Lebensdaten
1897 – 1983
Geburtsort
Vockenhausen bei Eppstein (Taunus)
Sterbeort
Titisee-Neustadt (Schwarzwald)
Beruf/Funktion
Graphiker ; Collagekünstler
Konfession
evangelisch?
Normdaten
GND: 11887361X | OGND | VIAF: 50023335
Namensvarianten
  • Michel, Robert

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Zitierweise

Michel, Robert, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd11887361X.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Ferdinand (1853–1924), Farbenfabr. in V., S d. Adolph (1801–77) aus Idstein, Gerber, später Farbenfabr. in V., u. d. Maria Geißel (1810–83);
    M Katharina (1865–1925), T d. Georg Kunz (* 1811) aus Höchst u. d. Barbara Sponzel (1833–91);
    B Friedrich (1891–1945), Paul (1894–1942), beide Farbenfabr.Farbenfabrik(ant); – Weimar 1919 Ella Bergmann (s. 2);
    1 S, 1 T, u. a. Hans (* 1920), Graphiker, Prof. an d. Hochschule f. bildende Kunst in Hamburg (s. Wi. 1992).

  • Biographie

    M. besuchte 1908-14 das Institut Garnier im nahen Friedrichsdorf. Mit dem Ziel, Maschinenbauingenieur zu werden, ging er als Volontär zur Flugzeugwerft in Hannover und Gotha. Hier blieb er auch, nachdem er sich als Kriegsfreiwilliger gemeldet hatte. Er absolvierte 1915 an der Militärfliegerschule die Pilotenprüfung und wurde der Konstruktions- und Versuchsabteilung der Gothaer Waggonfabrik als Versuchsflieger zugeteilt. 1917 stürzte M. mit einer „Gothaer Taube“ ab. Schwer verletzt wurde er in das Weimarer Lazarett gebracht, das in der Kunstgewerbeschule einquartiert war. M. ließ nun von seinem bisherigen Berufswunsch ab und nahm das Studium an der Weimarer Hochschule für Bildende Kunst auf. Wegen seiner Kritik an deren von Walther Klemm und Fritz Mackensen bestimmten Ausbildungsmethoden (Zeichnen nach Gipsmodellen etc.) mußte er im Juni 1918 die Hochschule verlassen. M. bezog ein eigenes Atelier in Weimar und schuf seine ersten Collagen. Diese entsprangen seinem Interesse an der Typographie, vor allem aber seiner intensiven Beschäftigung mit Robert Delaunay sowie allgemein mit dem Kubismus und Futurismus. Sehr bald fand er seinen Weg in einer surrealistischdadaistischen Richtung. Das Erlebnis des militärischen und politischen Zusammenbruchs versetzte M. in eine Euphorie, eine neue, durch Demokratie und Technik bestimmte Epoche mitgestalten zu können. Ähnlich dachten seine ehemaligen Kommilitonen Johannes Molzahn, Karl-Peter Röhl und Ella Bergmann; erstere sowie Kurt Schwitters blieben seine Freunde, letztere wurde seine Frau. Walter Gropius, der M.s Collagen schätzte, wollte ihn für das neugegründete Bauhaus gewinnen. Zwar bemühten sich beide um eine Synthese von Kunst und Technik, aber M. wollte sich keinem akademischen Betrieb mehr anschließen, schon gar nicht einem, der zu handwerklicher Spezialisierung verpflichtete. Im Oktober 1920 kehrte er mit Ella Bergmann in die elterliche „Schmelzmühle“ zurück, um Abstand zum öffentlichen Kulturbetrieb zu gewinnen. Beide fertigten Holzschnitte und Zeichnungen, erkannten jedoch immer mehr die Collage als Ausdrucksmittel ihrer Kreativität und hintergründigen Ironie. So entstanden Materialbilder, die von einem Ölgemälde oder einer Tuschzeichnung ausgingen, Zeitungsausschnitte und Zifferblätter sowie Stoff-, Leder- und Metallteile zusammenfügten. Seit 1921|bezog M. auf Anregung seiner Frau auch die Photographie mit ein. Mittels der Spritztechnik bildete er Schablonen ab, die er ausschnitt und aufklebte, phototechnisch reproduzierte und schließlich collagierte. Die Themen stammen aus der Welt der Technik und der Fliegerei, aus Bereichen, die M. zeit seines Lebens faszinierten. Die öffentliche Anerkennung blieb nicht aus. Seit 1921 kam es zu eigenen Ausstellungen, häufig zusammen mit Collagen und Graphiken seiner Frau.

