Lebensdaten
1900 – 1987
Geburtsort
Bremen
Sterbeort
Twistringen Kreis Hoya (Niedersachsen)
Beruf/Funktion
Wissenschaftspolitiker ; NS-Parteifunktionär
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 116885947 | OGND | VIAF: 65144648233573551496
Namensvarianten
  • Mentzel, Rudolf
  • Mentzel, Rudolph

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Zitierweise

Mentzel, Rudolf, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd116885947.html [19.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Ludwig (1866–1930), Volksschullehrer;
    M Leone Wilhelmine Buerschaper (1877–1963) aus B.;
    1) 1928 Anneliese Seedorf (1907–53) aus B., 2) 1955 Ingeborg Stöltig (* 1915);
    4 K aus 1).

  • Biographie

    Nach dem Abitur an einem Bremer Realgymnasium (Ostern 1918) und Militärdienst bis Januar 1919 studierte M. zunächst Mathematik und Naturwissenschaften, dann 1919-25 Chemie in Göttingen. Dort promovierte er bei A. Windaus, sein eigentlicher Doktorvater aber war Walter Hückel. 1925/26 arbeitete|M. als Chemiker bei einer Bremer Ölfirma, dann bis November 1933 als Privatassistent von Gerhart Jander im chemischen Universitätsinstitut Göttingen, wo er an der verbotenen Entwicklung chemischer Kampfstoffe für das Heereswaffenamt beteiligt war, Als Angehöriger eines Göttinger Studentenbataillons nahm er im März/April 1920 an Kämpfen gegen „Kommunisten“ im Südharz teil. Er war Freiwilliger beim Freikorps Wolf in Oberschlesien, wurde SA-Mann (1922/23) und trat 1925 in die NSDAP ein, der er jedoch nur fünf Monate angehörte (Verbot der NSDAP). Im Mai 1928 trat er erneut mit der alten Mitglieds-Nr. 2937 ein, wurde bald SA-Sturmführer, leitete zunächst die Ortsgruppe Göttingen der NSDAP, war von Juni 1930 bis Juni 1933 Kreisleiter für Stadt und Landkreis Göttingen. M.s Gauleiter war der spätere Reichserziehungsminister Bernhard Rust; im Juni 1932 stieß M. zur SS, wurde im Juni 1933 SS-Obersturmführer und war seit dem 7. Januar 1933 Führer des I. Sturmbanns der Standarte 51 (aktiver SS-Dienst bis 1936).

    Obwohl noch Assistent in Göttingen, wo eine Habilitation vor der Machtübernahme der NSDAP nicht geglückt war, wurde er am 29.7.1933 in Greifswald aufgrund seiner Habilitationsschrift „Chemische Untersuchungen zum Problem des Deutschen Gas- und Nebelschutzes“ und seiner Vorlesung „Die Bedeutung des Gasschutzes für die Zivilbevölkerung“ „für angewandte Chemie unter besonderer Berücksichtigung des Luftschutzes“ habilitiert. M.s Habilitationsschrift war angeblich so kriegswichtig, daß die Greifswalder Fakultät sie nicht zu sehen bekam. Tatsächlich handelte es sich wohl bloß um eine Kompilation seiner bisherigen, für die Reichswehr verfaßten Forschungsberichte. Die Habilitationskommission bezeichnete ihn als Empiriker mit verhältnismäßig primitiven wissenschaftlichen Vorstellungen. Gerhart Jander, der mit M. in Göttingen für die Reichswehr geforscht hatte und den Rust zum kommissarischen Leiter des Haberschen Kaiser-Wilhelm-Instituts (KWI) für physikalische Chemie und Elektrochemie in Berlin machte, holte M. zum 1.11.1933 als Abteilungsleiter an sein Institut, wo er als Gaskampf-„Experte“ ein wesentliches Arbeitsgebiet des ehemaligen Haberschen Instituts leiten sollte. Seine Hauptarbeit leistete M. jedoch im Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung. In der auf Wunsch des Heereswaffenamts im Juli 1934 neu eingerichteten Unterabteilung W II „Forschung“ sollte er als Referent für Naturwissenschaft unter nomineller Leitung von Erich Schumann die wissenschaftliche Forschung militärischen Zwecken erschließen. Seine Karrieren sowohl im Dahlemer KWI (1933–35 Abteilungsleiter, 1938 Ernennung zum Wissenschaftlichen Mitglied des Instituts), wo er selten gesehen wurde, als auch an der Berliner TH und im Wissenschaftsministerium dürften anfangs sowohl vom Heer als auch von Rust und seinen Göttinger Chemiker-Kollegen Jander und Thiessen gefördert worden sein, später konnte er sich zusätzlich noch auf Himmler und die SS stützen, bei der er bis zum Brigadeführer (November 1942) aufstieg.

    1934 ernannte Rust M. zum apl. Professor und Ende 1935 sogar zum Ordinarius für Wehrchemie an der Wehrtechnischen Fakultät der TH Berlin (gleichzeitig schied M. beim KWI aus), obwohl er bis dahin weder selbständig wissenschaftlich publiziert noch eine Vorlesung – selbst keine Antrittsvorlesung – gehalten hatte. Im Rustschen Ministerium stieg M. vom Referenten für Naturwissenschaft zum Leiter der Unterabteilung W II (Forschung) und am 1.5.1939 zum Amtschef Wissenschaft und Ministerialdirektor auf. Außerdem gelang es ihm im November 1936, Johannes Stark wegen dessen desolater Amtsführung als Präsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) abzulösen. Dadurch erlangte M. Einfluß auf die Bestellung der Fachgutachter und die Mittelvergabe dieser offiziell nichtstaatlichen Forschungsförderungseinrichtung. Er führte innerhalb der DFG das Führerprinzip ein; sein wichtigster Berater wurde sein ehemaliger Göttinger Kollege, Peter Adolf Thiessen (ebenfalls alter Parteigenosse und SA-Mann sowie seit 1935 Direktor des KWI für physikalische Chemie und Elektrochemie), mit dem zusammen er die ehemalige Habersche Dienstvilla in Dahlem bewohnte. In der Folgezeit degradierte M. die DFG zu einer Verwaltungsabteilung des am 13.3.1937 gegründeten Reichsforschungsrats, dessen Geschäftsführung er unter Vorsitz von General Karl Becker übernahm, um – so der Auftrag – „sämtliche Gebiete der Forschung einheitlich zusammenzufassen und planmäßig einzusetzen“. M.s Tätigkeit im Ministerium war bis 1939 ehrenamtlich, zunächst erhielt er sein Gehalt vom KWI und seit 1935 als Professor. Vermutlich wollte M. eine finanziell unabhängige Position besitzen, um im Ministerium eine „eigene“ Wissenschaftspolitik zu verwirklichen. Dies würde auch erklären, warum er seine Habilitation so energisch verfolgte, aber auf den innerhalb der NSDAP nicht hoch geschätzten Professortitel zunächst weniger|Wert legte. Den Höhepunkt seiner Macht erreichte M., als er 1941 zweiter Vizepräsident der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG) und 1942 zusätzlich Leiter des Geschäftsführenden Beirats des Reichsforschungsrats wurde, eines kompetenzmäßig nur ungenau umschriebenen Gremiums. Im Reichsforschungsrat war M. schon seit 1937 Geschäftsführer und seit 1939 Vizepräsident und Präsidenten-Stellvertreter. Weiterreichende Pläne innerhalb der KGW wurden durch Intervention Görings verhindert.

    Als Chef des Amtes Wissenschaft des Reichserziehungsministeriums, Präsident der DFG, Vizepräsident der KWG und als Leiter des Geschäftsführenden Beirats des Reichsforschungsrats besaß M. sowohl auf die staatliche Wissenschaftspolitik als auch auf die bedeutenden halbstaatlichen Wissenschaftsorganisationen maßgeblichen Einfluß, jedoch ohne daß eine eigene Linie seiner pragmatisch und wenig ideologisch ausgerichteten Politik erkennbar wurde. Außerhalb seines nominellen Wirkungsbereichs blieben nur die Forschungseinrichtungen der Wehrmacht, auf die er nur mittelbar über den Reichsforschungsrat Einfluß besaß. Schon während des Krieges wurde M.s Amtsführung kritisiert. Ende 1942/Anfang 1943 versuchten u. a. Mitarbeiter der Kanzlei des Führers der NSDAP erfolglos, M. wegen fehlender wissenschaftlicher Qualifikation und mangelhafter Ordnungspolitik aus seinem Ministerialamt zu drängen. Nach dem Krieg wurde er für den Wissenschaftler-Exodus während des Dritten Reiches mitverantwortlich gemacht. Tatsächlich war seine Wissenschaftspolitik – zumindest in den Naturwissenschaften – eher pragmatisch-persönlich als ideologisch orientiert; personalpolitisch förderte er weder die „Deutsche Physik“ noch die „Deutsche Chemie“. M.s Versuch, sich in der Nachkriegszeit als Mitglied einer „Widerstandsgruppe Forschung“ zu präsentieren, scheiterte. Im Zuge der Entnazifizierung wurde er in Gruppe III (Belastete) eingestuft und 1949 zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt, die durch die Internierung (30.5.1945-23.1.1948) als verbüßt galten. Es folgten verschiedene Industrietätigkeiten.

  • Werke

    Stereoisomerieu. Umwandlungb. β-substituierten Dekalinen, Diss. Göttingen 1925;
    Zur Stereochemie bicyclischer Ringsysteme II, Die Stereoisomerie d. Dekahydronaphtalins u. seiner Derivate II, Stereoisomere β-substituierte Dekaline, in: Liebigs Ann. 451, S. 109-32 (mit W. Hückel u. a.);
    20 J. dt. (naturwiss.) Forschung, in: Das Reich v. 3.11.1940, dass. in: FF 17, 1941, S. 1-5, u. in: Chemiker-Ztg. 65, 1941, S. 65-67.

  • Literatur

    H. Heiber, Walter Frank u. sein Reichsinst. f. Gesch. d. neuen Dtld.s, 1966, S. 815-17;
    K. Zierold, Forschungsförderung in drei Epochen, 1968, S. 190 f. (P);
    Th. Nipperdey u. Ludwig Schmugge, 50 J. Forschungsförderung in Dtld., Ein Abriß d. Gesch. d. dt. Forschungsgemeinschaft 1920-1970.1970, S. 60-65;
    K.-H. Ludwig. Technik u. Ingenieure im Dritten Reich, 1974, S. 268;
    A. D. Beyerchen, Wissenschaftler unter Hitler, Physiker im 3. Reich, 1979;
    H. Albrecht u. A. Hermann, Die Kaiser-Wilhelm-Ges. im Dritten Reich (1933–1945), in: R. Vierhaus u. B. vom Brocke (Hrsg.), Forschung im Spannungsfeld v. Pol. u. Ges., 1990, S. 392. – Eigene Forschungen.

  • Autor/in

    Manfred Rasch
  • Zitierweise

    Rasch, Manfred, "Mentzel, Rudolf" in: Neue Deutsche Biographie 17 (1994), S. 96-98 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd116885947.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA