729551.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA