Lebensdaten
1765 – 1809
Geburtsort
Aken/Elbe
Sterbeort
Lentzke bei Fehrbellin
Beruf/Funktion
Philosoph
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 121354016 | OGND | VIAF: 62402224
Namensvarianten
  • Hülsen, August Ludwig
  • Hülsen, August Ludwig
  • Hülsen, August L.
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Zitierweise

Hülsen, August Ludwig, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd121354016.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus märk. Pfarrerfam.;
    V Paul Gottfr. (1719–83), Pfarrer in A., seit 1768 in Premnitz, S d. Chrstn. Konrad, Rektor in Köthen u. Pastor in Gr.-Badegast, u. d. Anna Elis. Stübner;
    M Joh. Dorothea (1731–87), T d. Hofbildhauers Chrstn. Konr. Stutz in Zerbst u. d. Eleonore Elisabeth Fette;
    verheiratet 1) Nennhausen 1799 Leopoldine Christiane Dorothea (gestorben 1800), Tochter d. Friedrich von Posern, auf Thierbach, Witwe d. Pastors Kriele in Lentzke, 2) 1806 Christine Friederike (gestorben 1808), Tochter d. dänisch Landstallmeisters von Wiebel u. d. Elsa Otten, 3) 1809 Wilhelmine, Tochter d. Pastors Heinrich Thormählen in Siebeneichen u. d. Johanne Sophie Hoffmeister; Vt. d. |1. Ehefrau Frdr. de la Motte-Fouqué ( 1843), Dichter (s. NDB V);
    K aus 2);
    Ur-Groß-N Christian (s. 2).

  • Biographie

    H. studierte in Halle Theologie und bei F. A. Wolf Philologie und war als Hauslehrer in der Familie Fouqué in Görtzke bei Ziesar tätig. Er lehnte es ab, ein Pfarramt zu übernehmen, weil er in seiner religiösen Position mehr und mehr von der kirchlichen Lehre abwich.

    Durch das Studium Kants bei Reinhold in Kiel (1794) wurde er in die Richtung gewiesen, die über Kant hinauszudenken versuchte. Im Sommer 1795 erschien daher H., nun schon 30jährig, unter den Schülern Fichtes in Jena und wurde Mitglied der „Gesellschaft der freien Männer“. In der Preisfrage der Berliner Akademie „Was hat die Metaphysik seit Leibniz und Wolff für Progressen gemacht“ (1796) gibt er eine philosophische Theorie der Philosophiegeschichte: indem er unterscheidet zwischen der „sich selbst setzenden Vernunft“ und der „im Widerstreit fortschreitenden geschichtlichen Vernunft“. Über die Geschichtsschreibung der Kantianer Reinhold und Tennemann hinaus wird hier der Grundgedanke einer dialektischen Geschichtsmetaphysik im Sinne Schellings und Hegels vorweggenommen. – Es folgten philosophische Aufsätze H.s, in denen sich die Fortentwicklung des Fichteanismus zur romantischen Philosophie schrittweise vollzog. Für die Romantiker war H. eine Verkörperung der durch Fichte erneuerten Philosophie, die sich wie bei Schelling in die pantheistische und wie bei Novalis in die mystische Richtung weiterentwickelte. Zwei Aufsätze, die in Fichte – Niethammers „Philosophischem Journal“ erschienen, handelten „Über Popularität in der Philosophie“ (in Briefform, 1797) und „Über den Bildungstrieb“ (1798); Friedrich Schlegel veröffentlichte im Athenaeum die in hymnischem Stil meditierenden Abhandlungen „Über die natürliche Gleichheit der Menschen“ (1799, Athenaeum II, 1) und „Naturbetrachtungen auf einer Reise durch die Schweiz“ (1800, Athenaeum III, 1). In diesen Gedankenkreis gehören auch die „Philosophischen Fragmente aus H.s literarischem Nachlaß“, die Fouqué 1813 in Schellings „Allgemeiner Zeitschrift von Deutschen für Deutsche“ veröffentlichte. Dokumente seines Philosophierens sind ferner die „Briefe an A. W. Schlegel und Sophie Bernhardi“ (1798-1803) und an Schleiermacher (Aus Schleiermachers Leben III/137). Dieses Philosophieren zieht aus den Grundgedanken der „Wissenschaftslehre“ die mystischen Konsequenzen; das Poetische erhält philosophischen Inhalt, die Philosophie wird poetisiert, beide Regionen verlieren ihre Eigengesetzlichkeit und gehen in Religion über, ähnlich wie bei Novalis und Hölderlin, was von Friedrich Schlegel als der eigentliche Fortschritt im Denken über Kant hinaus enthusiastisch begrüßt wurde. Die Wahrheit besteht für H. in dem Innewerden der Harmonie des Weltalls, die mit dem Fichteschen absoluten Ich identisch ist; das „Mensch-sein unter Menschen“ und die Anschauung der Natur werden wahr, wenn die endlichen Momente auf diesen absoluten Punkt bezogen sind. Statt der Fichteschen rigorosen Pflichtethik wird nun ein Rückzug des Menschen aus der Welt der „Verwirrung“ in die einfache und idyllische Lebensweise des Umgangs mit der mystisch gedeuteten Natur und dem ebenso gedeuteten Umgang mit dem anderen als rechter Weg empfunden. Jedes Streiten ist Mißverstehen des andern, jedes Systemdenken Mißdeuten der Wahrheit; es gilt, „das Ideal des Familien-Menschen zu realisieren“. Damit entfernte sich H. mit seinem Freund Berger von dem ursprünglichen Kreis der Fichteschüler, er distanzierte sich bewußt von der Wissenschaft wie von der Literatur. Er lebte die romantische Philosophie des Rückzugs aus der Welt und des Umgangs mit der Natur und den schlichten Menschen einer „harmonischen Bildung“ und schied damit aus der literarisch-philosophischen Bewegung aus.

    1796-98 ging er mit Berger in die Schweiz. Pestalozzi und Fellenberg wurden besucht. Im März 1798 war H. wieder in der literarischen Gesellschaft in Jena, kehrte aber dann in seine märkische Heimat zurück, wirkte als Lehrer bei Verwandten und Freunden, mit literarischen Plänen beschäftigt. Fouqué stellte ihm sein Haus in Lentzke zur Verfügung; H. begann dort eine Erziehungsanstalt einzurichten. Durch den Tod seiner Frau (1800) seelisch gebrochen, geriet er in eine Verwirrung, die er später wie einen Wahnsinn schilderte. Verhandlungen in Berlin, mit A. W. Schlegels Hilfe ein Amt zu suchen, brach er im Herbst 1803 ab, weil inzwischen mehrere der „freien Männer“ sich bei Schleswig und in Holstein als Landwirte angesiedelt hatten und ihn in ihr „Arkadien“ einluden; Berger und andere Freunde verschafften ihm ein kleines Gut in Wagersrott.

  • Literatur

    ADB 13;
    R. Haym, Die romant. Schule, 1870, S. 445-56;
    F. Kammradt, Ludwig Tiecks Anschauungen üb. Erziehung, in: Zs. f. Gesch. d. Erziehung u. d. Unterrichts 1, 1911, S. 272;
    W. Flitner, A. L. H. u. d. Bund d. Freien Männer, 1913 (Anh.: Briefe an A. W. Schlegel u. Sophie Bern|hardi);
    M. Preitz, Frdr. Schlegel u. Novalis, Biogr. e. Romantikerfreundschaft in Briefen, 1957;
    P. Raabe, Das Protokollbuch d. Ges. d. Freien Männer, Festschr. f. E. Behrend, 1959, S. 356-81;
    W. Asmus, Der junge Herbart II, III, 1961/63;
    R. Lassahn, Wirkungsgesch. Fichtes als Päd., 1971.

  • Autor/in

    Wilhelm Flitner
  • Zitierweise

    Flitner, Wilhelm, "Hülsen, August Ludwig" in: Neue Deutsche Biographie 9 (1972), S. 734-736 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd121354016.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Hülsen: August Ludwig H., geb. 1765 in Premnitz (im Regierungsbez. Potsdam), 1810 in Lenzke bei Fehrbellin, Sohn eines Predigers, bezog die Universität Halle, wo er durch Wolf in das Studium Homer's eingeführt wurde, wirkte hierauf einige Zeit als Erzieher im Fouqué’schen Hause und begab sich dann nach Kiel, wo er unter Berger's Leitung die Schriften Kant's und Reinhold's studirte. Als in Jena (1794) Fichte den Lehrstuhl betrat, ging H. ebendahin und verweilte dort bis 1797 als begeisterter Anhänger der Wissenschaftslehre, sowie als Mitglied der an Fichte sich anschließenden „Gesellschaft der freien Männer“. Nachdem er (1798) mit Berger eine Reise in die Schweiz gemacht, ließ er sich 1799 mit seiner jungen Frau in dem Dorfe Lenzke nieder, woselbst ihm Fouqué sein Wohnhaus nebst Garten und Wiesen überlassen hatte. Er errichtete dort ein Erziehungsinstitut für Knaben, welches er im Sinne einer romantisch naturalistischen Pädagogik leitete, aber bereits nach Jahresfrist in Folge des frühen Todes seiner Gattin wieder aufgab. Gebrochenen Herzens und gänzlich rathlos fand er vorerst eine Stütze in der warmen Freundschaft Fichte's und A. W. Schlegel's, deren ersterer sogar auf den Gedanken verfiel, neben H. auch mehrere andere Gesinnungsgenossen in ein Männer-Convict zu vereinigen. Schließlich traten Berger und sonstige Freunde zusammen, um für H. ein kleines Landgut im Dorfe Wagersrott (im jetzigen Kreise Schleswig) zu kaufen, wo derselbe in zweiter Ehe mit einer geb. Wibel ein neues häusliches Glück fand; einmal auf Besuch wieder nach Lenzke gekommen, erkrankte er dort und starb. Er war zuerst in die Oeffentlichkeit getreten mit einer „Prüfung der von der Akademie der Wissenschaften zu Berlin aufgestellten Preisaufgabe“ (1796), wobei er das Thema der Aufgabe (die Fortschritte der Metaphysik seit Leibniz) benützte, um seine Ansicht über Geschichtschreibung der Philosophie auszusprechen; er fordert nämlich eine über die bloße Geschichtserzählung hinausgehende Darstellung, insofern es sich darum handle, die in ihrem Widerstreite fortschreitende Vernunft im Unterschiede von der schließlich sich selbst setzenden Vernunft zu erfassen, — ein Gedanke. — welcher an Fichte anknüpfend, grundsätzlich auch bei Hegel waltet. Sodann in einer Abhandlung „lieber Popularität in der Philosophie“ (1797 in Niethammer's Phil. Journal) bemühte sich H., die Schulfesseln systematischer Philosophie abzustreifen, und hierauf lieferte er in Schlegel's Athenäum (1798) zwei Aufsätze: „Ueber die natürliche Gleichheit der Menschen“ und „Naturbetrachtungen auf einer Reise durch die Schweiz", sowie in Niethammer's Journal (1800) eine Schrift „Ueber den Bildungstrieb“. Aus seinem Nachlasse erschien „Ueber das Wesen und die nothwendige Form der Wissenschaften“ mit einem Vorworte Fouqué's in Schelling's Allg. Zeitschrift v. Deutschen s. Deutsche (1813, S. 264 ff.). In diesen Schriften zeigt sich ein Uebergang vom Fichtianismus zur ethisch-religiösen Naturempfindung der Romantiker, welche hier ähnlich wie bei Novalis und Hölderlin zu einem ästhetisch gefärbten Spinozismus führt.

    • Literatur

      R. Haym, Die romantische Schule (1870), S. 445 ff.

  • Autor/in

    Prantl.
  • Zitierweise

    Prantl, Carl von, "Hülsen, August Ludwig" in: Allgemeine Deutsche Biographie 13 (1881), S. 333 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd121354016.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA