Lebensdaten
1851 – 1924
Geburtsort
Gollkowe Kreis Militisch (Schlesien)
Sterbeort
Klein-Tschunkawe Kreis Militsch
Beruf/Funktion
konservativer Politiker
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 133806154 | OGND | VIAF: 301087892
Namensvarianten
  • Heydebrand und der Lasa, Ernst von (seit 1920 Lasa)
  • Heydebrand und der Lase, Ernst von
  • Heydebrand und der Lasa, Ernst von (seit 1920 Lasa)
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Zitierweise

Heydebrand und der Lase, Ernst von, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd133806154.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Ernst Oskar (1815–88), preuß. Geh. Regierungsrat, Rittergutsbes., S d. Ernst Chrstn. Sigismund (1780–1835), Rittergutsbes., u. d. Henriette v. Salisch;
    M Agathe (1832–81), T d. Rudolf v. Salisch, auf Jeschütz, u. d. Auguste v. Köckritz u. Friedland;
    B Georg (1852–1901), Regierungspräs, zu Osnabrück;
    - Limbsee/Westpr. 1892 Marie (1855–1923), T d. Wilhelm v. Dallwitz (1825–98) auf Limbsee, u. d. Auguste v. Daliwitz; kinderlos;
    N Ernst (1884–1963), Regierungsvizepräs, in Koblenz u. Reichsrichter, Hans (1893–1942), Gen.-Major.

  • Biographie

    H. unterbrach das 1870 in Heidelberg begonnene Jurastudium, um am Krieg gegen Frankreich teilzunehmen. Nach Abschluß des Studiums (Berlin, Breslau, Dr. jur. in Jena) mit dem Assessorexamen (1878) und einjährigem Dienst in der Justiz war H. 16 Jahre in der preußischen Verwaltung tätig (Assessor in Osnabrück und Oppeln, Landrat des oberschlesischen Kreises Kosel und seit 1883 des heimatlichen Kreises Militsch). 1895 infolge einer Auseinandersetzung mit dem kreisangesessenen Oberpräsidenten Fürst Hatzfeld verabschiedet, widmete er sich von nun an ganz der parlamentarischen Arbeit und der Bewirtschaftung des 1888 ererbten Besitzes (etwa 1000 ha).

    Während seiner politischen Wirksamkeit (Mandate im preußischen Abgeordnetenhaus 1888-1918, im Reichstag 1903–18) und unter seiner Mitwirkung verdrängte bei den Deutschkonservativen eine auf Unabhängigkeit von der Regierung bedachte Richtung die bis dahin vorherrschende gouvernementale; gleichzeitig gewannen Vorstellungen des nationalen Machtstaats mehr als H. erwünscht war Einfluß auf die Grundhaltung der von rechtsstaatlichen und christlich-sozialen Ideen geprägten Partei. Ihre praktische Politik wurde angesichts der wirtschaftlich-sozialen Entwicklung immer mehr durch die Wahrung agrarischer Interessen bestimmt; ihr diente eine enge Zusammenarbeit mit dem 1893 gegründeten Bund der Landwirte, die H.s Auffassung entsprach, obwohl er die radikale Agitation des Bundes ablehnte und auf Selbständigkeit der Partei Wert legte. Schon frühzeitig in der deutschkonservativen Politik hervorgetreten (1891 Kritik der Landgemeindeordnung), war H. nach Übernahme des Fraktionsvorsitzes im Abgeordnetenhaus (1906–18) der unumstrittene Führer der Partei. Trotz Schroffheit und Unerbittlichkeit fand seine uneigennützige, von ernstem Verantwortungsgefühl getragene Führung, welche die weltanschaulichen und wirtschaftlichen Grundströmungen geschickt und entschlossen zusammenzufassen wußte, bald auch die Gefolgschaft eigenständiger Persönlichkeiten. In grundsätzlichen Betrachtungen bejahte H. durchaus die Notwendigkeit von Reformen, ja sah in ihrer Anerkennung das Wesen konservativer Politik; doch reagierte er in der Praxis auf das Vordringen industrieller Ansprüche meist allein mit verstärktem Eintreten für die Agrarinteressen (gegen Handelsverträge Caprivis 1892–94, Kanalvorlagen 1899-1904, Zolltarif 1902) und versuchte, die Änderung des partei- und verfassungspolitischen Kräfteverhältnisses mit bewußtem Festhalten an den Vorteilen des Dreiklassenwahlrechts zu verlangsamen.

