Lebensdaten
1904 – 1977
Geburtsort
Artern/ Unstrut(Thür.)
Sterbeort
Andernach/ Rhein (Thüringen)
Beruf/Funktion
Strafrechtslehrer ; Rechtsphilosoph
Konfession
katholisch
Namensvarianten
  • Welzel, Hans Fritz
  • Welzel, Hans
  • Welzel, Hans Fritz

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Zitierweise

Welzel, Hans, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/sfz140400.html [19.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Paul (1866–1945), aus Ohlgut b. Münsterberg (Niederschlesien), Molkereibes.;
    M Martha Zschiesche (1867–1957), aus Weißenberg;
    3 Geschw;
    Breslau 1934 Sigrid (1910–2003), Dr. iur., Vf. v. „Das Vergessen als Fahrlässigkeit“, 1934, T d. Hans Albrecht Fischer (1874–1942), aus Schönberg (Meckl.), Dr. iur., o. Prof. d. Rechte 1911 in Gießen, 1917 in Halle/ Saale, 1918 in Jena, 1929 in Breslau, Richter am OLG in Jena (s. Wi. 1935), u. d. Linda Grupe (1884–1979);
    Gvv d. Ehefrau Georg Fischer, Pfarrer zuletzt in Demern (Meckl.);
    mind. 1 S Reinhard (1936-2019), Physiker in Jülich, mind. 3 T Sabine Joó (* 1935), Dr. med., wiss. Angest. in Köln, Stefanie Spandau (* 1943), Bettina Janson (* 1947).

  • Biographie

    Nach dem Abitur 1923 in Sangerhausen begann W. im selben Jahr sein Studium der Rechtswissenschaft in Jena, das er dort, nach kurzer Unterbrechung für ein Gaststudium in Heidelberg, wo er Philosophie bei Heinrich Rickert (1863–1936) hörte, 1927 mit dem Referendarexamen abschloß. Besonderen Einfluß hatte in Jena Hans Albrecht Fischer (1874–1942), bei dem W. auch Rechtsphilosophie hörte, daneben der Philosoph Bruno Bauch (1877–1942). 1928 erfolgte bei Fischer, angeregt wohl von Bauch, die Promotion zum Dr. iur. mit einer Arbeit über „Die Naturrechtslehre Samuel Pufendorfs“ (gedr. 1958). 1930 wurde W. Assistent bei Gotthold Bohne (1890–1957) in Köln, 1932 legte er das Assessorexamen ab, 1935 habilitierte er sich mit der Arbeit „Naturalismus und Wertphilosophie im Strafrecht“ und erhielt die Lehrbefugnis für Strafrecht, Strafprozeßrecht, Zivilprozeßrecht und Rechtsphilosophie. Nach einem Vertretungsauftrag für Strafrecht 1935 in Bonn und 1935 / 36 in Göttingen wurde er dort 1937 zum ao., im Febr. 1940 zum o. Professor berufen. W. war seit 1937 NSDAP-Mitglied und gehörte dem NS-Dozentenbund, dem NS-Rechtswahrerbund und dem NS-Altherrenbund an. Krankheitsbedingt vom Kriegsdienst entpflichtet, übte er seine Tätigkeit in Göttingen bis zur Schließung der Universität aus und wurde bei deren Wiedereröffnung im Sept. 1945 Dekan der Jur. Fakultät. Nach Ablehnung eines Rufs nach Hamburg 1950 folgte er 1952 einem Ruf an die Univ. Bonn (Rektor 1962 / 63). 1954–59 war er Mitglied der Großen Strafrechtskommission, wo er maßgeblich an den Vorarbeiten zur Strafrechtsreform von 1975 mitwirkte: So fand W.s Schuldtheorie ebenso Eingang in die Gesetzgebung wie seine Forderung der Vorsätzlichkeit der Haupttat als Teilnahmeerfordernis.

    W.s Werk ist durch eine enge Verbindung von Philosophie und Strafrechtsdogmatik gekennzeichnet. In seiner Habilitationsschrift wandte sich W. gegen einen naturalistischen Positivismus Lisztscher Prägung wie auch gegen die Wertbetrachtung des südwestdt. Neukantianismus und vertrat stattdessen eine Synthese von Wert und Wirklichkeit, wonach wissenschaftliche Begriffe „‚Reproduktionen‘ von Teilstücken eines komplexen ontischen Seins“ seien, „das die gesetzlichen Strukturen und die Wertdifferenzen immanent in sich“ trage. Damit fanden auch politische Vorstellungen des Nationalsozialismus Eingang in W.s werttheoretische Überlegungen. Als zentrale Idee sah er eine „alle ‚Klassen‘ umfassende Volksgemeinschaft“, wie sie das „gewaltige Programm des Nationalsozialismus“ geworden sei (Naturalismus u. Wertphilos. im Strafrecht, 1935).

    Nach 1945 postulierte W. in seiner Kritik an der Naturrechtslehre eine strikte Trennung von Sein und Sollen und damit eine deutliche Abkehr von seiner früheren Position. Als bleibenden Ertrag des Naturrechtsgedankens hielt W. fest, „daß der Bestand eines daseinstranszendenten, verpflichtenden Sollens die Möglichkeitsvoraussetzung sinnvoller menschlicher Existenz“ sei. Korrelat dieses Sollens sei die verantwortliche Person, deren Anerkennung die Mindestvoraussetzung einer rechtlich geordneten Sozialordnung sei.

    W.s Strafrechtsdogmatik schließt an seine Philosophie an und ist durch die Überzeugung geprägt, daß die Gegenstände der strafrechtlichen Wertung vorrechtliche – sachlogische – Strukturen aufweisen, die eine angemessene rechtliche Ordnung beachten müsse. Besondere Bedeutung entfaltet dieser methodische Ansatz in der von W. geprägten finalen Handlungslehre, wonach menschliche Handlung die „Ausübung von Zwecktätigkeit“, also die willensmäßige Steuerung eines kausalen Geschehens auf einen Erfolg hin sei. Daraus ergeben sich weitreichende Konsequenzen für die strafrechtliche Dogmatik, die aufgrund der vorpositiven Verankerung zudem mit einem erhöhten Verbindlichkeitsanspruch auftreten. V. a. verschiebt sich mit der finalen Handlungslehre der Unrechtsakzent vom Erfolgsauf den Handlungsunwert; deliktssystematisch findet die damit begründete personale Unrechtslehre ihren Ausdruck darin, daß der Vorsatz ein Element des Tatbestandes darstellt. Die strafrechtsdogmatischen Konsequenzen zog W. im Einzelnen in seinem zwischen 1947 und 1969 in elf Auflagen erschienenen und in mehrere Sprachen (span.,|ital., korean., japan., griech.) übersetzten Lehrbuch „Das deutsche Strafrecht“ (Neudr. 2010).

    Während die philosophischen und methodischen Grundlagen der Lehre W.s heute nur noch wenig Gefolgschaft finden, sind viele seiner strafrechtsdogmatischen Konzepte in Rechtsprechung und Wissenschaft etabliert. Das gilt für die Einordnung des Vorsatzes in den Deliktsaufbau ebenso wie für die Tatherrschaftslehre und den Gedanken der Sozialadäquanz. W.s Bedeutung geht deutlich über den nationalen Rahmen hinaus; seine Schriften wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und hatten erheblichen Einfluß, insbesondere in vielen Ländern Südeuropas, Ostasiens und Südamerikas.

    Schüler W.s sind u. a. Gerd Geilen (1931–2015), Günther Jacobs (* 1937), Hans-Joachim Hirsch (1929–2011), Armin Kaufmann (1922–85), Fritz Loos (* 1939), Hans-Ludwig Schreiber (* 1933) und Günter Stratenwerth (1924–2015).

  • Auszeichnungen

    |korr. Mitgl. d. phil.-hist. Kl. d. Heidelberger Ak. d. Wiss. (1959);
    Verleihung d. Komturkreuzes d. Phoenix-Ordens durch d. Kg. v. Griechenland (1960);
    o. Mitgl. d. geisteswiss. Sektion d. Arb.gemeinschaft f. Forsch. d. Landes NRW (1964).

  • Werke

    |Naturrecht u. materiale Gerechtigkeit, 1951, ⁴1962, Neudr. 1990, span. 1979;
    Abhh. z. Strafrecht u. z. Rechtsphilos., 1975;
    W-Verz. in: G. Stratenwerth u. a. (Hg.), FS f. H. W., 1974, S. 1–6;
    Teilnachlaß: Univ.- u. Landesbibl. Bonn.

  • Literatur

    |G. Stratenwerth u. a. (Hg.), FS f. H. W., 1974 (P);
    ders., in: Enz. z. Rechtsphilos. (Internet);
    G. Geilen, in: Jur. Rdsch. 1977, S. 316 f.;
    K. Engisch, in: ZStW 90, 1978, S. 1–10;
    A. Kaufmann, Strafrechtsdogmatik zw. Sein u. Wert, 1982, S. 279–93;
    G. Kleinheyer u. F. Nowakowski, In Memoriam H. W., Reden gehalten am 10. Febr. 1978 b. d. Gedenkfeier d. Rhein. Friedrich-Wilhelms-Univ. Bonn, 1981;
    F. Loos, H. W. (1904–1977), Die Suche n. d. Überpositiven im Recht, in: ders. (Hg.), Rechtswiss. in Göttingen, 1987, S. 486–509 (P);
    ders., in: JZ 2004, S. 1115–19;
    ders., H. W. (1904–1977), Prof. f. Strafrecht u. Rechtsphilos. in Bonn, 2010, in: Portal Rhein. Gesch. (Internet) (P). O. Sticht, Sachlogik als Naturrecht?, Zur Rechtsphilos. H. W.s (1904–1977), 2000 (P);
    H. J. Hirsch, Zum 100. Geb.tag v. H. W., in: ZStW 116, 2004, S. 1–14;
    W. Frisch u. a. (Hg.), Lebendiges u. Totes in d. Verbrechenslehre H. W.s, 2015;
    Qu BA Berlin.

  • Autor/in

    Uwe Murmann
  • Zitierweise

    Murmann, Uwe, "Welzel, Hans" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 763-765 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/sfz140400.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA