Lebensdaten
1566 – 1621
Geburtsort
Breslau
Sterbeort
Prag
Beruf/Funktion
Anatom ; Chirurg
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 11905986X | OGND | VIAF: 42639720
Namensvarianten
  • Jessenius, Johannes
  • Johannes Jessenius
  • Jessenský, Jan
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Zitierweise

Jessen, Johannes, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd11905986X.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Balthasar, Wirt in B., aus d. Fam. Jessenský in d. Gfsch. Turotsch (Mittelslovakei), die im Türkenkrieg nach B. floh u. 1562 e. Wappenbrief erhielt;
    M Martha Schüller;
    Ov Daniel, Kanzler d. Gfsch. Trentschin (Mähren), Lorenz (1532–88), Kaufm. in B.;
    - Breslau 24.1.1595 Marie (1564–1612), T d. kaiserl. Kammerregistrators Adam (Thiel gen.) Fels u. d. Martha Renisch; kinderlos.

  • Biographie

    J. besuchte in Breslau das Gymnasium und studierte in Wittenberg, Leipzig und Padua Philosophie und Medizin (Promotion zum Dr. med. 1591 durch einen Hofpfalzgrafen in Prag). 1593 war J. praktischer Arzt in Breslau, 1594 wurde er sächs. Leibarzt von Haus aus und Professor der Anatomie und Chirurgie in Wittenberg (mehrfach Dekan und Rektor). Er veröffentlichte zahlreiche Schriften zur theoretischen und praktischen Medizin sowie über 30 Abhandlungen, die von seinen Schülern verteidigt wurden, und setzte sich für die verpönten Leichensektionen ein. 1600 reiste er nach Prag, um einen Prozeß seines Vaters am Kaiserhof voranzutreiben. In dem zur ev. Carolinischen Universität gehörigen Kollegium Reček nahm er eine Sektion vor (8.-12.6.). Ende Okt. 1601 kam J. wieder nach Prag, traf aber seinen Freund Tycho Brahe, der längere Zeit in Wittenberg in seinem Haus (dem früheren Melanchthonhaus) gewohnt hatte, nicht mehr lebend an; er hielt ihm eine Leichenrede in der Theinkirche.

    1602 siedelte J. auf Ansuchen Rudolfs II. nach Prag über. Er übte eine große ärztliche Praxis aus, auch am Königshof und beim Adel, führte noch mehrmals Sektionen durch und veröffentlichte wissenschaftliche Abhandlungen, u. a. über die Pest und den Aderlaß. 1609 ging er als Hofarzt zu Kaiser Matthias nach Wien. Da ihn die Med. Fakultät als Eindringling bekämpfte, kehrte er 1614 nach Prag zurück und nahm seine guten alten Beziehungen zum böhm. Hochadel wieder auf. 1617 wurde er deswegen zum Rektor der in mißlicher Lage befindlichen ev. Carolinischen Universität gewählt – ohne dem Lehrkörper anzugehören und ohne Vorlesungen zu halten – als ein Repräsentant der Verbindung von höfischer und bürgerlicher Kultur.

    Drei Wochen nach dem Prager Fenstersturz wurde J. von den ev. böhm. Ständen Ende Juni 1618 nach Preßburg gesandt, um die Wahl des als Protestantenfeind bekannten Erzhzg. Ferdinand zum ungar. König zu hintertreiben und die ev. Stände Ungarns zu gemeinsamem Widerstand zu bewegen. J. hatte keinen Erfolg, er wurde vielmehr verhaftet und erst nach fünf Monaten gegen zwei kath. kaiserl. Beamte ausgetauscht. Im Jan. 1619 übernahm er wieder das Rektorat der Universität, begrüßte in ihrem Namen am 2.11. den zum König von Böhmen gekrönten Kf. Friedrich von der Pfalz und begleitete ihn im Febr. 1620 auf der Huldigungsreise nach Mähren und Schlesien. Im Sommer gehörte J. zu der Gesandtschaft nach Neusohl zum ungar. Reichstag, die diesen in der Absicht bestärken sollte, Ferdinand II. abzusetzen und den Fürsten Bethlen Gabor von Siebenbürgen zum König zu wählen. Nach dem Sieg der Kaiserlichen am Weißen Berg bei Prag wurde J. am 20.11.1620 als einer der ersten gefangengenommen, vom 21.3.1621 an verhört und zusammen mit 26 hohen böhm. Würdenträgern auf dem Altstädter Ring hingerichtet.

    J. war ein bedeutender und erfolgreicher Arzt, Anatom und Chirurg; auch als Redner wird er gerühmt. Er suchte die von den ital. Ärzten geübte Anatomie am menschlichen Körper auch in Deutschland einzuführen. Die Chirurgie wollte er nicht länger den Barbieren und handwerksmäßigen Chirurgen überlassen, sondern trat für eine wissenschaftliche Behandlung dieses Faches ein. Er vermittelte späthumanistische Kultur, wie er sie in Padua kennengelernt hatte, und verfocht die von den einheimischen Ständen getragene Monarchie.

  • Werke

    u. a. Zoroaster, Nova, brevis veraque de Universo Philosophia, 1593 (d. Lehre d. F. Patrizi nahestehend);
    Anatomiae, Pragae,… historia,|1601 (volkstüml. Darst. d. menschl. Körpers, in d. Vorrede Ber. üb. d. Prager Hof- u. Gel.kireise);
    De vita et morte… Tychonis Brahe, 1601;
    Institutiones chirurgicae, 1601, dt. u. d. T. Anweisung z. Wundartzney, 1674, 1717;
    Pro Vindiciis contra Tyrannos, 1613 (Rede in Padua 1591);
    Ablegung d. Legation, 1619 (betr. Reise z. ungar. Reichstag 1618);
    Denkschr. d. Rektors an d. Gen.-landtag v. 1619 üb. Erneuerung d. Prager Univ., hrsg. v. F. Pick, 1920 (Faks., P). - Hrsg.: H. Savonarola, Universae Philosophiae Epitome, 1596;
    A. Vesal, Examen observationum anatomicarum Fallopii, 1609.

  • Literatur

    ADB 13;
    E. Gurlt, Gesch. d. Chirurgie III, 1898, S. 148-52;
    F. J. Pick, J. J. de Magna Jessen, 1926 (W, L, P);
    ders., in: Sudetendt. Lb. I, 1926, S. 236-39 (P);
    M. Lindemann, J. J. u. d. Prager Exekution v. 1621, in: Jb. d. Schles. Friedrich-Wilhelms-Univ. zu Breslau 6, 1961, S. 351-68 (L);
    J. Polisenský, Jan Jessenský-J., 1965;
    ders., J., Fradelius u. d. späthumanist. Bildung in Mitteleuropa, in: Stud. z. Gesch. Osteuropas 3, 1966, S. 141-49;
    BLÄ.

  • Porträts

    Kupf. v. P. Isselburg n. Gem. v. F. v. Eiser, 1614, Abb. b. Pick, s. L;
    Kupf. v. L. Kilian, 1618, Abb. in Sudetendt. Lb. I, 1926.

  • Autor/in

    Heinz Röhrich
  • Zitierweise

    Röhrich, Heinz, "Jessen, Johannes" in: Neue Deutsche Biographie 10 (1974), S. 425-426 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11905986X.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Jessen: Joh. v. J. (Jessensky), Arzt, ist 1566 in Breslau geboren; er hatte zuerst in Leipzig, später an italienischen Universitäten Medicin studirt und 1596 in Wittenberg die Doctorwürde erlangt. Bald nach seiner Promotion wurde ihm die Venia docendi ertheilt, auch wurde er zum Leibarzte des Kurfürsten von Sachsen ernannt. Im J. 1601 folgte er einem ehrenvollen Rufe als Prof. ord. an die Universität zu Prag, wo er mit Auszeichnungen überhäuft, zum Rector und Kanzler der Universität befördert und mit der Würde eines Leibarztes des Königs Rudolf betraut wurde. Bei den Zerwürfnissen zwischen der böhmischen Krone und dem österreichischen Kaiserhause wurde er von den böhmischen Ständen, welchen er sich angeschlossen hatte, nach Ungarn deputirt, auf seiner Rückreise aber in Wien gefangen genommen und längere Zeit daselbst in Haft gehalten. Nach seiner Befreiung kehrte er nach Prag zurück, nahm bei dem Ausbruche der Streitigkeiten zwischen den böhmischen Ständen und dem Kaiser Ferdinand 1619 wieder sehr lebhaften Antheil, wurde nach Niederlage seiner Partei (nach der Schlacht am weißen Berge) verhaftet und endete mit 26 seiner Schicksalsgefährten im Juni 1621 auf dem Schaffote durch Henkershand. — J. hat das Verdienst, das Studium der Anatomie durch Leichenuntersuchung an der Universität in Prag wesentlich gefördert zu haben;|seine literarischen Arbeiten (vergl. das Verzeichniß derselben in Haller, Bibl. anat. I. 274, Bibl. chirurg. I. 278, Bibl. pract. II. 311) sind ohne Bedeutung.

  • Autor/in

    A. Hirsch.
  • Zitierweise

    Hirsch, August, "Jessen, Johannes" in: Allgemeine Deutsche Biographie 13 (1881), S. 785-786 unter Jessen, Johann von [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11905986X.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA