Witt, Ernst
- Lebensdaten
- 1911 – 1991
- Geburtsort
- Augustenburg/Insel Alsen (heute Augustenborg, Als, Dänemark)
- Sterbeort
- Hamburg
- Beruf/Funktion
- Mathematiker
- Konfession
- evangelisch
- Normdaten
- GND: 117415677 | OGND | VIAF: 34615096
- Namensvarianten
-
- Witt, Ernst
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Witt, Ernst
| Mathematiker, * 26.6.1911 Augustenburg/Insel Alsen (heute Augustenborg, Als, Dänemark), † 3.7.1991 Hamburg, ⚰Hamburg, Nienstedtener Friedhof . (evangelisch)
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Genealogie
V →Heinrich (1871–1959), aus Glückstadt, studierte ev. Theol. in Halle/Saale, 1900–11 Missionar d. Liebenzeller Mission in China, u. a. in Yüanchow, 1911–13 in Dtld., seit 1913 Sup. d. Liebenzeller Mission in Changsha (China), 1927–29 in Dtld., S d. →Heinrich (1830–93), Lehrer, Laienprediger in Glückstadt, M Charlotte Jepsen, aus Sonderburg (Sønderborg);
Ov →Dietrich, Prediger in Müllheim (Südbaden);
6 Geschw;
– ⚭ 1940 →Erna Bannow (1911–2006), aus Schlawe (Pommern), Dr. rer. nat., 1939 b. W. promoviert, Math., 1963–66 Abg. d. Hamburg. Bürgerschaft (FDP) (s. L);
2 T. -
Biographie
W., der während eines Heimataufenthalts seiner Eltern geboren wurde, kehrte 1913 mit der Familie nach China zurück, wo der →Vater Missionar war. Seit 1920 absolvierte er in der Obhut seines Onkels →Dietrich Witt die Realschule in Müllheim (Südbaden) und sah seine Eltern erst 1927 wieder. Nach der Reifeprüfung an der Oberrealschule in Freiburg (Br.) 1929 studierte er hier Mathematik und wechselte 1930 an die Univ. Göttingen, wo er 1933 formell bei →Gustav Herglotz (1881–1953) zum Dr. rer. nat. promoviert wurde. Das Thema aus der Klassenkörpertheorie hatte →Emmy Noether (1882–1935) gestellt, der zwischenzeitlich auf Basis des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums die Lehrerlaubnis entzogen worden war. 1934 erhielt W. in Göttingen bei →Helmut Hasse (1898–1979) eine Assistentenstelle und habilitierte sich 1936 für Mathematik. Vertretungsweise übernahm er 1938 die Nachfolge des aufgrund der Nürnberger Rassengesetze entlassenen →Emil Artin (1898–1962) an der Univ. Hamburg (ao. Prof. 1939). Seit 1941 leistete er Kriegsdienst, erst kurz an der Ostfront, dann hauptsächlich in der Dechiffrierabteilung des Oberkommandos der Wehrmacht in Berlin.
Im Herbst 1945 wurde W. aus dem Staatsdienst entlassen, da er am 1.5.1933 in die NSDAP und SA (Austritt 1938) eingetreten war. Herglotz und v. a. →Ernst Hecke (1887–1947), der in Hamburg für seine Distanz zum Nationalsozialismus bekannt war, bescheinigten W., weltfremd und bis zu einem gewissen Grad naiv und unpolitisch zu sein, was sich mit einer Beurteilung W.s durch den NS-Dozentenbund von 1937 deckt. W.s Äußerungen stützen diese Einschätzung, lassen aber auch eine Neigung zur „Volksgemeinschaft“ erkennen, ohne sich mit deren rassenideologischer Vereinnahmung durch die Nationalsozialisten kritisch auseinanderzusetzen. 1947 im Entnazifizierungsverfahren in Hamburg vollständig rehabilitiert, wurde er wieder in seine ao. Professur für Mathematik eingesetzt (persönl. o. Prof. 1954, o. Prof. 1957, em. 1979) und nahm zahlreiche Gastprofessuren im Inund Ausland wahr, z. B. in Rom (Dez. 1952-April 1953) und Halle/Saale (Sept.-Nov. 1955), am Institute for Advanced Study in Princeton (1960/61) sowie an der Stony Brook University, New York (WS 1964/65 u. 1965/66).
W.s zu Lebzeiten publizierte Arbeiten befassen sich hauptsächlich mit quadratischen Formen und verwandten Gebieten. Dazu führte er z. B. in seiner Habilitationsschrift über die algebraische Theorie der quadratischen Formen die heute als W.-Gruppen und W.-Ringe bezeichneten Objekte zur Klassifikation von|Moduln mit symmetrischer Bilinearform ein.
Ebenso definierte er die W.-Vektoren, die die Liftung vom Körper mit p Elementen zu den p-adischen Zahlen verallgemeinern. Weiterhin stellte er die Theorie der heute sog. W.schen Blockpläne in der für ihn typischen Kürze und Eleganz dar. In den 1930er Jahren machte W. so viele Entdeckungen, auch in der Gruppentheorie und Lie-Theorie, daß er sie gar nicht alle publizierte, sondern in seiner Arbeitsgemeinschaft vortrug und anderen die Veröffentlichung überließ. Mehrere von ihm verfaßte Manuskripte wurden erst postum in seinen „Collected Papers“ (hg. v. I. Kersten, 1998, ²2013) abgedruckt. Zu W.s Schülerschaft zählen u. a. →Sigrid Böge (* 1935), →Walter Borho (* 1945), →Günter Harder (* 1938), →Ina Kersten (* 1946), →Manfred Knebusch (* 1939), →Horst Leptin (1927–2017) und →Jürgen Rohlfs (* 1942).
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Auszeichnungen
|Mitgl. d. Ak. d. Wiss. z. Göttingen (1978).
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Werke
Weitere W Riemann-Rochscher Satz u. Z-Funktion im Hyperkomplexen, in: Math. Ann. 110, 1934, S. 12–28 (Diss.);
Theorie d. quadrat. Formen in beliebigen Körpern, in: Journ. f. d. reine u. angew. Math. 176, 1937, S. 31–44 (Habil.schr.);
– Nachlaß: Niedersächs. Staats- u. Univ.bibl. Göttingen. -
Literatur
|I. Kersten, in: Jber. d. Dt. Math.-Vereinigung 95, 1993, H. 4, S. 166–80 (P, W-Verz.);
dies., E. W., e. gr. Math., in: Mitt. d. Dt. Math.-Vereinigung 1995, H. 2, S. 28–30;
W. Krabs, E. W. als Math. u. Mensch, ebd., S. 30;
I. Kersten, Biogr. of E. W., in: E. Bayer-Fluckiger, D. Lewis u. A. Ranicki (Hg.), Quadratic Forms and their Applications, 2000, S. 155–72 (W-Verz., P);
– zu Erna: I. Grolle u. R. Bake, „Ich habe Jonglieren mit drei Bällen geübt.“, Frauen in d. Hamburg. Bürgerschaft 1946 bis 1993, hg. v. d. Landeszentrale f. pol. Bildung Hamburg 1995, S. 407 f. -
Porträts
|Photogrr., 1933–90 (Oberwolfach Photo Collection).
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Autor/in
Peter Ullrich -
Zitierweise
Ullrich, Peter, "Witt, Ernst" in: Neue Deutsche Biographie 28 (2024), S. 317-318 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117415677.html#ndbcontent