    Mitte der 20er Jahre wandte sich M. mehr der Architektur und der Werbegraphik zu. Er schuf Pläne für Geschäfte mit großen Schaufensterfronten und Lichtreklamen und entwarf die Bildreklame u. a. für Persil, Dapolin (später Esso), Söhnlein-Rheingold und das Reisebüro Hapag. Zusammen mit Kurt Schwitters, Willi Baumeister, Jan Tschichold u. a. gründete er 1928 auf der Schmelzmühle die Interessengemeinschaft „Ring neuer Werbegestalter“. In Frankfurt/Main eröffnete er 1927 ein Architekturbüro, nachdem er sich bereits 1925 der Gruppe „Das Neue Frankfurt“ um den Stadtbaurat Ernst May angeschlossen hatte. Auf Empfehlung von Kurt Schwitters arbeitete er bis 1930 mit der Architektin Lucy Hillebrand zusammen. 1928 wurde M. Mitglied der neugegründeten „Frankfurter Oktobergruppe“, der u. a. Willi Baumeister, Joseph Gantner, Adolf Meyer und Mart Stam angehörten. Seit 1930 Mitglied im Bund Deutscher Architekten, engagierte er sich vor allem für den sozialen Wohnungsbau.

    Das Jahr 1933 bedeutete eine Zäsur im Leben des Künstlerehepaares: M. wurde aus der Reichskulturkammer ausgeschlossen und mußte sein Architekturbüro schließen. Sein graphisches Schaffen, das sich vom Surrealistisch-Dadaistischen zum mehr Konstruktivistischen und Formal-Klaren gewandelt hatte, kam allmählich zum Stillstand. Er beschäftigte sich nunmehr fast ausschließlich mit der Fischzucht, legte in Vockenhausen Fischteiche an und setzte sich für Gewässer- und Naturschutz ein. Seit 1942 leitete er das Familienunternehmen, die Farbenfabrik „Michel & Morell“, die 1956 ihren Betrieb einstellte.

    Erst 1952/54 nahm M. seine künstlerische Tätigkeit wieder auf, wobei er fast nahtlos an sein Schaffen in den 30er Jahren anknüpfte. Von der modernen Technik blieb er weiterhin fasziniert, so von der entstehenden Raumfahrt, bezog jedoch auch Eindrücke mit ein, die er bei der Fischzucht gesammelt hatte. Auf diese Weise versuchte er, sein Ideal einer Verbindung von Natur und Technik zu vermitteln. Vermehrt erstellte er nun unter Verwendung der Lichtpause „Bilderserien“: Das Hauptmotiv erscheint einmal als Negativ-, dann als Positivform; durch Drehung um die eigene Achse oder durch Spiegelung wird es in verschiedene Stellungen und Bezüge gesetzt. Ein weiteres sich häufendes Merkmal im Spätwerk ist die gemalte Rahmung, die meist einen ornamentalen Gegensatz zum technisch orientierten Hauptmotiv der Collagen bildet. Seit Mitte der 60er Jahre schuf M. wegen einer zunehmenden Sehschwäche nur noch wenige Graphiken und Collagen. Sein Werk befindet sich heute in wichtigen Museen und in Privatbesitz. Sein künstlerischer Nachlaß gelangte an das Sprengel Museum in Hannover.

  • Literatur

    (s. a. L zu 2) E. v. Sydow, Der Graphiker R. M., in: Jb. d. jungen Kunst, 1923, S. 432-37. – Ausst.kat.: R. M., Collages 1918-1930, London 1982;
    R. M., Works on Paper, New York 1984;
    R. M. 1897-1983, Collagen, Malerei, Aquarelle, Zeichnungen, Druckgraphik, Reklame, Typographie, Entwürfe, Ausst.kat. Hannover 1988 (W- u. Schrr.-Verz., L, P).

  • Autor/in

    Franz Menges
  • Zitierweise

    Menges, Franz, "Michel, Robert" in: Neue Deutsche Biographie 17 (1994), S. 442-443 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11887361X.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA