Pflanz, Manfred
- Dates of Life
- 1923 – 1980
- Place of birth
- Berlin
- Place of death
- Hannover
- Occupation
- Internist ; Sozialmediziner ; Epidemiologe
- Religious Denomination
- evangelisch-lutherisch
- Authority Data
- GND: 1035114534 | OGND | VIAF
- Alternate Names
-
- Pflanz, Manfred Robert Ferdinand
- Pflanz, Manfred
- Pflanz, Manfred Robert Ferdinand
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Pflanz, Manfred Robert Ferdinand
1923 – 1980
Internist, Sozialmediziner, Epidemiologe
Manfred Pflanz war eine zentrale Gestalt in der institutionellen Formierungsphase der Sozialmedizin in der Bundesrepublik der 1960er und 1970er Jahre. Er gehörte zu den Begründern der Versorgungsforschung und Qualitätssicherung in der Medizin und war in zahlreichen Gremien im Bereich der Politikberatung tätig, z. B. für die Bundesregierung, den Europarat und die Weltgesundheitsorganisation.
Dates of Life
Manfred Pflanz (InC) -
Author
→Volker Roelcke (Gießen)
-
Citation
Roelcke, Volker, „Pflanz, Manfred“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.10.2025, URL: https://www.deutsche-biographie.de/1035114534.html#dbocontent
Nach dem Abitur 1940 wurde Pflanz zum Kriegsdienst eingezogen. Von 1941 bis 1948 studierte er mit Unterbrechungen durch Fronteinsätze Medizin in Berlin, Freiburg im Breisgau, Straßburg (Elsass, heute Strasbourg, Frankreich) und München, wo er 1948 das Staatsexamen ablegte und zum Dr. med. promoviert wurde. Von 1943 bis 1949 absolvierte er zudem ein Studium der Psychologie in München und Straßburg.
1949 trat Pflanz eine Assistenzarztstelle bei dem Internisten Gustav von Bergmann (1878–1955) in München an, sein Oberarzt und Mentor war Thure von Uexküll (1908–2004), ein führender Vertreter der Psychosomatik. Nach Uexkülls Berufung auf eine Professur an der Universität Gießen folgte Pflanz ihm 1955 als internistischer Facharzt und leitender Oberarzt. 1961 wurde Pflanz hier für Innere und Psychosomatische Medizin habilitiert. Seit 1963 leitete er die neu eingerichtete Abteilung für Medizinische Statistik, Dokumentation und Epidemiologie an der von Uexküll geführten Medizinischen Poliklinik. 1966 wurde er außerordentlicher Professor für Sozialmedizin und Direktor des neu geschaffenen Instituts für Sozialmedizin. 1967 erhielt Pflanz einen Ruf als Professor für Epidemiologie und Sozialmedizin sowie geschäftsführender Direktor des Departments für Öffentliche Gesundheitspflege an der neu gegründeten Medizinischen Hochschule Hannover. Von 1970 bis 1978 war er Mitglied im Lenkungsgremium für Medizinische Soziologie der International Sociological Association, von 1974 bis 1975 Gastprofessor an der University of Connecticut (USA). Einen 1975 erfolgten Ruf an das neu einzurichtende Institut für Soziale Medizin an der Freien Universität Berlin lehnte Pflanz ebenso ab wie einen Ruf an die University of Connecticut. Noch im aktiven Universitätsdienst verstarb er im Alter von 56 Jahren 1980 in Hannover.
Pflanzʼ erste Untersuchungen widmeten sich psychosomatischen Themen, etwa zu sozialpsychologischen Aspekten des peptischen Ulkus oder zu Belastung und Entlastung als pathogenetischen Faktoren. In diesem Zusammenhang thematisierte er erstmals in der deutschsprachigen medizinischen Fachliteratur das Stress-Konzept. Die aus Pflanzʼ Habilitationsschrift hervorgegangene Monografie „Sozialer Wandel und Krankheit“ (1962) galt über viele Jahre als grundlegendes Referenzwerk in der sich etablierenden Sozialmedizin und Medizinsoziologie. Neben der Präsentation empirischer Befunde zu sozialen Faktoren bei der Entstehung von Erkrankungen diskutierte Pflanz hier zentrale Hypothesen, wie die Bedeutung von sozialen Strukturen oder Migration für Gesundheit und Krankheit sowie die Rollenbilder von Arzt und Patient.
Ein langfristiges Interesse von Pflanz richtete sich auf die Epidemiologie des Bluthochdrucks und der Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie damit assoziierte Hypothesen zu sozialen und psychologischen Faktoren bei Entstehung und Verlauf dieser Krankheiten. Anknüpfend an diese Forschungen wandte er sich der Früherkennung und damit verbunden der Prävention zu. Große mediale Aufmerksamkeit erfuhren seine Forschungsergebnisse zur Appendizitis bzw. Appendektomie, wonach die Mortalität der Appendizitis in der Bundesrepublik im internationalen Vergleich drei- bis vierfach erhöht sei. Die Untersuchung gilt als frühes Beispiel der Versorgungsforschung in Deutschland. Methodische Fragen sowie Beiträge zur Selbstreflexion in der ärztlichen Profession durchziehen das gesamte Werk von Pflanz; Ende der 1960er Jahre war er einer der Initiatoren für die Diskussion um Qualitätsmaßstäbe und Qualitätskontrolle in der Medizin, Themenfelder, die später mit den Debatten zur Evidenz-basierten Medizin konvergierten.
1963 war Pflanz Mitbegründer der Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin. Neben dem Gründungspräsidenten Hans Schaefer (1906–2000) war er über viele Jahre der einzige Professor und Direktor eines universitären Instituts für Sozialmedizin und damit ein zentraler Akteur in dem neuen und öffentlich breit wahrgenommenen Arbeitsfeld. Als Berater war Pflanz in politischen Institutionen aktiv, seit 1967 im Bundesgesundheitsrat, seit 1970 in der Sachverständigenkommission zur Weiterentwicklung der Gesetzlichen Krankenversicherung sowie seit 1971 im Beirat des Instituts für Sozialmedizin und Epidemiologie des Bundesgesundheitsamts. 1977/78 war er Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer und auf internationaler Ebene Berater der Weltgesundheitsorganisation, wo er die kritische Überprüfung v. a. von präventiven Maßnahmen anregte. Im Wissenschaftlichen Beirat der Bundesärztekammer etwa ergriff er die Initiative für eine Evaluierung von Krebsfrüherkennungsmaßnahmen. Zu Pflanzʼ Schülern gehören die Medizinsoziologen Bernt-Peter Robra (geb. 1950) und Johann Jürgen Rohde (1929–2001).
1963 | Gründungsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin |
1970–1978 | Mitglied des Steering Board des Committee on the Sociology of Medicine der International Sociological Association |
Nachlass:
nicht bekannt.
Weitere Archivmaterialien:
Archiv der Bundesärztekammer, Tätigkeitsberichte. (Wissenschaftlicher Beirat).
Archiv der Medizinischen Hochschule Hannover, P 6 Nr. 2 u. 3. (Berufungsakte)
Bundesarchiv, Berlin-Lichterfelde, P 380/369 (zentrale Personenkartei) u. B 563. (Militärzeit)
Council of Europe Archives, Strasbourg, Working Party on Preventive Medicine.
Universitätsarchiv Gießen, Dekanat Humanmedizin, Sitzungsprotokolle u. 2. Lieferung, Karton 118. (Personalakte, Dekanatsakten, Berufungen)
Universitätsarchiv München, N-Npr-GA-1948. (Promotionsakte)
Manfred Pflanz/Thure von Uexküll, „Entlastung“ als pathogenetischer Faktor. Ein Beitrag zum Problem der Begriffe „Belastung“ und „Entlastung“, in: Klinische Wochenschrift 30 (1952), S. 414–419.
Technik und Grenzen des doppelt-blinden Versuchs, in: Die medizinische Welt 36 (1956), S. 1235–1238.
Manfred Pflanz/Elsa Rosenstein/Thure von Uexküll, Socio-Psychological Aspects of Peptic Ulcer, in: Journal of Psychosomatic Research 1 (1956), S. 68–74.
Sozialer Wandel und Krankheit. Ergebnisse und Probleme der medizinischen Soziologie, 1962, 21986.
„Zivilisationskrankheiten“ und psychosomatische Probleme im ländlichen Indien, in: Münchner Medizinische Wochenschrift 107 (1965), S. 1493–1502.
Blutdruck und funktionelle Beschwerden bei Gastarbeitern. Ein transkultureller Vergleich, in: Arbeitsmedizin, Sozialmedizin, Arbeitshygiene 2 (1967), S. 181–185.
Sigrid Lichtner/Manfred Pflanz, Appendectomy in the Federal Republic of Germany. Epidemiology and Medical Care Patterns, in: Medical Care 9 (1971), S. 311–330.
Psychologische und sozialmedizinische Aspekte der Hypertonie, in: Verhandlungen der deutschen Gesellschaft für Innere Medizin 80 (1974), S. 42–49.
Die soziale Dimension in der Medizin. Eine Sammlung von Aufsätzen und Vorträgen, 1975.
Rapid Cost Expansion in the Health Care System of the Federal Republic of Germany, in: Preventive Medicine 6 (1977), S. 290–301.
Medizinsoziologie, in: Réne König (Hg.), Handbuch der empirischen Sozialforschung, Bd. 14: Religion, Bildung, Medizin, 21979, S. 238–344.
Magda Sokolowska, Manfred Pflanz (1923–1980). A Personal Account of Admiration and Sorrow, in: Social Science and Medicine 15C (1981), S. 125–127.
Hans Schaefer/Johannes Gostomzyk, Zur frühen Geschichte der Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP), in: Das Gesundheitswesen 58 (1996), Sonderheft 3, S. 157 f..
Udo Schagen/Sabine Schleiermacher, Biographie Manfred Pflanz, in: dies. (Hg.), 100 Jahre Soziallhygiene, Sozialmedizin und Public Health in Deutschland, 2005. (CD-ROM)
Bernt-Peter Robra, Manfred Pflanz (1923–1980), Versorgungsforscher. Sein früher Beitrag zur Versorgungsepidemiologie der Appendektomie, in: Das Gesundheitswesen 82 (2020), S. 607–613.
Christina Delventhal, Manfred Pflanz (1923–1980). Biographie und Werk eines Protagonisten bei der Institutionalisierung von Sozialmedizin und Medizinsoziologie, 2022. (Onlineressource)
Christina Delventhal/Volker Roelcke, Manfred Pflanz (1923–1980). Zentraler Akteur bei der Institutionalisierung von Sozialmedizin und Medizinsoziologie, in: Das Gesundheitswesen 86 (2024), S. 177–181. (Onlineressource)
Fotografie v. Hans Jürgen Fratzer, ca. 1980, Abbildung in: Jahrbuch der Gesellschaft der Freunde der MHH e. V. 17 (1980), S. 108.