    Das Ziel seiner Politik sah H. darin, Preußens bewährte Ordnung (Dynastie, Verwaltung und Armee) und seine Stellung im Reich gegen Neuerungssucht und Zersetzung zu erhalten und weiterzuentwickeln. Er verteidigte aus grundsätzlicher Überzeugung die Rechte und den politischen Führungsanspruch der preußischen Krone, doch besaß er nicht das Vertrauen Wilhelms II., mit dessen Regierungszeit sein parlamentarisches Wirken zusammenfiel, da er ihn freimütig, wenn auch in ehrerbietiger Form, kritisierte (Daily Telegraph-Krise 1908), auch wiederholt Pläne ablehnte, für die sich der Kaiser eingesetzt hatte (Dombau, Mittellandkanal), und oft der Regierung opponierte. Mit Fürst Bülow arbeitete H. gut zusammen, solange er die Kompromißbereitschaft der Konservativen nicht überfordert glaubte. Im Konflikt um die Enteignungsvorlage (1908), in dem die Forderungen des nationalen Existenzkampfes in den preußischen Ostprovinzen die Gleichheit der Staatsbürger und die Unantastbarkeit des Privateigentums in Frage stellten, entschied er sich trotz schwerer Bedenken für die Annahme, nachdem eine maßvolle Handhabung des Gesetzes gesichert war. Zu Bethmann Hollweg, an dessen staatsmännischen Fähigkeiten H. zweifelte, trat er sehr bald in Opposition; am 9.11.1911 griff er im Reichstag, seine Zurückhaltung in außenpolitischen Fragen verlassend, die Marokkopolitik des Kanzlers als zu nachgiebig an und legte ihm 1913 den Rücktritt nahe. Sein Einfluß, auf der Stellung seiner Partei im preußischen Landtag beruhend (ein Drittel der Sitze des Abgeordnetenhauses, zwei Drittel des Herrenhauses), war vor allem in der konservativ geprägten Verwaltung stark, wurde jedoch häufig überschätzt und übertrieben („ungekrönter König von Preußen“). In den Auseinandersetzungen um die Reichsfinanzreform 1909 lehnte H., auf der Höhe seines parlamentarischen Einflusses, die von Bülow und den liberalen Blockpartnern geforderte Besteuerung des Kinder- und Gattenerbes ab und setzte mit dem Zentrum andere Besitz- und Verbrauchssteuern durch. Diese Ablehnung einer liberalen Forderung führte jedoch zu heftiger Agitation gegen die Konservativen und parteipolitischem Zwist, auf dessen Überwindung H. bis zur Reichstagswahl 1912 verzichtete. Aus ihr gingen die Konservativen so geschwächt hervor, daß sie für die Innenpolitik bis 1918 isoliert blieben, zumal das Zentrum bald nach links abschwenkte. Während des Weltkrieges forderte H. eine entschlossene Kriegführung mit Ausschöpfung aller Kampfmittel (U-Boote) und vorwiegend strategisch begründete Grenzverbesserungen, wandte sich jedoch, im Gegensatz zur alldeutschen Agitation und zu zahlreichen Parteifreunden, gegen größere Annexionen fremdnationaler Gebiete; die Schaffung des selbständigen Königreiches Polen lehnte er wegen ihrer Rückwirkung auf Preußen ab. Als grundsätzlicher Gegner einer innenpolitischen „Neuorientierung“ verhinderte er bis Oktober 1918, mit Zugeständnissen wie Pluralstimmrecht und berufständischer Repräsentation sowie unter Ausnutzung aller taktischen Möglichkeiten, eine Einführung des Reichstagswahlrechts in Preußen. Der Zusammenbruch der Monarchie bedeutete das Scheitern seiner Politik, die dem politisch-sozialen Wandel Deutschlands nicht genügend Rechnung getragen hatte.

    Enttäuscht durch die ihm geltende Ablehnung auch vieler ehemaliger Anhänger, zog er sich auf die Bewirtschaftung seines Besitzes zurück. Weiterhin lebhaft die Entwicklung verfolgend, unterstützte er im allgemeinen die Politik der Deutschnationalen, versuchte jedoch bis zuletzt, mit dem Fortbestand des Hauptvereins der Deutschkonservativen einer preußisch-konservativen Politik zu dienen.

  • Werke

    Btrr. zu e. Gesch. d. Konservativen Partei in d. letzten 30 J. (1888–1919). in: Konservative Mschr. 77, H. 16-19, 1920;
    Bethmann Hollweg u. s. Betrachtungen z. Weltkriege, ebd. 79, Febr. 1922, S. 285-89;
    zahlr. Reden in d. Stenograph. Berr. d. Verhh. d. Preuß. Abgeordnetenhauses u. d. Dt. Reichstags. |

  • Nachlass

    Nachlaß: zuletzt in Preußenfeld (Klein Tschunkawe), seit 1945 verschollen; kleine Materialslg. im Bundesarchiv Koblenz.

  • Literatur

    K. Gf. Westarp, E. v. H., in: Dt. Aufstieg, hrsg. v. H. v. Arnim u. G. v. Below 1925 (P);
    ders., Konservative Pol. im letzten J.zehnt d. Kaiserreichs, 2 Bde., 1935 (L, P);
    F. W. v. Oertzen, Junker, 1939, S. 313-84 (P);
    H. Booms, Die dt.konservative Partei, 1954 (L);
    W. Liebe, Die Dt.nat. Volkspartei 1918–24, 1956;
    H. L. Land, Die Konservativen u. d. preuß. Polenpol. 1886-1912, Diss. FU Berlin 1963;
    R. Patemann, Der Kampf um d. preuß. Wahlreform im 1. Weltkrieg, 1964;
    U. v. Heydebrand u. d. Lasa, Chronik d. schles. Uradelsgeschl. v. H. u. d. L., 1964, S. 26-41 (P);
    H. Horn, Der Kampf um d. Bau d. Mittellandkanals, 1964 (L);
    H. J. Puhle, Agrar. Interessenpol. u. preuß. Konservatismus im wilhelmin. Reich 1893-1914, 1966 (L).

  • Autor/in

    Friedrich Freiherr Hiller von Gaertringen
  • Zitierweise

    Hiller von Gaertringen, Friedrich Freiherr, "Heydebrand und der Lase, Ernst von" in: Neue Deutsche Biographie 9 (1972), S. 66-67 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd133806154.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA