Lebensdaten
1749 – 1800
Geburtsort
Buchsweiler (Elsaß)
Sterbeort
Vöslau bei Wien
Beruf/Funktion
Kunstschriftsteller ; Pädagoge ; Erzieher
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 116947802 | OGND | VIAF: 62313404
Namensvarianten
  • Lersé, Franz
  • Lersé, Franz Christian
  • Lerse, Franz Christian
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Zitierweise

Lerse, Franz, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd116947802.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Philipp Jakob, hess. Reg.- u. Konsistorialrat d. Gfsch. Hanau-Lichtenberg, aus Straßburger Kaufm.- u. Theologenfam.;
    M Marie Susanne Barth; ledig.

  • Biographie

    L. kam in früher Jugend mit seinen Eltern nach Zweibrücken und besuchte das dortige Gymnasium. Er studierte in Leipzig, Gießen und seit 1770 in Straßburg Theologie. In Straßburg nahm er häufig an der Mittagstafel des Aktuarius J. D. Salzmann teil und trat in engeren persönlichen Kontakt zu J. H. Jung-Stilling, F. L. Weyland, H. L. Wagner und Goethe, der später in „Dichtung und Wahrheit“ L.s Persönlichkeit und die mit ihm gemeinsam verbrachte Straßburger Zeit schilderte. Bei der Disputatio,|durch die Goethe den Titel eines Lizentiaten beider Rechte erwarb, war L. einer der Opponenten. Goethes Rede „Zum Schäkespears Tag“ war höchstwahrscheinlich für seine Straßburger Freunde bestimmt. Bei der am 14.10.1771 veranstalteten Shakespeare-Feier, für die auch Goethe mit seiner Rede einen Beitrag leistete, hielt L. den Festvortrag. Eine Bühnenfigur in Goethes Drama „Götz von Berlichingen“ trägt seinen Namen.

    Ende 1771 ging L. als Erzieher nach Versailles. Zwei Jahre später zog er nach Colmar, wo er sich dem Schriftsteller Gottlieb Konrad Pfeffel anschloß. Er übernahm 1776 die Stelle des Direktors an der von Pfeffel gegründeten Militärakademie, einer Ausbildungsstätte für die Söhne adeliger Protestanten. Unter seiner Leitung erlangte dieses Institut Berühmtheit, bis es infolge der Wirren der Franz. Revolution geschlossen werden mußte. Zu L.s Freundeskreis zählten in diesen Jahren Goethes in Emmendingen verheiratete Schwester Cornelia und deren Mann, Johann Georg Schlosser. L. nutzte seine künstlerischen Talente, indem er eigene Figurinen für seinen Unterricht zeichnete und selbstgefertigte Silhouetten zu Lavaters physiognomischen Studien lieferte. Er entwickelte sich nach und nach zu einem gründlichen Kenner der Kunstwerke in Colmar und Umgebung und besaß selbst eine ansehnliche Sammlung von Gemälden und Kupferstichen. Diese Kenntnisse kamen ihm zugute, als er während der Franz. Revolution zum Kommandeur der Colmarer Nationalgarde sowie zum Distriktsekretär und Bibliothekar ernannt wurde. Ihm ist es zu verdanken, daß die bedeutenden Kunstwerke Colmars, die Werke Martin Schongauers und der „Isenheimer Altar“ von Matthias Grünewald in Sicherheit gebracht wurden und vor der Zerstörung bewahrt blieben. L. war einer der letzten, der den „Isenheimer Altar“ noch in seinem ursprünglichen Zustand und an seinem originalen Aufstellungsort gesehen hat. Somit ist die in der Colmarer Stadtbibliothek aufbewahrte, erst 1875 im Druck erschienene Beschreibung des Altars, die von der Forschung heute eindeutig L. zugeschrieben wird, von besonderer Bedeutung.

    Der weitere Lebensweg L.s führte ihn als Erzieher des jungen Moritz Gf. Fries nach Wien. 1794-97 begleitete er seinen Zögling zum Jurastudium nach Leipzig. In diese Zeit fällt die Wiederbegegnung mit Goethe, der sich mehrere Besuche L.s in Weimar anschlossen. Nach Wien zurückgekehrt, wohnte er weiterhin im Hause der Familie Fries und betreute deren Sammlung von Gemälden, Skulpturen, Münzen und Mineralien. – L.s literarische Hinterlassenschaft ist gering. Sein Verdienst besteht vorwiegend darin, als einer von wenigen vor 1800 die Bedeutung der spätgotischen Kunst erkannt und sich für deren Erhaltung unter schwierigen Zeitumständen eingesetzt zu haben, lange bevor die Romantik die „altdeutsche“ Kunst wiederentdeckte und die Brüder Boisserée mit ihrer Sammlung ein vergleichbares Rettungswerk vollbrachten.

  • Werke

    Beschreibung des „Isenheimer Altars“, Erstdr. in franz. Sprache, in: Le Musée de Colmar, 1875, vollst. Abdr. d. dt. Originalfassung b. H. A. Schmidt, Die Gemälde u. Zeichnungen v. Matthias Grünewald, 1911.

  • Literatur

    ADB 18;
    H. Jung-Stilling, Henrich Stillings Wanderschaft, 1778, S. 158;
    W. Frhr. v. Biedermann, F. L. in Weimar, in: Goethe-Forschungen - Anderweitige Folge, 1899, S. 107 ff.;
    A. Becker, F. L., e. Zweibrücker Goethefreund, in: Mannheimer Gesch.bll. 28, 1927, Sp. 115;
    L. Kubler (Kuebler), F. Ch. L. et le Patrimoine Artistique du Haut-Rhin, in: Annuaire de la Société historique et littéraire de Colmar, 1953, S. 116-23;
    M. Lanckoronska, F. Ch. L., ein Jugendfreund Goethes, in: Jb. d. Slg. Kippenberg, NF 2, 1970, S. 151 ff. (Angaben üb. d. kleineren Aufsätze L.s, L).

  • Autor/in

    Christina Florack-Kröll
  • Zitierweise

    Florack-Kröll, Christina, "Lerse, Franz" in: Neue Deutsche Biographie 14 (1985), S. 320-321 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd116947802.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Lerse: Franz Christian L. (Lersé), Goethe's Jugendfreund, geb. zu Buchsweiler am 9. Juni 1749 als Sohn des Hessen-Hanau-Lichtenberger Regierungs- und Confistorialraths Philipp Jakob L. und der Frau Marie Susanne geb. Barth, begann nach Böttiger seine theologischen, historischen und schönwissenschaftlichen Studien in Leipzig und Gießen und wurde in Straßburg am 8. Juni 1770 als Cand. theol. immatriculirt. Er schloß sich eng dem Salzmann’schen Kreis an, von Jung Stilling als Genosse der berühmten Mittagsgesellschaft gerühmt, selbst für Jung begeistert (Hagenbach, J. J. Sarasin, S. 75), der Vertraute Goethe's, bei dessen Disputation er opponirte (unzuverlässig Böttiger, Litterarische Zustände und Zeitgenossen, 1, 60 f.). Sie lasen zusammen Shakespeare; Goethe beschenkte L. mit einem Exemplar des Othello ("Seinem und Schäkespears würdigem Freund Lersen, zum ewigsten Angedenken. Goethe"; „Ewig sey mein Hertze dein, mein lieber Goethe. Lersé"); am Shakespearetag, am 14. October 1771, hielt L. in Straßburg die Festrede (abgedruckt in Stoebers J. G. Roederer, 1874) und feierte als Führer der heiligen Poesie Shakespeare, Homer und Ossian. Goethe stiftete dem ehrenfesten „Bruder Lersen“ ein schönes Denkmal im Götz, später in „Dichtung und Wahrheit“, 2, 146; dazu v. Loeper's Anm. S. 374 f.

    L. ging von Straßburg als Erzieher nach Versailles und wirkte seit 1774 sehr tüchtig, z. B. von Frau v. la Roche gerühmt, als Lehrer der Geschichte und der neueren Sprachen an Pfeffel's Militärschule zu Colmar. In den ersten Jahren pflog er regen brieflichen und persönlichen Verkehr mit Schlossers. Er empfing von Zweibrücken den Hofrathstitel. Während der Revolution commandirte er die Colmarer Nationalgarde. Dann beschäftigten ihn vorzüglich archivalische Arbeiten. Schon 1792 sieht man ihn in Verbindung mit der verwittweten Gräfin Anna Fries. Er übernimmt, als Nachfolger eines Franzosen, die Erziehung ihres Sohnes Moritz in Vöslau bei Wien und begleitet seinen Zögling im Herbst 1794 auf die Universität Leipzig, wo der liebenswürdige, aber verschwenderische junge Graf (später Chef des großen Bankhauses) u. a. die Privatunterweisung G. Hermann's genoß und bis 1797 Jura studirte. Seine knabenhaften Briefe, voll Liebe zum „Hrn. v. Lerse“, berichten von zahlreichen Reisen, nach Dresden, nach Berlin, nach Weimar im April 1796. Am 28. November 1798 (Böttiger, Goethe an Karl August 1, 239 vgl. 241; die Annalen setzen einen Besuch 1797 an) sprach L. wieder bei Goethe vor. Er hatte vergebens um Sophie Brentano geworben (Wien, Frankfurt). L. starb im Fries’schen Haus am 15. Juni 1800. 1809 der älteste Bruder. Noch 1810 schreibt Philipp Lersé bewegliche Briefe aus Mannheim im Namen seiner darbenden Schwestern. L. war kein hervorragender, aber ein braver und gebildeter Mann, der auch als Zeichner glücklich dilettirte. Veröffentlicht hat er außer kleineren Aufsätzen z. B. in der Berliner Monatschrift „Ueber die vermeinte Verfolgung des Decius"|eine „Reformationsgeschichte der Stadt Colmar“, 1790 (1856). Später fesselte ihn die Numismatik, doch das geplante Werk „Hadrians Zeitalter aus Münzen“ — vgl. B(öttiger) im T. Merkur. 1801, I. 10 — ist nicht erschienen.

    • Literatur

      Register der evangelischen Gemeinde zu Buchsweiler (Mittheil, des Hrn. Gymnasialdirectors Hägele). Straßburger Matrikel. Gräfl. Fries’sches Archiv zu Czernahora (wenig von Lerse; nichts von Goethe, der mit Johann Fries in Rom verkehrte). Kurzer Nachruf im Intelligenzblatt zur Neuen allg. d. Bibl., 56, 94.

  • Autor/in

    Erich , Schmidt.
  • Zitierweise

    Schmidt, Erich, "Lerse, Franz" in: Allgemeine Deutsche Biographie 18 (1883), S. 431-432 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd116947802.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA