Lebensdaten
1798 – 1871
Geburtsort
Breslau
Sterbeort
Arnstadt (Thüringen)
Beruf/Funktion
Schriftsteller ; Dichter
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 118648071 | OGND | VIAF: 40171930
Namensvarianten
  • Häring, Georg Wilhelm Heinrich (eigentlich (Willibald Alexis ist Schutzname))
  • Häring, Wilhelm
  • Alexis, Willibald
  • mehr

Verknüpfungen

Verknüpfungen auf die Person andernorts

Verknüpfungen zu anderen Personen wurden aus den Registerangaben von NDB und ADB übernommen und durch computerlinguistische Analyse und Identifikation gewonnen. Soweit möglich wird auf Artikel verwiesen, andernfalls auf das Digitalisat.

Orte

Symbole auf der Karte
Marker Geburtsort Geburtsort
Marker Wirkungsort Wirkungsort
Marker Sterbeort Sterbeort
Marker Begräbnisort Begräbnisort

Auf der Karte werden im Anfangszustand bereits alle zu der Person lokalisierten Orte eingetragen und bei Überlagerung je nach Zoomstufe zusammengefaßt. Der Schatten des Symbols ist etwas stärker und es kann durch Klick aufgefaltet werden. Jeder Ort bietet bei Klick oder Mouseover einen Infokasten. Über den Ortsnamen kann eine Suche im Datenbestand ausgelöst werden.

Zitierweise

Alexis, Willibald, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118648071.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Georg Wilhelm Häring (1744–1802), Kanzleidirektor und Geheimer Kammersekretär bei der Domänenkammer Breslau, S des Kontrolleurs Georg Heinrich in Soldin, vielleicht aus bretonischer Refugiéfamilie;
    M Henriette Juliane Louise Charlotte ( 1843), T des Berliner Buchhändlers Rellstab;
    Berlin Mai 1838 Lätitia Perceval, aus englischer Familie.

  • Biographie

    „Mitten aus dem Kreise meiner Kinderspiele wuchs wie ein geharnischter Riese mein Schicksal auf.“ Dieser bezeichnende Eingangssatz seines „Cabanis“ ist richtungweisend für A.' gesamtes Schaffen und hat ihn jene Verbindung, die „wir nur nicht sehen, zwischen den Werken der großen Geschichte und den Taten der kleinen Menschen“, dennoch überblicken und gestalten lassen. Nach der Kapitulation Breslaus 1806 kam er mit der Mutter nach Berlin zum Oheim Rellstab, dessen Sohn Ludwig mit ihm manche geistige Gemeinschaft einging: auf dem Friedrich Werderschen Gymnasium zunächst, später in der Schriftleitung der Vossischen Zeitung. Vorerst blieb der schlesische Franzosenschreck auch in Berlin als spannungsreicher Druck stets spürbar, so daß der Schüler 1815 gern die Uniform anzog, um in Belgien ein Stück Geschichte mitzuerleben. Heimgekehrt holte A. die Reifeprüfung nach und studierte in Berlin und Breslau Rechtswissenschaft, ohne darum Philosophie, Geschichte und Literatur auszulassen. Als Referendar arbeitete er mit Auszeichnung am Kammergericht, dabei seinen dichterischen Neigungen hingegeben. Balladen, Gedichte, Märchen erschienen in Taschenbüchern und schon 1820 als erste Buchveröffentlichung ein idyllisches Epos „Die Treibjagd“. Kritische und übersetzende Beschäftigung mit Walter Scott entschied den Entschluß, es dem Schotten gleichzutun: Der internationale Erfolg von A.' „Walladmore“ (1823) bedeutet darum mehr als bloße Mystifikation Scotts, nämlich Durchbruch und Markstein. Aufgabe des Fachberufs gab dem rührigen Schriftsteller Ellbogenfreiheit zu vielseitiger Tätigkeit als Schriftleiter, Reiseschilderer und Erzähler, dem gerade der fehlgeschlagene zweite Versuch, unter Scotts Maske zu arbeiten („Schloß Abalon“, 1827), zu fördernder Einsicht eigenen Könnens gedieh Frühe Novellen wie „Die Schlacht bei Torgau“ bahnten seinen „Cabanis“ (1832) vor, darin das große Thema von der berechtigten Eigenständigkeit Brandenburg-Preußens erstmalig angeschlagen wurde. Politische und seelische Zerrissenheit der Zeit drängte ihn vorübergehend in jungdeutsche Fahrwasser, auch dem Juristen A. begegnen wir wieder, wenn er interessante Kriminalfälle im „Neuen Pitaval“ (1842-61) psychologisch zergliederte. Aber der märkische Boden ließ den Dichter nicht mehr los, und aus der Erkenntnis, daß das deutsche Reich litt, was Brandenburg durchmachte, gelangen ihm seine bleibenden Schöpfungen, in denen der Märker zum eigentlichen Helden über die jeweilige Romanfabel hinauswuchs: vom „Roland von Berlin“ (1840) über den „Falschen Woldemar“ (1842), die „Hosen des Herrn von Bredow“ (1846), den „Werwolf“ (1848) zu „Ruhe ist die erste Bürgerpflicht“ (1852) und „Isegrimm“ (1854). „Großbeeren“ blieb leider ungeschrieben, und „Dorothe“ malt die Zeit des Großen Kurfürsten gleichsam nur in Wasserfarben. Ein Gehirnschlag führte zu langem Siechtum des Dichters und entfremdete ihm frühzeitig seine Leserschaft, die erst nachdrückliche Hinweise zeitgenössischer Dichter und seine Säkularfeier ihm zurückgewinnen halfen.

  • Werke

    Ges. Werke, 20 Bde., ²1874; Vaterländ. Romane, 10 Bde., 1910–25; Erinnerungen, hrsg. v. M. Ewert, ²1905; s. a. Goedeke IX, 1910, S. 448-83.

  • Literatur

    ADB X (unter Häring);
    R. Béringuier, Stammt d. Dichter W. A. v. Refugiés?, in: Die französ. Colonie 16, 1902;
    L. H. C. Thomas, The Literary Reputation of W. A. as an Historical Novelist, in: The Modern Language Review, Bd. 45, 1950, Nr. 2;
    ders., Walladmore, A Pseudo-Translation of Sir Walter Scott, ebenda, Bd. 46, 1951, Nr. 2 (L);
    Kosch, Lit.-Lex.;
    Körner, S. 358.

  • Porträts

    Zeichnung v. A. Korneck, 1841, Abb. in: J. Nadler, Lit.gesch. d. dt. Volkes III, ⁴1938; Stich (Altersbild) v. O. Neumann, Abb. in: P. Fechter, Gesch. d. dt. Lit., 1941;
    Phot. (aus d. Leidenszeit) in d. Bildnisslg, d. Öffentl. wiss. Bibl. Berlin; Denkmal in Arnstadt (Thür.); Graph. Slg. München.

  • Autor/in

    Walter Heynen
  • Zitierweise

    Heynen, Walter, "Alexis, Willibald" in: Neue Deutsche Biographie 1 (1953), S. 197-198 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118648071.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Häring: Wilhelm H., pseudonym Willibald Alexis (Romanschriftsteller), geb. am 29. Juni 1798 zu Breslau, entstammte einer Refugié-Familie Namens Harenc aus der Bretagne. In seine Jugendzeit fallen die Schrecken der Belagerung Breslau's (1806 u. 7), die er später im Taschenbuche Penelope (1837) wahrheitsgetreu geschildert hat. Nach dem Tode seines Vaters, der Kanzleidirector der Kriegs- und Domänenkammer war, siedelte die Familie nach Berlin über, und dort erhielt der Sohn auf dem Werder’schen Gymnasium unter Bernhardt und Spillecke seine wissenschaftliche Ausbildung, welche von der Tieck-Schlegel’schen Richtung seiner Lehrer nicht unbeeinflußt blieb. Im J. 1815 machte er als Freiwilliger im Regiment Kolberg die Belagerung einiger Ardennen-Festungen durch, deren Eindrücke er in seiner Novelle Iblou verwerthete. Seit 1817 studirte er in Berlin und Breslau unter Savigny und Raumer Jurisprudenz und Geschichte, wurde Kammergerichts-Referendar, gab sich aber dem schriftstellerischen Berufe bald in einem Grade hin, der den juristischen ausschloß. Vom J. 1827 ab lebte er in Berlin und führte erst mit Fr. Förster die Redaction des Berliner Conversations-Blattes, seit 1830 allein die des Freimüthigen, legte sie aber 1835 aus Widerwillen gegen die damaligen Parteikämpfe und wegen Beschränkung einer freieren Sprache nieder. Doch nur kurze Zeit entsagte er der litterarischen Thätigkeit, energischer wendete er sich ihr wieder in größeren Productionen zu, betrieb nebenbei aber allerlei praktische Geschäfte, als Häuserkäufe, buchhändlerische Unternehmungen, die Gründung des Seebades Häringsdorf, die Redaction der Vossischen Zeitung und führte so ein höchst unruhiges, bewegtes Leben, bis er im J. 1852 von Berlin nach Arnstadt übersiedelte, wo ihm seit 1860 ein ernstes Leiden das Gedächtniß raubte und sein Leben verdüsterte. Er starb am 16. December 1871. Seine schriftstellerische Laufbahn begann er mit Kritiken in den Wiener Jahrbüchern der Litteratur und im Hermes über Scott, Byron, Heine, Immermann etc. Als eigenen ersten productiven Versuch ließ er ein scherzhaftes idyllisches Epos, „Die Treibjagd“, 1820 erscheinen. Eine Folge seiner Studien über England und W. Scott, zugleich auch einer scherzhaften Wette war der Roman „Walladmor“, frei nach dem Englischen des Walter Scott 1823, eine flüchtige Arbeit, die aber in fast alle Litteratur-Sprachen übersetzt und für ein Werk Scott's aufgenommen wurde, obschon sie nicht als Mystification beabsichtigt war. Unter gleicher Maske erschien 1827 der Roman „Schloß Avalon“ auf gründlichen Studien der englischen Revolution beruhend und vom Lesepublicum ebenfalls als Scott’scher Roman angesehen. Neben diesen größeren Werken schrieb H. eine Menge Novellen in Tieck’scher Richtung (4 Bde. 1830 u. 31, und neue Novellen, 1836 2 Bde.). Von der jungdeutschen Bewegung mit fortgerissen, verfaßte er die Romane „Das Haus Düsterweg“, 1835, und „Zwölf Nächte“, 1838, und gab namentlich in|ersterem ein Bild der Zerrissenheit der Zeit im Sinne jener Schule. Schon vorher aber (1832) hatte er mit „Cabanis“ (6 Bde.) die Reihe seiner vaterländischen Romane eröffnet, seiner besten Leistungen, in denen er seinem Vorbilde W. Scott völlig gleichkommt. Er behandelte in ihnen nach und nach die wichtigsten Abschnitte der brandenburgisch-preußischen Geschichte, zwar mit epischer Breite und eingehendster Detailschilderung, aber mit warmem Patriotismus; er belebte scheinbar höchst trockene und unergiebige geschichtliche Partien mit gleicher Virtuosität, wie die dürren Landschaften der Mark Brandenburg, und indem er den specifisch preußischen Geist einzelner Perioden künstlerisch in concreten Persönlichkeiten verkörperte, schuf er treffliche Zeit- und Sittenbilder, wie sie die deutsche Litteratur bis auf ihn noch nicht aufzuweisen hatte. Außer Cabanis sind dies: „Der Roland von Berlin", 1840, „Der falsche Waldemar", 1842, „Die Hosen des Herrn v. Bredow", 1846—48, „Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder vor 50 Jahren", 1852, „Isegrim", 1854, und „Dorothea“, 1856. Groß ist außerdem die Reihe seiner kleineren Erzählungen und Geschichten. Auch in zahlreichen Reiseschilderungen und biographischen Bildern ("Shakespeare und seine Freunde“, „Anton Reiser“, „Friedrich Perthes", „Vincke") bewährte er sein ausgezeichnetes Darstellertalent. Mit Hitzig begann er im J. 1842 im „neuen Pitaval" eine Sammlung von „Verbrecher-Geschichten“, die zahlreiche Bände umfaßt und weniger durch das juristische Interesse, als durch psychologische Ergründung der Verbrecher aller Länder und durch ihre belletristische Form das Publicum ansprachen. Geringen Erfolg hatten dagegen seine dramatischen Versuche: „Aennchen von Tharau“, 1829, „Der Prinz von Pisa, Lustspiel“, 1843 u. a. Häring's Verdienste sind wol noch nicht hinreichend gewürdigt; unter den historischen Romanschriftstellern nimmt er einen hohen Rang ein. Seine gesammelten Werke erschienen 1874 in 20 Bänden.

    • Literatur

      Nowack, Schlesisches Schriftsteller-Lexikon. Goedeke, 3. Bd., S. 640 ff. Julian Schmidt, Neue Bilder a. d. geist. Leben unsrer Zeit, S. 76 ff.

  • Autor/in

    Palm.
  • Zitierweise

    Palm, Hermann, "Alexis, Willibald" in: Allgemeine Deutsche Biographie 10 (1879), S. 600-601 unter Häring [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118648071.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA